Expose

 

3. Die Operation

 

   I. – Alles, was vor der Unendlichkeit eines Bruches ist, und d. h. alles, was noch in unserer Reichweite ist, läßt den Raum für eine mögliche Periodizität unangetastet. Da ist diesbezüglich noch immer alles offen, unabhängig davon, wie weit diese – endliche – Entwicklung auch schon fortgeschritten ist. Im Unendlichen müssen wir die Verfahrenshoheit dann auch an ein dafür geeignetes Verfahren abtreten. Und was nicht-periodisch unendliche Bruchentwicklungen anbelangt, so handelt es sich – im Ergebnis – um ein überaus differenziertes Verfahren. Die Nicht-Periodizität will dann immer auch – erst – sichergestellt sein. Und sichergestellt ist sie dann, wenn nicht irgendeine endliche Zeichenfolge ständig immer wieder nur zur Wiedervorlage gelangt. Das ist eine Bedingung, die an sich recht einfach einzuhalten sein sollte. Nicht vergessen werden darf dabei aber auch, daß so eine Entwicklung einem Verfahren mit einem – dann auch notwendig – festen Regelwerk überlassen bleiben muß. Wir können da – nicht mehr – steuernd bzw. korrigierend eingreifen. Im übrigen würden solche punktuellen Eingriffe zur Vermeidung bzw. Aufhebung von Periodizität auch nichts nützen.

   Die Periodizität eines Bruches wäre dann nur bis hin zu diesem Eingriff aufgehoben. Wenn der Bruch vorher periodisch war, dann wird  er es anschließend – was die weitere Bruchentwicklung anbelangt – auch weiter bleiben, und das genügt um den Bruch weiter auch als periodisch bezeichnen zu können. Mögliche – endliche – Nicht-Periodizitäten zuvor stören dabei nicht. Und regelmäßige Eingriffe bewirken ebenfalls nichts, wenn sie auch wirklich regelmäßig erfolgen. Verändert wird dann auch nur die Periode eines Bruches, nicht aber auch dessen Periodizität. Die Konstruktion nicht-periodischer Brüche aus periodischen Bruchentwicklungen heraus bedarf also auch eines eigenen Verfahrens, das in diese periodische Bruchentwicklung ständig auch so eingreift, daß diese gegebene Periodizität ebenso (be-)ständig gestört bzw. zerstört ist. Das ist dann schon eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, eine Aufgabe – wie gesagt – die als eine unendliche Aufgabe auch nur einem dafür geeigneten Verfahren überlassen bleiben kann, wenn es denn so einem Verfahren auch überlassen  bleiben könnte, und d. h. wenn es denn so ein Verfahren auch geben könnte. Regulär läßt sich so ein Verfahren nicht festlegen. Wie anders aber als regulär könnte so ein Verfahren auch definiert sein.  Und so ein Verfahren will dann immer erst auch konstruiert sein. Auf – diese – explizite Art und Weise wird sich auch nie ein periodischer Bruch in einen nicht-periodischen Bruch umwandeln lassen. Und dann wäre immer noch die Frage, mit welchem Bruch wir es – eigentlich – zu tun haben. Wir können natürlich auch so einen Bruch nicht komplett anschreiben. Also haben wir für so einen Bruch dann auch keine – signifikante – Bezeichnung.

