Expose

 

                                                                          

10. Die "Konstruktion" und Produktion der reellen Zahlen

 

   I. – Das Problem in der Entwicklung von Modellen der reellen Zahlen besteht darin, daß man materiell einfach Farbe bekennen muß. Diese Zahlenmenge muß  dann in allen ihren Elementen namhaft gemacht werden. Merkwürdigerweise bezieht sich auch hier die Mathematik nicht einfach auf die Darstellung, die die reellen Zahlen schon immer gefunden haben, als b-al-Brüche nämlich. Mit Hilfe des Vollständigkeitsaxioms läßt sich beweisen, daß diese Brüche alle auch konvergieren. Daß ist etwas, worüber man sich in der Schulmathematik wenig Gedanken macht. In der alltäglichen Praxis stellt sich dieses Problem sowieso nicht, einfach weil wir dort nur mit endlichen Zahlenbildern auch dort zu tun haben, wo wir eigentlich mit unendlichen Zeichenfolgen zu rechnen hätten. Wir haben uns dann – notwendig – mit Näherungswerten zu begnügen. Das gilt im übrigen aber auch für jede Form von technischer Berechnung, bei der schon auf Genauigkeit gesehen wird. Immerhin können wir das mit der Genauigkeit beliebig weit vorantreiben, und wir können zudem auch sagen, wie genau bzw. ungenau solche Berechnungen sind.

   Wir werden sie – praktisch – nie ganz genau gestalten können. Mit irrationalen Zahlen kann nur auf einer formal-operativen Ebene, und d. h kann nur in einer operativen Darstellung gerechnet werden. Wir bleiben im Umgang mit diesen Zahlen  notwendig – nur – formal. Wir können formale Darstellungen nicht auch auflösen, und d. h. ausrechnen. Da müssen wir uns dann schon mit Näherungswerten begnügen. Die irrationalen Zahlen verfügen auch über keine besondere algebraische Struktur. Sie sind weder Gruppe, noch Ring, noch Körper. Das folgt notwendig schon daraus, daß die Zahl 1 als einzig mögliches Einselement aller dieser Kategorien keine irrationale Zahl ist. Die irrationalen Zahlen sind eine – reine – Komplementärmenge. Das haben wir so bei allen Zahlbereichserweiterungen zuvor nicht. Das Komplement der natürlichen Zahlen innerhalb der ganzen Zahlen bzw. das Komplement der ganzen Zahlen in Bezug auf die rationalen Zahlen spielen in diesem Verfahren zur konstruktiven Heranführung an die reellen Zahlen als eigenständige Größe keine besondere Rolle. Praktisch tun sie das durchaus. Wir wissen natürlich genau, negative ganze Zahlen von den positiven, und d. h. natürlichen Zahlen, sowie auch Brüche  von ganzen Zahlen zu unterscheiden.

   Praktisch sind das in beiden Fällen diejenigen Mengen bzw. Zahlen, die zu der Ausgangsmenge noch hinzukommen. Man macht sich dann auch keine großen Gedanken darüber, wie die Ausgangsmenge in  die Erweiterungsmenge integriert ist. Das läßt sich natürlich dann nicht vermeiden, wenn man die Ausgangsmenge als Teilmenge der Erweiterungsmenge sieht, und das muß man auch so sehen. Praktisch dagegen führen die einzelnen Zahlbereiche eine eigenständige Existenz. Natürlich wird dann die ganze Zahl p nicht mit der rationalen  identifiziert. Das funktioniert alles auch so ganz gut. Man kommt sich da keineswegs ins Gehege. Die ganzen Zahlen haben praktisch mit den rationalen Zahlen nichts zu tun. Es kann deswegen hier auch zu keinen Überschneidungen kommen. Dafür fängt man bei der Einführung neuer Zahlbereiche immer auch ganz von vorne an. Es muß dann alles wieder aufs neue erklärt werden. So gesehen ist das mit den irrationalen Zahlen in ihrer Beziehung zu den rationalen Zahlen nichts Besonderes. Was in diesem Fall aber auch theoretisch nicht mehr möglich wäre, das wäre eine Einbettung der rationalen Zahlen in die irrationalen Zahlen.

