2.3.7 Natürliche Zahlen und Mengenbildung

 

I. - Die einzige Möglichkeit, Anzahlen auch sprachlich Ausdruck zu verleihen besteht darin, sich dafür der Bezeichnungsweise zu bedienen, so wie sie in jedem System von Polynom-Darstellung natürlicher Zahlen praktiziert wird. Es ist jedes solche System zugleich auch das einzige Modell, das der Realität „Menge der natürlichen Zahlen“ in vollem Umfang gerecht wird. Man kann sich mit dem Phänomen „natürliche Zahlen“ sinnvollerweise damit auch nur im Rahmen des Verfahrens beschäftigen, das uns zu einer solchen Darstellung verhilft. Wenn weder Philosophen noch Mathematiker darin eine Lösung des Problems „Realität der natürlichen Zahlen“ glauben finden zu können, so hat das – wie gesagt – im einen wie im anderen Fall ganz verschiedene Gründe. Offensichtlich suchen Philosophen in einer Frage, deren Objekt immaterieller Natur ist, (letztlich) schon auch die metaphysische Spekulation, und dafür scheint dieses Verfahren doch ein recht unzulängliches Objekt zu sein. Mathematiker hingegen werden sich in diesem Verfahren in dem Bedürfnis nach einer operativen Beschreibung dieser Realität „natürliche Zahlen“ nicht befriedigt sehen können. Es ist in diesem Verfahren nichts von Funktion und auch nichts von Verknüpfung zu sehen. Damit läßt sich mit diesem Verfahren, so wie es sich in der Produktion einer Serie von Zeichenfolgen präsentiert, mathematisch nichts anfangen. Dieses Verfahren entzieht sich in seiner ganzen ursprünglichen produktiven Qualität auch jeder logisch-mathematischen Formalisierung, so daß dieser auch kein mögliches Objekt der formalen Logik ist. Man möchte meinen, dieses Verfahren ist schlicht und einfach nicht wissenschaftlich.

Es liegt dies sicherlich auch daran, wenn bzw. daß dieses Verfahren bislang so wenig Beachtung gefunden hat. Mit der Zeichenreihe 1, 2, 3, ..., als dieser Zeichenreihe kann man sich auch nicht gut wissenschaftlich beschäftigen. Dafür fehlt es so einer Reihe einfach an der notwendigen abstrakten Qualität, so wie sie jedes wissenschaftlich relevante Objekt zur Voraussetzung hat. Wissenschaft ist niemals einfach nur Wissenschaft des Konkreten. Vom Konkreten als Konkretem gibt es keine Wissenschaft. Wissenschaft ist nie nur singulär, sondern immer allgemein. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit einer Zeichenreihe wie 1, 2, 3, ..., kann erst dort einsetzen, wo man sich von dieser Zeichenreihe in ihrer konkret-materiellen Ausführung zu lösen weiß, um sich umso besser den allgemeinen Strukturen so einer Reihenfolge widmen zu können. Gäbe es solche Strukturen nicht, so eine Reihenfolge wäre kein mögliches Objekt wissenschaftlicher Analyse. Alles, was es von so einer Reihenfolge zu sagen gäbe, könnte man sich von so einer Reihenfolge immer nur selbst sagen lassen, in dem man diese Reihenfolge – in Teilen und wo bzw. soweit dies gewünscht wird – zur Darstellung bringt. Damit wären wir mit so einer Zeichenreihe in derselben Situation wie mit unserer Definition von Anzahl, so wie wir sie unserer Konstruktion eines Modells der Menge der natürlichen Zahl zugrundegelegt haben.

Anzahl konnte man sich in diesem Modell auch nur demonstrieren lassen, indem eine Menge mit entsprechend vielen Elementen auch gesetzt wird, wobei es bezüglich der Anzahl der zu setzenden Elemente keinerlei – sprachliche – Vorgaben geben kann, einfach deswegen, weil es diesem System an der dafür notwendigen Sprache fehlt. Dieses System kann sich in den von ihm gesetzten Anzahlen nicht mitteilen. Wenn wir wissen wollen, von welcher – endlicher – Anzahl eine Menge ist, dann können wir nicht umhin, uns in der Bezeichnungsweise für solche Anzahlen einer Zeichenreihe wie 1, 2, 3, ... zu bedienen. Im verwendeten Zeichenmaterial kann so eine Folge von Zeichen bzw. Zeichenfolgen auch ganz anders aussehen. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend allein ist, daß die Produktion dieser Zeichenfolgen sowohl in der Reihenfolge dieser Folgen als auch in der Kombination der einzelnen – endlichen – Zeichenfolge aus dem vorgegebenen Zeichenmaterial den Regeln des allgemeinen Verfahrens zur Darstellung der Menge aller dieser Zeichenfolgen folgt.