 Es wäre auch völlig unmathematisch, so einen Bruch über ein Verfahren zu beschreiben bzw. zu definieren. Wir erwarten dann schon das – eindeutige – Symbol für so eine Bruchentwicklung. Bei  haben wir sie in Form und Gestalt des Wurzelzeichens. Viele irrationale Zahlen definieren sich auch über einen Logarithmus. In allen diesen Fällen ist so eine Zahl natürlich sofort auch identifiziert, auch wenn wir sie in ihrer Bruchdarstellung, und d. h. in ihrem Zahlenwert nur fragmentarisch bzw. annähernd angeben können. Alles, was sich mit Zahlen tun läßt, ist geeignet – neue – Zahlen zu definieren. Das ist mathematisch auch die einzige Möglichkeit der Erzeugung von Zahlen, wenn dazu immer auch die Bezeichnung von Zahlen gehört.  Die Generierung irgendwelcher unendlicher Bruch(stellen)folgen durch Abbildungen aus den natürlichen Zahlen heraus stellt dazu keine Alternative dar. Das müßte dann eine Abbildung von – im Dezimalsystem –  in die Menge  0,1,2,...9  – im Dezimalsystem – sein. Die Konstruktion so einer Abbildung dürfte sich technisch schwierig gestalten. Im Endlichen mag das über irgendwelche Polynomkonstruktionen noch hingehen. Im Unendlichen dürfte dieser Ansatz nicht zuletzt deswegen schon auch versagen, weil uns dann auch nicht genügend natürliche Zahlen zur Verfügung stehen, um einen solchen unendlichen Bruch Bruchstelle für Bruchstelle auch zu besetzen. So ein unendlicher Bruch umfaßt mehr Bruchstellen als es natürliche Zahlen gibt.

 

   II. – Es ist so, daß die Menge natürlicher Zahlen nach dem philosophisch-mathematischen Modell gleichmächtig der Menge der natürlichen Zahlen in klassischer Darstellung ist bzw. – besser – sein soll. Es besteht zwischen beiden Modellen eine natürliche, bijektive Korrespondenz. Jede natürliche Zahl in klassischer Darstellung steht für eine bestimmte (An-)zahl, die Anzahl der Striche nämlich, die im philosophisch-mathematischen Modell zur Darstellung der betreffenden natürlichen Zahl zu setzen sind. Jede – klassische – natürliche Zahl läßt sich sozusagen in eine solche Strich-Folge auflösen, wie sich umgekehrt jede solche Strich-Folge zu einer klassischen natürlichen Zahl "zusammenfassen" läßt. Und das genügt, um der mathematischen Definition zufolge zum Nachweis der numerischen Äquivalenz dieser beiden (Modell-)mengen. Allerdings wird diese Definition der besonderen Situation dieses Falles nicht ganz gerecht.

   Die besondere Situation ist die, daß wir im einen Fall – im philosophisch-mathematischen Fall – im Unendlichen aus der Menge der natürlichen Zahlen herausfallen. Im Unendlichen funktioniert das mit dieser 1-1-Beziehung nicht mehr. Wir können im klassischen Modell nach unendlich gehen und werden dabei nie aus der Menge der natürlichen Zahlen, und d. h. aus der Menge endlicher Zeichenfolgen herausfallen. Im philosophisch-mathematischen Fall passiert genau das aber sehr wohl. Im Unendlichen artet dieses Modell in eine unendliche Zeichenfolge aus. Im klassischen Fall bleibt es dagegen auch im Unendlichen bei endlichen Zeichenfolgen. Dafür bürgt die Besonderheit des Verfahrens klassischer Darstellung. Das läßt sich dann so verstehen, daß die – klassischen – natürlichen Zahlen nicht zureichen, um die Bruchstellen eines unendlichen Bruches sukzessive Bruchstelle für Bruchstelle zu besetzen. Es reicht dazu nicht aus, daß jede Position so eines Bruches erreicht wird. Abgedeckt werden muß – schließlich – auch der Bruch als Ganzes, und da stellt sich die Situation dann nun einmal so dar, daß der Bruch als Ganzes außerhalb der Reichweite dieses Verfahrens bleibt.