   Eine Teilmengenrelation kann hier nicht mehr aufgebaut werden. Die natürlichen Zahlen finden sich mit den negativen Zahlen noch unter dem – formalen – Dach der ganzen Zahlen vereint. Die Funktion der ganzen Zahlen übernimmt in Bezug auf die rationalen Zahlen dann die Menge der reellen Zahlen. Das ist insoweit einfach auch nur ein Sammelbegriff. Die irrationalen Zahlen unterscheiden sich auf eine Weise von den rationalen Zahlen, die nicht auch durch irgendwelche formalen Konstruktionen überbrückt werden kann, so wie wir das noch bei den ganzen Zahlen haben, die alle auch als Bruch mit dem Nenner 1 geschrieben werden können. Beim Übergang von den natürlichen zu den negativen ganzen Zahlen wird einfach nur das Vorzeichen gewechselt. Beim Übergang von den rationalen zu den irrationalen Zahlen werden die Bruchkomponenten ergänzt bzw. ausgetauscht. Das ist dann schon eine andere Qualität von Erweiterung. Es geht hier um nicht-periodisch unendliche Bruchentwicklungen, und das ist schon etwas ganz Besonderes. Die Existenz solcher Entwicklungen kann im Einzelfall auch als gesichert gelten. Es gibt die Quadratwurzel zu 2, einfach weil wir wissen, daß diese Wurzel nicht rational ist, und weil wir um das Verfahren wissen, das uns diese Entwicklung Bruchstelle für Bruchstelle vermittelt.

   Das ist Existenzbeweis genug. Und das ist auch Darstellung genug. Es ist dies offenbar auch die einzig mögliche zahlenwertige Darstellung, die es gibt, auch wenn wir davon immer nur ein endliches Stück werden reproduzieren können. Formal kann man so eine Bruchentwicklung auch als Grenzwert einer rationalen Cauchy-Folge definieren. Cauchy-Folgen sind als Folgen definiert, deren Folgenglieder zunehmend nahe aneinander rücken. Cauchy-Folgen sind nicht notwendig auch konvergente Folgen. Daß unendliche Bruchentwicklungen Cauchy-Folgen sind, läßt sich einfach mit Hilfe der geometrischen Reihe beweisen. Und in  konvergieren bekanntlich Cauchy-Folgen. Nach dem Vollständigkeitsaxiom sollen sie das jedenfalls tun. Bei der Konstruktion irgendwelcher Modelle dieser Zahlen kann man natürlich nicht mit Axiomen arbeiten. Dann zählt einfach die materielle Darstellung. Wir müssen einfach sagen (können), wie diese Zahlen aussehen. Merkwürdigerweise wie gesagt auch bedient man sich in dieser Frage nicht einfach der Darstellung, in der alle reelle Zahlen – wenn zum Teil auch nur näherungsweise – schon immer auch ihre Darstellung gefunden haben.

   Offenbar hält man das nicht auch für mathematisch genug. Der Punkt dabei ist einfach einmal mehr offenbar der, daß sich dieses System einer mathematischen Formalisierung, so wie mathematische Formalisierung -en aussehen, entzieht. Die Frage nach einen Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis für die reellen Zahlen wäre dann einfach mit dem Hinweis auf die Gesamtheit aller b-al-Brüche beantwortet. Und gelegentlich findet man in Analysis-Lehrbüchern diesen Satz – in seinen beiden Richtungen – auch bewiesen. Als Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis wird dieser Satz im allgemeinen gleichwohl aber nicht verstanden. Immerhin kann man es sich auch angelegen sein lassen, diese gewohnte Darstellung der reellen Zahlen zu beweisen. Das ist dann ein etwas anderes Vorgehen als wir es bei den natürlichen Zahlen haben. Dort entfällt dieser Schritt. Die "gewohnte" Darstellung der natürlichen Zahlen wird nicht auch gesondert bewiesen. Man könnte das aber durchaus auch problemlos tun. Wir bräuchten dazu nur den natürlichen Zahlen aus dem mathematisch-philosophischen Modell gemäß der Anzahl gesetzter Zeichen die entsprechende natürliche Zahl zuzuordnen.