Damit sie das tun können, muß dieses Verfahren aber auch allgemein formuliert sein. Der Unabhängigkeit vom verwendeten Zahlenmaterial steht dann notwendig die Allgemeinheit des Produktionsverfahrens gegenüber, und in dieser Allgemeinheit ist dieses Verfahren dann auch möglicher Gegenstand wissenschaftlicher Analyse. Das gilt auch dann, wenn die Abhängigkeit vom Zeichenmaterial so ist, daß sich dieses Verfahren einer formal-abstrakten Formalisierung entzieht. Was man von den Anzahlen aus unserem Modell der Menge der natürlichen Zahlen von vorhin nicht sagen kann, von den Zeichenfolgen einer dem Verfahren zur Polynom-Darstellung natürlicher Zahlen folgenden Folge von Zeichenfolge läßt es sich sagen, nämlich, daß jede dieser Zeichenfolgen Anzahl nicht nur symbolisiert, sondern Anzahl auch mitteilt. Es muß dann nicht weiter mit irgendwelchen Mengen zu Demonstrationszwecken operiert werden, wobei das, was dabei demonstriert werden soll – bestimmte Anzahl nämlich – ohnehin nicht demonstriert werden kann, weil uns von dieser Demonstration nicht auch gesagt zu werden vermag, was eigentlich demonstriert sein soll. Das müßte man bei Demonstrationen natürlich immer schon auch wissen. Andernfalls könnte man dem ganzen Geschehen nur verständnislos gegenüberstehen.

Bei den Zeichenfolgen aus dem allgemeinen Verfahren zur Darstellung der Menge der natürlichen Zahlen ist dieser Situation vorgebeugt. Jede dieser Zeichenfolgen ist in sich informativ bezüglich der dadurch dargestellten natürlichen Zahl bzw. Anzahl. Es muß dazu weder in einen Vergleich mit Mengen noch in einen solchen mit anderen Zeichenfolgen aus eben diesem System von Zeichenfolgen eingetreten werden. Es genügt, Auswahl bzw. Reihenfolge der verwendeten Zeichen festzustellen, um so eine Zeichenfolge sofort auch in der Position, die sie in der Reihenfolge aller dieser Zeichenfolgen einnimmt, identifizieren zu können. Wir wissen dann sofort, wo wir mit so einer Zeichenfolge innerhalb der Reihenfolge aller dieser Zeichenfolgen stehen. Und genau diese Information wird dann auch dazu verwandt, so eine Zeichenfolge mit einer bestimmten natürlichen Zahl – und mithin auch Anzahl – zu identifizieren.

 

II. - Dem Wissen um die Position einer Zeichenfolge in einer ganzen Reihenfolge solcher Folgen verbindet sich notwendig auch ein Wissen um die Anzahl von Folgen, die einer jeden dieser Folgen vorausliegen. Wenn man weiß, wie sich eine Reihenfolge von Folgen systematisch entwickelt, dann weiß man auch, wie viele Folgen entwickelt werden müssen, um zu einer bestimmten Folge in dieser Reihenfolge von Folgen zu kommen.  Diese Information ist in einer jeden solchen Folge verpackt. Man kann jeder Folge die Anzahl der Verfahrensschritte entnehmen, die getätigt werden müssen, damit man – wenn man die ganze Reihenfolge dieser Folgen von ihrem Anfang an aufnehmen wollte – bei dieser Folge ankommt. In dieser Vorstellung ist der Übergang von einer Folge zur nächsten Folge der Addition mit Eins gleichzusetzen. Die Menge an Elementen bzw. Anzahl von Zeichenfolgen in der ganzen Reihenfolge solcher Folgen wird mit jeder zusätzlich gesetzten Folge um 1 größer.