   Davon unberührt bleibt natürlich die Tatsache, daß ein unendlicher Bruch sich natürlich auch aus der fortgesetzten Ergänzung um jeweils eine weitere Bruchstelle formt. In der Summe resultieren daraus im Unendlichen schon auch unendlich viele Bruchstellen. Der Punkt ist nur der, daß wir bei zusammenfassender Darstellung dann auch eine unendliche Bruchstellenfolge bekommen, und eine solche Folge läßt sich mit keiner natürlichen Zahl mehr in Verbindung bringen. Das ist eine etwas widersprüchliche Situation. In zerlegtem Zustand haben wir es einfach mit einer unendlichen Menge – von Einzelzeichen – zu tun, die problemlos auch von den natürlichen Zahlen abgedeckt sein sollte. Es gibt dann jedenfalls kein Problem mit einer 1-1-Korrespondenz. Wir haben es in beiden Fällen mit unendlichen, und d. h. nach oben offenen Mengen – in geordneter Reihenfolge – zu tun, sodaß man entsprechend der Reihenfolge der Elemente beider Mengen einander korrespondierende Elemente einfach zugeordnet sein läßt. Das auf der einen Seite immer nur das gleiche Element – will heißen Zeichen – zu stehen kommt, stört dabei nicht, wissen wir doch, daß alle diese Zeichen aus einer unendlichen Zeichenfolge in eben der Reihenfolge der darin gesetzten Zeichen hervorgehen. Auf der anderen Seite begegnen wir den natürlichen Zahlen in ihrer klassischen Darstellung eines Mehr-Zeichen-Systems.

   Wenn man also parallel zur klassischen Darstellung natürlicher Zahlen – getrennt für sich – jeweils einen Strich setzt bzw. – besser – sich gesetzt denkt, dann bekommt man natürlich eine unendliche Menge. Das sagt uns jedenfalls so die mathematische Definition von Unendlichkeit. Denken wir uns alle diese Striche dann zu einer einzigen Zeichenfolge zusammengefaßt, dann muß es dabei – im Ergebnis – auch zu einer unendlichen Zeichenfolge kommen. Dem steht auf der anderen Seite dann – wie gesagt – allerdings keine natürlichen Zahl mehr gegenüber. Den natürlichen Zahlen ist ein Abschluß in Form und Gestalt unendlicher Zeichenfolgen – natürlich – fremd. Im Unendlichen läßt sich die geforderte Äquivalenz auch dann nicht mehr herstellen, wenn wir uns die einzelnen Zeichenfolgen jeweils um ein weiteres Exemplar dieses einen Zeichens zusätzlich ergänzt denken. Und d. h., daß die Mengen auf beiden Seiten eben nicht mehr numerisch äquivalent sind. Davon unberührt bleibt allerdings eine 1-1-Korrespondenz im Bereich endlicher Folgen. Der Punkt dabei ist nur der, daß wir an alle diese endlichen Folgen auf der einen Seite nur im Vollzug des entsprechenden Grenz(-übergangs)verfahrens herankommen. Das eine läßt sich vom anderen nicht trennen. Deswegen kann man auch nicht sagen, man ließe das Verfahren nur bis einschließlich aller endlichen Zeichenfolgen laufen. Das kann man nicht tun.

   Es gibt die Stelle, die Endliches von Unendlichem trennen würde, dabei einfach nicht. In klassischer regulärer Darstellung haben wir dieses Problem nicht. Dort artet das System der Darstellung natürlicher Zahlen auch im Unendlichen nicht in unendliche Zeichenfolgen aus, obwohl auch hier natürlich ein Grenzübergang erforderlich ist, um an die Gesamtheit der natürlichen Zahlen heranzukommen. Das könnte man so verstehen als ob das – reguläre – System natürlicher Zahlen gegenüber dem mathematisch-philosophischen Modell tiefer ins Unendliche hineinreicht. Auf der anderen Seite ist nicht zuletzt deswegen auch fraglich, inwieweit die Menge der im mathematischen-philosophischen Modell produzierten endlichen Zeichenfolgen tatsächlich auch eine unendliche Menge ist. Es genügt dazu nicht, sich das mit den Ergänzungen Zeichen für Zeichen endlos fortgesetzt zu denken. Während dieses (Fortsetzungs-)verfahrens bewegen wir uns – nur – im Endlichen. Auf diese Weise kommen wir an Unendliches – auch nicht an Unendlich-Endliches – nicht heran. Wir brauchen dazu auch den Abschluß, und das heißt wir brauchen dazu den Grenzübergang. Und dann passiert im mathematisch-philosophischen Modell eben etwas, was nicht passieren sollte bzw. dürfte, wenn Sinn und Zweck der Übung nur die Erfassung aller endlichen Zeichenfolgen des mathematisch-philosophischen Modells sein soll, von dem jedenfalls eine nicht-endliche Menge beschrieben ist.