  

   II. – In der Literatur wird das immer auch als abkürzende Schreibweise bezeichnet. Das ist es allerdings nicht – nur. Gegen eine solche Interpretation sprechen nicht zuletzt gewichtige sprachphilosophische Überlegungen. Und im übrigen auch funktionieren in einem Ein-Zeichen-System nicht die Algorithmen für die Grundrechnungsarten. Und vollends versagt so ein System in der Darstellung von Bruchkomponenten. Man kann das mit der Gewichtung in einer Bruchkomponente nicht mehr über die Anzahl gesetzter Zeichen kompensieren. Es geht in dieser Bruchkomponente um die Darstellung von Bruchteilen von Zeichen sozusagen. Eine solche Information läßt sich nicht über das – wiederholte – Setzen eines Zeichens vermitteln. Das tut im übrigen auch nicht die klassische Bruchdarstellung mit Hilfe verschiedener Zeichen. Diese Information müßte dann auch ohne zusätzliche Information über das Verfahren bzw. die Lesart desselben erfolgen können. Man müßte der Reihenfolge, in der die Zeichen gesetzt sind, eine solche Information entnehmen können. Im Stellenwertsystem der natürlichen Zahlen ist das so.

    Es liegt hier – wie gesagt – zwar schon auch eine Interpretation vor, allerdings eine Interpretation, die sich – unmittelbar – aus diesem Verfahren ableitet. Man ist nicht gezwungen, diese Folgen so zu lesen; es ist aber auch nicht verboten. Alles, was wir dazu wissen müssen, läßt sich dem Verfahren als solchem entnehmen, ohne daß es dazu noch weitergehender Erläuterungen bedürfte. Die Information, die wir zum – richtigen – Lesen von Bruchkomponenten benötigen, läßt sich mit den Mitteln dieses Verfahrens nicht vermitteln. Daß von der ersten Bruchstelle – im Dezimalsystem – Zehntelanteile vermerkt werden, daß muß man auch – erst – dazusagen. Ein Zehntel ist in der Sprache dieses Systems im übrigen auch ein nichtssagender Ausdruck. Im System schreibt sich das 0,1. Das aber wäre dann wieder – nur – eine Tautologie. Die 1 in der ersten Bruchstelle steht eben für die 1 an dieser Bruchstelle. Das führt nicht weiter. Bruchdarstellung spricht also nicht für sich selbst. Dem mathematischen Formalismus zugänglich ist diese Darstellung auch in der Lesart als eines – umgekehrten, wenn man so will – Stellenwertsystems. Und dann stellt sich natürlich die Frage der Konvergenz solcher Brüche.

   Die Frage ist – wie gesagt – nur, ob die natürlichen Zahlen für eine förmliche Reihendarstellung auch ausreichen. Tun sie das nicht – und sie tun es nicht – dann greift der ganze Grenzwertformalismus nicht. So oder so kommt als Grenzwert einer solchen Entwicklung nur diese Entwicklung selbst in Frage. Wenn so eine Entwicklung konvergiert, dann konvergiert sie – notwendig – gegen ihre eigene Darstellung. Die Frage der Konvergenz solcher Entwicklungen wird sich dann – wenn überhaupt – nur für alle möglichen solchen Entwicklungen zugleich beantworten lassen.  So etwas läßt sich nicht anhand der Bruchstellenfolge klären, einfach weil wir über diese Bruchstellenfolge nicht verfügen. Wir haben keine Abbildungsvorschrift, mit der wir dann in entsprechende (Grenzwert-)abschätzungen eintreten könnten. Die Bruchstellenbesetzung ist bei nicht-periodisch unendlichen Brüchen auch völlig irregulär. So etwas läßt sich in keine – reguläre – Abbildungsvorschrift fassen. Man kann zeigen, daß solche Brüche Cauchy-Folgen sind, wenn denn so eine Bruchkomponente mit – den – natürlichen Zahlen auch vollständig erfaßt werden könnte.