Es ist dies eine Interpretation dieser Reihenfolge von Zeichenfolgen, die durch das Verfahren zur Produktion dieser Folgen zwar autorisiert, nicht aber auch vollzogen ist. Man muß den Übergang von einer Zeichenfolge zur anderen nicht auch als Addition von Eins interpretieren, um wissen zu können, wie das ganze Verfahren funktioniert. Das ist eine zusätzliche Interpretation, die einfach davon motiviert ist, daß mit jeder neuen Zeichenfolge genau eine Zeichenfolge hinzukommt. Wenn man über die Menge – will heißen: Anzahl – der mit jeder Zeichenfolge bislang insgesamt gesetzten Folgen informiert sein will, dann kann man das nur, indem man dem Verfahrensablauf auch diese Deutung gibt. Es steht einer solchen Deutung auch nichts entgegen. Es ist nur allzu natürlich, in jeder einzelnen Zeichenfolge auch eine einzige Zeichenfolge zu sehen, und was bietet sich dafür natürlicherweise anderes als Anzahl-Bezeichnung an als das erste Zeichen in der ganzen Serie dieser Zeichen bzw. Zeichenfolgen. Man sollte dann nur nicht zu einer Darstellung übergehen, die sich auch nur ausschließlich dieses einen Zeichens bedient, und sich damit in ihren einzelnen Zeichenfolgen nur in der Anzahl unterscheidet, in der in ihnen dieses eine Zeichen gesetzt ist.

In einem solchen, den Peano-Axiomen folgenden Modell der Menge der natürlichen Zahlen könnten wir einfach nicht sagen, in welcher Anzahl eine Zeichenfolge dieses eine Zeichen enthält. Das kann man sich nur von einer Darstellung sagen lassen, die in der Darstellung von Anzahl nicht auf reine Einzelauszeichnung setzt, und d.h., die jedes Element der betreffenden Menge nicht auch mit einem eigenen Zeichen ausgezeichnet wissen will. Das bedeutet, daß in der Bezeichnung von Anzahl mit Zeichen bzw. Zeichenfolgen  zu arbeiten ist, die anderes bezeichnen als sich selbst als Zeichen bzw. Folge von Zeichen, und d.h., von denen jedes einzelne Zeichen von zwei Ausnahmen – der Null und der Eins –  abgesehen, wie wir wissen, für mehr als ein Zeichen steht.

 Das wäre jedenfalls die Interpretation, die den einzelnen Zeichenfolgen eines Systems von Polynom-Darstellung der natürlichen Zahlen zu geben ist, wenn wir uns – zunächst – jede dieser Zahlen durch „Ein-Zeichen-Folgen“ der beschriebenen Art dargestellt denken. Dann kann auch nach einem System gesucht werden, wie solche Zeichenfolgen geeignet „zusammenzufassen“ sind. Wie dabei vorzugehen ist, das ist in jedem System von Polynom-Darstellung natürlicher Zahlen praktiziert. Man muß sich dazu nicht notwendig die einzelnen Zeichen durch ein Pluszeichen verbunden denken, und d.h. man muß jede dieser „Ein-Zeichen-Folgen“ nicht notwendig als Summe aller dieser Zeichen verstanden wissen. Es genügt, wenn man weiß, wie von einem System ins andere zu übersetzen ist. Dazu muß man dann allerdings auch über eine identifizierbare, also bezifferbare Vorstellung von Anzahl verfügen. Es muß dazu einfach abgezählt werden (können). Sukzessive wird dabei die zu bzw. für diesen Systemwechsel erforderliche Übersetzungsarbeit geleistet. Und geleistet ist diese Arbeit, sobald vollständig abgezählt ist.

Man könnte sich jetzt fragen, inwieweit so ein Abzählen unabhängig von jeder Summenbildung bzw. Summenvorstellung vollzogen werden kann. Wenn einem nur an der systematischen Produktion der Zeichenfolgen, so wie sie in jedem System von Polynom-Darstellung der natürlichen Zahlen Verwendung finden, gelegen ist, dann braucht jedenfalls – expressis verbis – weder abgezählt noch summiert zu werden. Das  Verfahren, das alle diese Zeichenfolgen produziert, ist ein Verfahren allein der systematischen und endlichen Kombination von endlich vielen vorgegebenen Zeichen, wobei von den einzelnen Zeichen in den einzelnen – endlichen – Zeichenkombinationen auch wiederholt Gebrauch gemacht werden darf.