  

   III. – Offenbar muß aber auch zwischen nicht-endlich und unendlich-endlich unterschieden werden. So oder so ist die Operation  im philosophisch-mathematischen Modell eine unzulässige Operation, einfach weil diese Operation nicht auch in der Menge der natürlichen Zahlen verbleibt. Natürlich darf es dann nicht sein, daß man im Vollzug dieser Operation aus dieser Menge herausfällt. Das sagt uns allein schon der Sprachgebrauch. Es kommt dabei nicht darauf an, was – dann – grenzwertweise auch herauskommt; vorausgesetzt wird dabei allerdings, daß man mit n auch nach unendlich gehen kann, und d. h., daß sich dieser Grenzübergang auch innerhalb der Menge der natürlichen Zahlen – abgesehen wie gesagt vom Grenzwert bzw. der Grenzwertmenge – verbleibt. Der Grenzübergang muß sich als solcher noch innerhalb der Menge der natürlichen Zahlen abspielen. Wir können mit den natürlichen Zahlen nur tun, wozu die natürlichen Zahlen auch befähigt sind. Und eine Formulierung wie  setzt dann einfach auch voraus, daß sich dieses ganze Geschehen – wie gesagt abgesehen vom Grenzwert allenfalls – auch noch ganz innerhalb der Menge der natürlichen Zahlen abspielt.  Es darf dann einfach nicht andere Mengen zurückgegriffen werden. Und was die Grenzwertfrage anbelangt, so ist diese in der – regulären – Analysis dahingehend geklärt, daß man sagt, die natürlichen Zahlen würden bestimmt gegen  divergieren. Die Folge der natürlichen Zahlen ist als keine konvergente Folge. Es gibt in der Menge der reellen Zahlen keinen Grenzwert für diese Folge.

   Die natürlichen Zahlen wachsen im Verständnis der Analysis über alle Grenzen hinaus. Immerhin tun sie das konsequent – und in strenger Monotonie sogar – und von daher ist das immerhin auch etwas. Dieser "Grenzwert" der natürlichen Zahlen liegt jedenfalls auch außerhalb dieser Zahlen. Unendlich ist keine natürliche Zahl; es ist dies einfach nur ein Symbol für die Unbeschränktheit dieser Zahlenfolge. Es ist damit nicht primär darauf abgestellt, daß die Menge der natürlichen Zahlen eine unendliche Menge ist. Das Symbol  hat im Axiomensystem der reellen Zahlen seinen Platz bei den Anordnungsaxiomen. In der Mathematik wird von diesem Symbol ein recht unreflektierter Gebrauch gemacht. Dessen Einführung erfolgt im allgemeinen eher auch beiläufig. Was uns dieses Symbol in Verbindung mit den natürlichen Zahlen und der Operation  sagt ist dies, daß sich dieses ganze diesbezügliche Geschehen dann auch insgesamt innerhalb der Menge der natürlichen Zahlen abspielt. Dabei wird einfach nur eine bestimmte Eigenschaft dieser Zahlen demonstriert. Es gibt diese Konvention, wonach das Limes-Zeichen nur dort Verwendung finden darf, wo es auch einen Limes gibt. Demzufolge dürfte, was die natürlichen Zahlen anbelangt, dieses Zeichen auch nicht verwendet werden. Nur im Sonderfall der bestimmten Divergenz gegen  wird eine Ausnahme gemacht. Es sind die natürlichen Zahlen nicht die einzige Folge, die gegen  bestimmt divergieren.