   Der Beweis funktioniert einfach nicht mehr, wenn sich die natürlichen Zahlen schon vorher erschöpfen. Es funktioniert einfach nicht mehr das mit der Gewichtung. Es läßt sich dann nicht mehr sagen, von welchem Gewicht die überschüssigen Bruchstellen sind. Es würde uns dabei auch nichts nützen, mit irrationalen Exponenten in den Gewichten zu arbeiten. Man kann die überschüssigen Bruchstellen nicht von den irrationalen Zahlen selbst erfaßt haben wollen. Da fehlt es einfach an der differenzierten Reihenordnung. Diese Zahlen eignen sich nicht  für Abzählzwecke. Sie können deswegen auch nicht im Exponentensystem Verwendung finden, auch wenn irrationale Exponenten grundsätzlich zugelassene Exponenten sind. Die Potenzrechengesetze unterliegen keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Zahlenmaterials. Außerhalb des Systems der natürlichen Zahlen werden unendliche Reihen einfach unbestimmt. Natürlich rührt das nicht an der Existenz unendlicher Bruchkomponenten.

   Die gibt es, unabhängig davon, ob sie nun auch vollständig über die natürlichen Zahlen erfaßt werden können oder nicht. Das Verfahren zu ihrer positionsweisen Bestimmung definiert sich nicht in Abhängigkeit von den natürlichen Zahlen. Und der Schritt ins Unendliche führt dann auch ins Unendliche, in die unendliche Bruchstellenfolge nämlich. Welchen Sinn macht es dann aber, von der Konvergenz solcher Folgen bzw. Reihen zu reden? Feststeht, daß es keinen Konvergenzbegriff gibt, der sich nur auf die – bloßen – Zeichen einer unendlichen Zeichenfolge beziehen könnte. Auf dieser Ebene lassen sich keine Abstände definieren, es sei denn, man bezieht sich dabei auf die Anzahl gesetzter Zeichen, aber dann würde jede solche Folge konvergieren. Konvergenzfragen können sich – und das nicht nur in Verbindung mit Brüchen, sondern ganz allgemein – nur in einem Zahlenwertsystem stellen. Man muß dann Differenzen, Beträge und dgl. bilden können.

   Das kann man auf Folgenbasis allein nicht, es sei denn, man verständigt sich auf einen Algorithmus, der uns sagt, wie so etwas geht. Und tatsächlich auch tun die Algorithmen für die Grundrechnungs- wie auch alle anderen Rechenoperationen nichts anderes. Da wird ja nicht mit Gewichten und dgl. gearbeitet. Gesehen wird dabei einzig und allein auf die Zeichenfolgen, in denen Zahlen ihre Darstellung finden. Auch mit Brüchen wird so und nicht anders gerechnet. Von daher könnte man meinen, das ganze System von Gewichtungen wäre überflüssig. Feststeht, daß in Zahldarstellung Gewichte keinen Eingang finden. Diese Gewichte drücken sich über die Position der einzelnen Zeichen aus. Und das überträgt sich so auch auf alles, was in den Algorithmen mit Zahlen geschieht. Es wird dabei immer auch genau auf die Reihenfolge gesetzter bzw. zu setzender Zeichen gesehen. Insofern spielen Gewichtungen im – praktischen – Umgang mit Zahlen keine Rolle. Und auch die einzelnen Zeichen einer Zahl(darstellung) finden sich nicht etwa abgezählt bzw. indiziert.

  

   III. – Diese Information haben wir über das Positionensystem einer jeden Reihenfolge. Jedes Zeichen nimmt die ihr von der ganzen Zeichenfolge zugewiesene Position ein. Da gibt es auch nichts abzuleiten. Das ist eine Information, die jede Reihenfolge mit sich führt. Diese Positionen müssen aber nicht auch namhaft gemacht werden, um mit solchen Zeichenfolgen auch umgehen, und d. h. rechnen zu können. Die natürlichen Zahlen kommen diesbezüglich jedenfalls nicht ins Spiel. Bei endlichen Zeichenfolgen könnte die Position eines jeden einzelnen Zeichens auch problemlos  namhaft gemacht werden. Bei unendlichen Zeichenfolgen ginge das nicht mehr. Es gibt für solche Zeichenfolgen allerdings auch keinen Algorithmus, jedenfalls keinen, der sich auch praktizieren ließe. Und die für endliche Zahldarstellungen gängigen Algorithmen ließen sich nicht einmal formal-theoretisch auf unendliche Zahldarstellungen übertragen. Das Problem dabei wäre einfach dies, daß diese Algorithmen immer von rechts beginnen, und dort befindet sich dann immer das offene, unendliche Ende. Und damit kann man nicht(s) anfangen. Man kann etwas im (ins) Unendliche(n) auslaufen lassen, wenn auch das Verfahren vorliegt, das ins Unendliche trägt; man kann dort nicht aber auch anfangen.