Nun kann man nicht sagen, daß dieses Verfahren ohne jedes Element bzw. Moment eines Abzählens wäre. Es wird dieses Element bzw. Moment als solches nur nicht notwendig auch wahrgenommen. Es muß einem nicht bewußt werden, daß dabei – implizite – schon immer auch abgezählt wird bzw. daß – mehr noch – dabei nichts anderes geschieht, als daß abgezählt würde. Daß wir das so nicht wahrnehmen liegt einfach daran, daß sich dieses Verfahren der Produktion – in Reihenfolge – des Zeichenmaterials verpflichtet weiß, so wie es zu Abzählzwecken dann immer und überall auch Verwendung findet. Es geschieht in diesem Verfahren nichts anderes als daß die diesem Mechanismus in Reihenfolge vorgegebenen endlich vielen Zeichen in eben dieser Reihenfolge immer wieder aufs neue gesetzt werden. Um unterscheiden zu können, wie oft diese Zeichen zur Gänze schon gesetzt worden sind, wird der aktuellen Wiederholung aller dieser Zeichen auf der letzten Position der fortlaufend produzierten Reihenfolge von Zeichenfolgen über das betreffende Zeichen aus dieser Zeichenreihe auf der Position zuvor vorangestellt.

„Abgezählt“ werden diese Wiederholungen in der Reihenfolge der vorgegebenen bzw. vorzugebenden Zeichen. Der erste vollständige „Durchlauf“ wird den ganzen zweiten „Durchlauf“ über in den zu produzierenden Zeichenfolgen dadurch festgehalten, daß mit Zeichenfolgen aus zwei Zeichen gearbeitet wird, wobei – von links nach rechts gelesen – das erste Zeichen konstant mit dem ersten Zeichen der zur Verfügung stehenden Zeichenreihe besetzt gehalten wird, während die zweite Position wieder über die ganze Reihenfolge dieser Zeichenreihe variiert. Sind die Möglichkeiten der Differenzierung, die uns diese zusätzliche Position ermöglicht, erschöpft, dann wird eben eine dritte Position eröffnet. Dann darf sich auf den beiden Positionen zuvor einfach auch nur wiederholen, was zuvor schon alles war. Das zusätzliche Zeichen auf der zusätzlichen Position gewährleistet dann, daß sich Früheres dennoch nicht einfach wiederholt. Neue Positionen lassen uns das Verfahren immer wieder aufs neue fortsetzen bzw. wiederholen, so daß das ganze Verfahren seiner ganzen – inneren – Anlage nach ein unendliches Verfahren ist. Offensichtlich wird in diesem ganzen Verfahren auch abgezählt. Das ganze Verfahren besteht seiner Anlage nach – wie gesagt – darin, daß eine vorgegebene, endliche und in Reihenfolge geordnete Zeichenmenge immer wieder aufs neue gesetzt wird. Würde in diesem Verfahren nicht zusätzlich auch darüber Buch geführt werden, wie oft diese vorgegebene Zeichenmenge schon gesetzt worden ist, dieses Verfahren würde sich von einem System reiner „Ein-Zeichen-Folgen“ nur darin unterscheiden, daß statt des einen Zeichens jeweils eine ganze endliche Menge von Zeichen in einer bestimmten Reihenfolge immer wieder aufs neue gesetzt wird.