   Bei jeder anderen Folge bildet der Prozeß  allerdings nur eine – sozusagen – Teilfolge. Diesen Prozeß haben wir bei jeder Grenzwertbildung. Mit n muß dabei immer nach unendlich gegangen werden. Und es interessiert dabei auch nicht, wie sich das mit n im Unendlichen gestaltet. Das wird dann auch nicht im engeren und eigentlichen Sinne als Grenzwert- bzw. Grenzübergangsverfahren angesehen. Daß die Folge der natürlichen Zahlen eine nicht-konvergente Folge ist, das ist im übrigen auch Voraussetzung für die Grenzwertdefinition. Andernfalls ließen sich Grenzwerte von Folgen dadurch berechnen, daß man in die Folgenvorschrift einfach den Grenzwert der natürlichen Zahlen einsetzt. Das wäre dann die einfache Lösung solcher Aufgaben. Der Begriff des Grenzwertes wäre dann ein überflüssiger  bzw. ein irreführender Begriff. Statt dessen sollte man dann lieber Endwert sagen. So aber macht die Grenzwertdefinition natürlich Sinn. Man kann sich einfach fragen, ob es einen Wert gibt, dem eine Folge immer näher kommt. Dazu muß das mit den natürlichen Zahlen aber eine nach oben offene Angelegenheit sein. Die dürfen sich dann gewissermaßen als Folge für sich nicht einbringen. Die natürlichen Zahlen treten dann auch einfach nur als fortlaufende Indexmenge in Erscheinung.

   Daß sich dabei auch genzübergangsweise etwas abspielt, das wird dabei einfach nicht wahrgenommen. Die natürlichen Zahlen verhalten sich in unserer Wahrnehmung gleichsam neutral. Sie sind auch für jede (Folgen-)entwicklung gut. Wäre die Menge aller reellen Folgen eine Gruppe, dann würde darin die Folge der natürlichen Zahlen das neutrale Element bilden. Die natürlichen Zahlen sind als Folge eine ziemlich uninteressante Erscheinung. Es gibt an dieser Folge nichts zu untersuchen. Sie fällt durch das Raster aller folgentechnischen Analysen. Sie wird im allgemeinen auch nicht als Folge angesehen. In den Beispiellisten von Analysis-Lehrbüchern taucht sie für gewöhnlich nicht auf. Formal genügt diese Menge mit der identischen Abbildung als Folgenvorschrift auch der Definition von Folge. Von daher ist es nicht konsequent, wenn die natürlichen Zahlen nicht auch als Folge behandelt werden, wird doch ansonsten auch immer mit möglichst elementaren Beispielen gearbeitet. Da kann dann nichts einfach genug sein. Als einfachstes Folgenbeispiel wird für gewöhnlich die konstante Folge gebracht, und d. h. eine Folge, deren Folgenglieder sich allesamt nicht voneinander unterscheiden, wenn man einmal von dem Folgenindex absieht, durch den sich Folgenglieder – formal – immer unterscheiden.

 

   IV. – In der – materiellen – Realität tun sie das natürlich nicht, einfach weil – reale – Folgenglieder nicht mit einem Index verziert sind. Folgen finden ihren Ausdruck in der Folgenvorschrift, in die als allgemeiner (Abbildungs-)index die allgemeine natürliche Zahl n eingeht. In den einzelnen – konkreten – Folgengliedern wird diese Vorschrift dann auch aufgelöst bzw. ausgerechnet, so daß sich dem einzelnen Folgenglied im allgemeinen auch nicht mehr entnehmen läßt, an welcher Stelle es in der – ganzen – Folge steht. Das läßt sich einem Folgenglied im allgemeinen selbst dann nicht entnehmen, wenn wir die – in Teilen – rekonstruierte Folge zu sehen bekommen. Selbst dann müßte noch nach- bzw. abgezählt werden. Ansonsten könnte man nur probieren, welche natürliche Zahl in die Folgenvorschrift eingesetzt zu diesem einen bestimmten Folgenwert führt. Divergente Folgen sind für die Mathematik ziemlich uninteressante Folgen. Und das gilt auch für die natürlichen Zahlen, wenn man diese denn auch als Folge versteht. Das mit der unbestimmten Divergenz gegen  dieser Zahlen gilt so allerdings auch nur für das klassische Modell.