   Das läßt sich aber auch nicht umgehen. Angefangen wird – wenn man so will – am kleineren bzw. schwächeren Ende. Das ist einfach systembedingt so. Man müßte schon das ganze System von Zahldarstellung ändern, um daran auch etwas ändern zu können. Man könnte natürliche Zahlen – natürlich – auch von links nach rechts lesen bzw. anordnen. Bei endlichen Folgen ist das kein Problem. Unendliche Folgen nehmen dagegen irgendwo ihren Anfang und laufen dann ins Unendliche. Die beiden Enden sind hier nicht vertauschbar. Formal würden die Algorithmen schon funktionieren, wenn diese denn auch an den festen Enden ansetzen könnten. Im Unendlichen wäre alles weitere dann ein Selbstläufer. Man kann das ganze System auch nicht so umstellen, daß man immer vom festen Ende anfangen könnte. Wenn man auf die bloßen Zeichenfolgen als Zeichenfolgen sieht, möchte man meinen, daß könnte einem dann egal sein. Diese ganzen Algorithmen funktionieren nach einem sozusagen Übertragssystem. Es werden untereinander zu liegen kommende Zeichen addiert, und falls das ganze nicht einstellig ist, die überschüssigen Zweit-, Dritt-, usw. stellen auf die nächste Position als ein drittes Element sozusagen übertragen.

   Das funktioniert natürlich sowohl von rechts nach links als auch von links nach rechts. Von Seiten der Zeichenfolgen gibt es diesbezüglich auch keine Präferenzen. Vorgegeben ist die Richtung natürlich bei unendlichen Zeichenfolgen. Man kann solche Folgen natürlich nicht von ihrem offenen – unendlichen – Ende her aufnehmen. Und wir können an dieses Ende auch nichts – mehr – anfügen. Das eine Ende ist damit schon einmal vergeben. Man könnte – theoretisch – mit beidseitig offenen Enden operieren. Und man könnte zwischendrin auch Kommatas verteilen, um dadurch anzuzeigen, daß dadurch eine gewisse Zäsur bzw. ein gewisser Neubeginn gesetzt ist. Man kann sich da doch einiges vorstellen. Wir sollten uns dazu einfach gänzlich von diesem Zahlendenken im Umgang mit solchen Zeichenfolgen lösen. Das Zahlenwertdenken ist von dem – praktizierten – System von solchen Zeichenfolgen sicherlich angeregt, es ist für den Umgang mit solchen Folgen allerdings nicht auch konstitutiv. Daß von einer jeden solchen Zeichenfolge auch eine bestimmte Zahl repräsentiert sein soll, das ist für den Umgang mit diesen Zeichenfolgen ohne Bedeutung.

   Es rechnet sich mit diesen Zeichenfolgen nicht anders, ob man diese nun auch als Zahlen liest und versteht oder nicht. Entscheidend ist allein, daß mit solchen Zeichenfolgen auch in geordneter Weise umgegangen werden kann. Und ein solcher Umgang  beschränkt sich – zwangsläufig – auf die Verknüpfung solcher Folgen. Die Frage dabei ist immer die, was mit einer Folge geschehen soll. Grundsätzlich kann sich das eine Folge nur von einer anderen Folge sagen lassen. Und wenn es dabei verschiedene Möglichkeiten soll geben können, dann muß das eben auch im Symbol angedeutet sein. Das sieht formal dann so aus, daß man einer Folge eine andere  zur Seite stellt, und beide Folgen durch ein Symbol miteinander verbindet. Anders läßt sich ein Informationstransfer nicht einrichten. Die zu vermittelnde Information muß in den Folgen verpackt sein. Das ist schon so etwas wie ein Dialog, der dabei geführt wird. Die hinzutretende Folge ermöglicht es der gegebenen Folge dadurch tätig zu werden, daß sie sich mit dieser hinzutretenden Folge verbündet. Aus einer Folge allein heraus kann so eine Information nicht kommen.