 So etwas kann man natürlich auch tun, es wäre damit gegenüber der Verwendung „reiner“ Ein-Zeichen-Folge allerdings auch nichts gewonnen. Auch in dieser Variante würde nach dem Prinzip: „Jedes Zeichen darf sich als Zeichen nur selbst darstellen“ verfahren. Wo immer auch nach diesem Verfahren vorgegangen wird, es wird dabei nicht auf die Zeichen ankommen, deren man sich bedient. Wenn die Funktion so eines Zeichens nur darin bestünde, daß auch ein Zeichen gesetzt wäre, dann wäre es völlig unwichtig, welches Zeichen gesetzt würde. Dann würde es einfach jedes Zeichen tun. Ob wir in einer ganzen Zeichenfolge immer nur ein und dasselbe Zeichen setzten, ob wir immer wieder auf ein anderes Zeichen zurückgreiften, oder ob wir – in – bestimmte Zeichen regelmäßig abwechselten, machte dann keinen Unterschied. Wenn alles, was uns von so einer Zeichenfolge gesagt sein sollte, in der Menge an Zeichen bestünde, die so eine Folge umfaßte, dann wäre so oder so eine solche Folge komplett – neu – zu setzen, wenn wir darüber auch ins Bild gesetzt sein wollten. Die Frage dabei wäre nur, was wir dabei auch zu sehen bekämen. Anzahl wäre es jedenfalls nicht, wenn mit Anzahl eine – sprachliche – Angabe „über“ den Umfang einer Menge gemeint sein sollte. Anzahl will schließlich auch realisiert bzw. identifiziert sein, und dazu kann auf eine sprachliche Übersetzung einer – explizit-materiell – gegebenen Anzahl von (Einzel-)elementen auch nicht verzichtet werden. Bloße Reproduktion – und geschähe das auch mit einhergehender Reduktion, was die Verwendung bzw. Reduktion verwendeten Zeichenmaterials anbelangt, tut es dann nicht.

 

III. - Der Begriff Anzahl ist in seiner Verwendung auf die Anzahl der Elemente einer Menge beschränkt. Nur deswegen auch kann sinnvollerweise an eine Definition dieses Begriffes über die numerische Äquivalenz von Mengen gedacht werden. Natürlich – weil definitionsgemäß auch – ist jede mögliche endliche Anzahl durch eine natürliche Zahl bezeichnet. Fest steht auch, daß der Anzahlbegriff ein rein „einheitenbezogener“ Begriff ist. Das würde man von den natürlichen Zahlen in dieser Ausschließlichkeit nicht a priori in gleicher Weise behaupten wollen. Nur bei einer „Definition“ der natürlichen Zahlen, die diese Zahlen aus einem Prozeß fortgesetzter Addition von Einsen hervorgehen läßt, bräuchte zwischen Zahl und Anzahl nicht mehr differenziert zu werden. Der einzige Unterschied zwischen beiden Vorstellungen bestünde dann darin, daß es bei natürlichen Zahlen immer Mengen von Einsen sind, durch die solche Zahlen bestimmt sind, während es bei Anzahlen Mengen verschiedenster Zusammensetzung sein können, die von solchen Anzahlen erfaßt sind. Es ist dies – wie gesehen – nur kein Unterschied, der für die kommunikative Qualität von Anzahl eine Bedeutung haben könnte. Die Auswahl der Zeichen hat nichts zu bedeuten, wenn es nur auf die Anzahl dieser Zeichen ankommt, und bei Anzahl kommt es nun einmal nur auf diese Anzahl an. Natürlich sind zwei Mengen in der Anzahl ihrer Elemente auch gleich, wenn sich diese Mengen bijektiv aufeinander abbilden lassen.

Das entspricht in der Form des Nachweises so auch allgemeiner mathematischer Identitätsvorstellung bzw. allgemeiner mathematischer Identifizierungspraxis. Mathematische Identität definiert sich über die Strukturen von Mengen. Identisch sind mathematische Größen dann, wenn sie in ihren Strukturen gleich sind. Festgestellt wird im allgemeinen so etwas dadurch, daß man die eine Menge isomorph auf die andere Menge – bzw. auch nur eine Teilmenge davon – abzubilden sucht, wobei mit isomorph einfach „strukturverträglich“ gemeint ist. Damit wiederum ist gemeint, daß es keinen Unterschied macht, ob man strukturdefinierende Operationen zuerst ausführt und dann erst abbildet, oder ob man zuerst abbildet und dann erst entsprechend operiert.[72] Gibt es eine solche Abbildung, dann sind aus mathematischer Perspektive Urbild und Bild nicht voneinander zu unterscheiden, sie sind mathematisch identisch. Als Beispiel dafür möge die Einbettung der natürlichen Zahlen in die axiomatisch begründete Menge der reellen Zahlen dienen. Diese Einbettung wird einfach über die Identifizierung der natürlichen Eins mit der reellen Eins sowie der weiteren Identifizierung jeder natürlichen Zahl mit einer bestimmten Anzahl resp. Summen von Einsen herbeigeführt. Dazu liegen in diesem Fall – formal – auch die Voraussetzungen insofern vor, als sich das Ganze innerhalb einer fest etablierten Menge abspielt. Alle diese endlichen Summen von beliebig vielen Einsen sind in dieser Menge jedenfalls allesamt definiert.