    Im philosophisch-mathematischen Modell konvergieren diese Zahlen sehr wohl. Man muß dazu allerdings auf deren materielle Darstellung sehen, was bei unendlichen Menge aber ohnehin unverzichtbar ist. Wir können bei solchen Mengen von so einer Darstellung bzw. – präziser – von einem Verfahren, das für so eine Darstellung sorgt, nicht absehen. Und dann kann man natürlich auch darauf sehen, wie sich das mit dieser Darstellung im Unendlichen verhält. Im mathematischen Formalismus wird gleichwohl von solchen Darstellungsfragen bzw. –aspekten abstrahiert. Dort haben die natürlichen Zahlen kein spezifisches Aussehen. Soweit diese Zahlen in ihrer – materiellen – Begründung für die Analysis überhaupt ein Thema sind, so werden diese Zahlen als endliche Summen von Einsen entsprechend der von einer jeden natürlichen Zahl auch ausgedrückten Anzahl verstanden. Das ist das einzige, was sich im Rahmen des mathematischen Formalismus materiell noch ausdrücken läßt. Die Null und die Eins sind die einzigen Zahlen, die im Axiomensystem der reellen Zahlen auch namhaft gemacht bzw. beziffert sind. Aufgelöst werden können diese Summen in diesem Formalismus dann aber nicht mehr.

   Wir haben in diesem System für die natürlichen Zahlen auch keine zahlenwertige Darstellung. Eine Summe ist etwas anderes als eine Zahl. In diesen Summen spiegelt sich einfach auch das mengentheoretische Modell der natürlichen Zahlen wider, so wie es in Begründungsfragen dieser Zahlen von  Mathematik und Philosophie allenthalben gepflegt wird. Man landet sofort auch bei diesem Modell, wenn man die +Zeichen in der besagten Summendarstellung alle wegläßt. Dann hat man diese Strichchenfolgen als ausgewählte Repräsentanten der Äquivalenzklassen, die in diesem Modell die natürlichen Zahlen darstellen. Und wenn man – unabhängig davon, ob man die Summenzeichen nun stehen läßt oder nicht – in diesem System ausgewählter Repräsentanten nach unendlich geht, dann wird man auch zu Summen mit unendlich vielen Einsen bzw. Zeichenfolgen mit unendlich vielen Strichen "geführt". Und das ist genau die Situation, so wie sie vorhin schon Gegenstand unserer Kritik war. Im mathematischen Formalismus fungieren die natürlichen Zahlen zum Teil auch nur als Chiffre für das Phänomen unbegrenzter Erweiterung bzw. Fortsetzung. In der "Folgenanalysis" gehen diese Zahlen – wie gesagt – auch unter. Sie sind dort kein Objekt sui generis. Man verständigt sich dort auf den kleinsten gemeinsamen Nenner dessen, was man über diese Zahlen sagen kann bzw. sagen muß, und dieser Nenner besteht eben darin, daß das mit den natürlichen Zahlen kein Ende hat. Bezogen auf die Anordnungsaxiome, denen auch die natürlichen Zahlen unterliegen, liest sich das dann – wie gesagt – so, daß die  natürlichen Zahlen über alle Grenzen hinauswachsen.

 

   V. –  Jedes Grenzwertgeschehen wird damit konsequent ausgeblendet. Auf Zahlenwerte bezogen verbleibt dann als möglicher Grenzwert nur noch das Symbol  in dem Sinne, den man mit diesem Symbol – wie beschrieben – verbindet. Das ist etwas, was von Darstellungsfragen unabhängig ist. Alles, was man zu diesem Zwecke von den natürlichen Zahlen wissen muß ist dies, daß es sich dabei um eine in Reihenfolge geordnete unendliche Menge handelt. Von zwei natürlichen Zahlen ist dann immer eine kleiner als die andere bzw. – präziser – kommt eine vor der anderen. Natürlich ist dann auch die eine größer als die andere. Allerdings ist das auch schon wieder eine Interpretation der linearen Verhältnisse in einer Reihenfolge. Größer sind nachfolgende natürliche Zahlen in natürlicher Weise deswegen, weil sie aus vorhergehenden Zahlen durch Hinzufügung anderer Zahlen hervorgehen. Die Anordnungsaxiome selbst verzichten auf eine solche Interpretation. Dort werden einfach nur Regeln im Umgang mit einem gewissen Symbol formuliert und postuliert.