Die Frage ist nur, ob man die natürlichen Zahlen auch so verstehen darf. Eine ursprüngliche Begründung dieser Zahlen auf diesem Wege verbietet sich jedenfalls. Man kann die Menge der natürlichen Zahlen auf diese Weise nicht erzeugt sein lassen, wenn nicht vorab schon auch für eine Darstellung des Ergebnisses aller dieser Additionen gesorgt wäre. Schließlich möchte man auch haben, daß diese Additionen alle auch ausgeführt werden können, und ausgeführt werden können sie nur, wenn wir dafür auch mit einem – konkreten – Ergebnis dienen können, was wiederum voraussetzt, daß wir dafür auch eine entsprechende Darstellung haben. Man könnte jetzt natürlich an eine Lösung denken, die uns die Pluszeichen zwischen den einzelnen Einsen einfach streichen läßt. Kann so etwas – und wir wiederholen uns (ganz bewußt auch) in dieser Frage – als Lösung der Aufgabe „Darstellung der Menge der natürlichen Zahlen“ angesehen werden? Wenn man dem glauben darf, was in der Literatur – der philosophischen genausogut wie der mathematischen – zu diesem Thema gesagt wird, müßte man sagen: ja.

 

So wie in dieser Literatur die natürlichen Zahlen formalisiert bzw. axiomatisiert werden, wird uns auch genau das als Lösung angeboten. Im Modell sehen die natürlichen Zahlen dann immer so aus, daß ein einziges Zeichen verschieden oft in Reihenfolge gesetzt wird. Wenn man will, kann man dabei zur Unterscheidung der einzelnen – gleichen – Zeichen beispielsweise hochgestellte Striche in fortlaufender Anzahl setzen. Man kann auch Klammern setzen, um auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen, daß man jede einzelne „natürliche Zahl“ als Teilmenge der ihr folgenden natürlichen Zahl verstanden wissen will. Das sind alles  allerdings auch nur kosmetische Korrekturen eines Ansatzes, von dem man sagen muß, daß er an die Realität der Menge der natürlichen Zahlen einfach nicht heranreicht. Die Kritik an diesem Ansatz richtet sich einfach dagegen, daß er es nicht ermöglicht, Anzahl auch zu realisieren bzw. identifizieren. Es läßt sich in den – sprachlichen – Möglichkeiten solcher Formalisierungen einfach nicht sagen, von welcher Anzahl an Elementen eine konkret vorliegende endliche Menge ist. Wir können in so einem System mit anderen Worten einfach nicht abzählen.

 Eine Menge ist nicht schon auch dadurch abgezählt, daß sie in allen ihren Elementen durch ein einheitliches Zeichen ersetzt wird. Das ist – implizite – zwar schon auch Bestandteil eines jeden Abzählverfahrens; es ist damit eine Menge nur nicht schon auch abgezählt. Dazu müßten alle diese Einzelzeichen dann schon auch noch „zusammengezählt“ werden, und dieser Aufgabe ist jedenfalls nicht dadurch Genüge getan, daß man alle diese Einzelzeichen in einer Reihenfolge „zusammenfaßt“. Eine Menge ist nicht schon dadurch abgezählt, daß man diese Menge durch eine andere Menge ersetzt, die über dieselbe Anzahl von Elementen verfügt, nur daß alle diese Elemente von ein und demselben Element gestellt werden, was bei Mengen ohnehin nicht sein sollte bzw. definitionsgemäß auch nicht sein dürfte. Daran ändern auch irgendwelche – wie vorhin beschrieben – kosmetische Korrekturen nichts, nur um zu einer – formalen – Differenzierung der einzelnen Elemente zu kommen, damit auch eine – regelkonforme – Mengenbildung möglich ist.

Definitionsgemäß darf eine Menge – wie gesagt – ein Element nur einmal enthalten. Möchte man ein Element in einer Menge öfters enthalten sein lassen, dann müßte schon auch durch eine besondere Kennzeichnung dafür gesorgt werden, daß die einzelnen Exemplare dieses einen – gleichen – Elementes auch voneinander unterschieden sind und dann auch unterschieden werden können. Damit wäre zwar eine legitime Mengenbildung ermöglicht und die abzuzählende Menge auch auf einen einheitlichen, standardisierten und numerisch-äquivalenten Typ von Menge zurückgeführt. Abgezählt wäre so eine Menge dadurch aber noch nicht. Abgezählt werden Mengen dadurch, daß man die Menge der natürlichen Zahlen in der dieser Menge eigenen Reihenfolge – soweit benötigt – bijektiv auf die abzuzählende Menge abbildet. Die letzte benötigte natürliche Zahl gibt dann zugleich auch die Anzahl der Elemente der – nunmehr – abgezählten Menge wieder. Das setzt natürlich voraus, daß die Menge der natürlichen Zahlen ihrerseits eine – immer schon – abgezählte Menge ist. Das ist sie – natürlich – auch. Begriff und Vorstellung des Abzählens gehen – einzig und allein auf diese Zahlen zurück. Ansonsten wäre natürlich zu sagen, daß man eine Menge nicht mit Hilfe einer anderen Menge abzählen können wollte, die selbst nicht schon auch abzählbar bzw. immer schon auch abgezählt ist.

Wenn der Anzahlbegriff auch nur annähernd dem gerecht werden soll, was man damit intuitiv verbindet, dann kann Anzahl nicht einfach aus einer Menge – und sei es eine ganze Äquivalenzklasse von Mengen – bestehen. Anzahl muß sich dann vielmehr durch eine – natürliche – Zahl wiedergeben lassen, und Zahl ist schließlich nicht dasselbe wie Menge. Mit dem Anzahlbegriff soll von Menge gerade dadurch abstrahiert werden, daß man die Elemente einer Menge zu einer Zahl „zusammenfaßt“. Dieser Aufgabe läßt sich aber eben nicht dadurch nachkommen, daß man eine der abzuzählenden Mengen gleichmächtige Menge „einheitlicher“ Elemente konstruiert. Damit wäre die Aufgabe möglicherweise etwas vereinfacht, nicht aber auch schon gelöst. Wir wären dann immer noch bei einer Menge, um deren Anzahl wir nicht wissen, weil man um diese Anzahl per bloßer – alternativer – Mengenbildung auch nicht wissen kann, wenn dabei nicht zugleich auch abgezählt würde, und abgezählt werden kann definitions- gemäß nur vermittels der Menge der natürlichen Zahlen. Die alternativen Modelle der Menge der natürlichen Zahlen, so wir sie in der Literatur allenthalben vorfinden, versagen gerade darin. Man mag in der Mathematik vieles mengentheoretisch begründen können. Wenn es um mitteilbare, und d. h. zahlenwertige Bestimmung bzw. Bezeichnung, mithin also auch Bezifferung konkreter Zahl bzw. Anzahl geht, dann greifen diese Modelle aber notwendig zu kurz. Dann tut es einfach und ausschließlich nur das klassische Modell. Abgezählt Diese Natürlichen Zahlen tun das aber auch nur in ihrer klassischen Darstellung. Die alternativen Modelle sind diesbezüglich einfach nichtssagend. Auf die weiteren Unzulänglichkeiten dieser Modelle, in selbst in diesem eingeschränkten Sinne diese Modelle nicht Modelle der natürlichen Zahlen sein lassen, wird im Detail noch einzugehen sein.

 



[72] Gemeint ist damit, daß folgendes Diagramm kommutativ ist g bezeichne dabei eine – bijektive – Abbildung von der Menge A auf die Menge B. Die beiden Zeichen ,+` und  ,Å ` stehen dabei für „analoge“ Verknüpfungen auf der Menge A bzw. B

und d.h., daß g (n) Å  g (m) = g (n+m).