   Wie wir so etwas lesen und verstehen, interessiert dabei nicht. Natürlich denkt man im Umgang mit dem Symbol  sofort auch an die lineare Anordnung der reellen Zahlen, und auch daran, daß größere Zahlen gegenüber dazu kleineren rechts davon zu liegen kommen. Es ist immer gut, sich irgendwelche formalen Beschreibungen bzw. Ableitungen anschaulich auch in – einem – Bild vorstellen zu können. Das fördert das mathematische Denken überaus. Vor allem bei sehr komplexen formal-abstrakten Dingen ist eine – imaginäre – Veranschaulichung im Bild fast unverzichtbar. Es gibt auch keinen mathematischen Sachverhalt, der – im Ansatz zumindest – nicht auch einer geometrischen Veranschaulichung zugänglich wäre. Wir stoßen dabei – wenn wir etwa an die komplexe Analysis denken – an Grenzen unseres Vorstellungsvermögens. So kann man sich unter Differentialformen etwa nur noch bedingt etwas vorstellen. Sehr viel einfacher – weil vollkommen elementar – gestaltet sich dagegen die geometrische Veranschaulichung von – reellen – Zahlen. Die haben alle auf einer Geraden – der Zahlengeraden – Platz.

   Diese Veranschaulichung ist zwar auch hier nicht Teil der Theorie; sie fügt sich aber vollkommen in diese Theorie ein bzw. umgekehrt. Sie tut das deswegen, weil uns die Auflösung räumlicher Ausdehnung in Punkte nicht fremd ist. Genauso wie wir uns den Abstand zwischen zwei Zahlen vollständig auch durch – alle – dazwischen liegenden Zahlen ausgefüllt denken können, läßt sich dann auch der Raum zwischen zwei solchen Punkten entsprechend überbrücken. Das ganze hat mit einer Eigenschaft der reellen Zahlen bzw. einer ihrer Teilmengen, den rationalen Zahlen nämlich, zu tun, der Eigenschaft letzterer, dicht in  zu liegen. Wenn man auf die Darstellung natürlicher Zahlen sieht – und das sollte man immer auch – dann gestaltet sich das mit der Operation  durchaus etwas konkreter und detaillierter. Man kann dann schon ganz genau sagen, wie das im Unendlichen aussieht. Im  mathematisch-philosophischen Modell kommt an deren "Ende" eine unendliche Zeichenfolge zu liegen. Diese Zeichenfolge ist nicht einfach Grenzwert der Folge natürliche Zahlen, diese Folge wird dann schon auch angenommen.

   Wenn man sich ein Verfahren, das darin besteht, zu einer Zeichenfolge immer wieder dasselbe Zeichen hinzuzufügen, zu Ende geführt denkt, dann führt das auch zu einer unendlichen Zeichenfolge. Diese Folge wird dann auch erreicht, und d. h. die Zeichen werden alle – effektiv-imaginär – auch gesetzt. Das hat nichts mit Grenzwert im – engeren – mathematischen Sinne zu tun. Mathematische Grenzwerte werden – per definitionem – nicht erreicht. Grenzwerte sind nicht auch Element der jeweiligen Folge. Und sie sind das aus dem Grunde nicht, weil das mit den natürlichen Zahlen kein Ende hat. Es würde uns im übrigen auch nichts nützen, wenn uns ein Ende der natürlichen Zahlen legitimerweise in Form und Gestalt einer unendlichen Zeichenfolge angeboten würde. Wir könnten damit nichts anfangen, einfach weil sich damit keine natürliche Zahl mehr verbinden läßt. Damit könnte man auch nicht einmal imaginärerweise rechnen. Damit kann man einfach nichts anfangen. Anders verhält sich das mit den Bruchkomponenten unendlicher Brüche.  Mit solchen Konstruktionen verbindet sich durchaus auch ein Zahlenwert. Allerdings bedarf es dazu im allgemeinen Fall, und d. h. im Fall nicht-periodisch unendlicher Brüche des Vollständigkeitsaxioms. Andernfalls könnte die Konvergenz solcher Folgen resp. Reihen nicht mehr nachgewiesen werden.

   Zum Nachweis der Konvergenz periodisch unendlicher Brüche reicht dagegen die geometrische Reihe. Brüche also, an deren Abgeschlossenheit sich – intuitiv – größere Zweifel regen könnten, verfügen über ein besseres bzw. elementareres Konvergenzverhalten. Im übrigen haben wir für solche Brüche auch die – reguläre – Darstellung als , . In dieser komfortablen Situation sind wir bei nicht-periodisch unendlichen Brüchen nicht. Von diesen Brüchen werden wir auch nie einen ganz zu Gesicht bekommen. Der Nachweis der Nicht-Periodizität kann deswegen auch nie anhand des Bruches selbst erfolgen; er muß vielmehr indirekt aus der sich als fehlerhaft erweisenden Annahme einer periodischen Bruchentwicklung abgeleitet werden. Die Existenz solcher Brüche darf dann auch als gesichert gelten. Wir benötigen also das Vollständigkeitsaxiom nicht etwa zur Existenzsicherung solcher Brüche. In Fragen materieller Existenz gibt es auch nichts abzuleiten. Der Nachweis kann dann nur durch die schlichte und einfache Selbstdemonstration des "lebenden" materiellen Objektes erfolgen.

   Ob es etwas gibt oder nicht, das kann sich letztlich immer nur am Gegebenen selbst erweisen. In mathematischen Dingen darf man sich dabei aber schon auch auf Ableitungen berufen. So lassen sich unendliche Brüche niemals in Gänze zur Darstellung bringen. Gleichwohl ist uns deren Existenz durch das Verfahren sichergestellt, das uns so einen Bruch zur Gänze produziert sein läßt. Es ist in diesem Verfahren festgelegt, wie die einzelnen Bruchstellen sukzessive zu besetzen sind. Darin liegt auch nichts Widersprüchliches. Und es spricht auch nichts dagegen, das ganze Verfahren sich im Unendlichen vollenden zu sehen. Einen Widerspruch könnte man diesbezüglich allenfalls darin sehen, daß wir so eine Bruchentwicklung niemals zur Gänze Bruchstelle für Bruchstelle würden (re-)produzieren können. Das kann aber in diesen Dingen nicht das Kriterium sein. Dann wäre auch die Existenz der natürlichen Zahlen in Frage gestellt. Man kann diese Frage sicherlich auch nicht induktiv angehen. Es gibt die natürlichen Zahlen in ihrer Gesamtheit nicht – schon – deswegen, weil zu jeder natürlichen Zahl auch die ihr – bzw. eine ihr – nachfolgende Zahl gefunden und im einzelnen dann schon immer auch explizit angeschrieben werden kann. Auf diese Weise würde man niemals an die Gesamtheit aller dieser Zahlen herankommen. Es bedarf dann schon eines – dieses – Grenzübergangsverfahrens, das uns auf einen Schlag bzw. in einem Schritt mit allen natürlichen Zahlen bedient. Anders funktioniert das einfach nicht.

   Wenn man an der Mathematik, so wie sie ist, festhalten will, dann darf man diese für die ganze Mathematik zentrale Operation nicht in Frage stellen. Andernfalls dürfte von Unendlichem in der Mathematik nicht mehr die Rede sein. Offenbar ist das aber ein völlig unstrittiger Begriff. Dieser Begriff wird auch in der philosophischen Logik nicht in Frage gestellt. Vielleicht wäre es aber auch ganz gut, er würde es. Dieser Begriff verdient es durchaus, daß man sich mit ihm näher beschäftigt. In der philosophischen Logik wird von diesem Begriff ein völlig unreflektierter Gebrauch gemacht. Unbegrenzt Endliches gilt dann schon einmal auch als Unendliches. Die Möglichkeit ständiger Fortsetzung bürgt dann allein schon für Unendlichkeit.