 

    IV. – Das mögliche Potential an Veränderung einer Folge ist durch die Gesamtheit aller Folgen gegeben. Grundsätzlich kann jede Folge zu einer dieser anderen Folgen verändert werden. Bei Folgen gleicher Länge müßten dazu nur die einzelnen Positionen entsprechend anders besetzt werden. So etwas könnte man auch schriftlich festhalten bzw. vorgeben. Als Rechnen läßt sich so etwas natürlich nicht bezeichnen. Rechnen heißt nach einer bestimmten Vorschrift aus zwei Folgen eine Folge bilden. Das ist so jedenfalls bei den Grundrechnungsarten. Die Umformung der ersten Folge erfolgt nach Maßgabe der zweiten. Danach bestimmt sich, wie die Ergebnisfolge in der Besetzung ihrer einzelnen Positionen aus der Ausgangsfolge mit ihren dementsprechenden Besetzungen hervorgeht. Die Ergebnisfolge wird – auch – in der Abfolge der einzelnen Positionen aufgebaut. Bei endlichen Folgen könnte man dabei – formel-prinzipiell – das ganze von beiden Seiten her aufziehen. Anfallende Überträge werden dann eben in die jeweilige Richtung weitergegeben.

   Feststeht allerdings, daß man sich für eine Richtung entscheiden muß, und daß man sich immer auch für dieselbe Richtung entscheidet. Und diese Richtung wird mit der Produktion der natürlichen Zahlen vorgegeben. Dort hat man durchaus  – noch – die Auswahl. Man könnte das ganze natürlich auch von links nach rechts aufziehen. Dann allerdings ist man auch festgelegt. Andernfalls besteht keine Möglichkeit mehr, zu sinnvollen Verknüpfungen zu kommen, und d. h. Verknüpfungen mit gewissen Symmetrieeigenschaften wie Kommutativität und Assoziativität. Alles, was an Information in das System der Darstellung natürlicher Zahlen hineingesteckt wird, das ist die Reihenfolge, in der wir die vorzugebenden endlich vielen Zeichen setzen. Das System selbst verbindet dann seinerseits diese Zeichen zu Zeichenfolgen.

   Alle weitergehenden Informationen werden dann über die Abfolge der gesetzten Zeichen vermittelt. Jede Verknüpfung auf der Menge aller dieser Zeichenfolgen kann sich nur auf die Reihenfolge der vorzugebenden Zeichen stützen. Wenn auf derselben Position zweier zu verknüpfender Zeichen – im Dezimalsystem – etwa die Zeichen 3 und 5 stehen, dann kann man entweder um so viel Zeichen von der 5 aus gesehen weitergehen als die 3 an Anzahl von Schritten angibt, oder aber man setzt in eben dieser Anzahl so oft so viele Schritte als die Zahl 5 anzahlbezogen an Schritten besagt. Das sind die zwei Möglichkeiten. Mehr an Information kann man aus diesen Informationen nicht ziehen. Alles, was man dann noch tun kann, das wäre eine Umkehrung dieser Operationen. Man kann zwei Zahlen vorgeben und fragen, welches die Zahl ist, die ich mit der zweiten Zahl nach jeweils einer der beiden Varianten verknüpfen muß, um dadurch zur ersten Zahl (zurück-)zukommen.

   Damit wären dann die vier Grundrechnungsarten beschrieben. Alles weitere an Rechnungsarten leitet sich dann aus der Multiplikation bzw. – präziser – den Potenzgesetzen ab. Dabei geht es dann auch immer nur um eine – wiederholt mit sich selbst multiplizierte  – Zahl. Weitere operative Möglichkeiten ergeben sich durch Reihenbildung etwa, wobei systematisch auch auf Potenzen, so wie bei der Exponentialfunktion gesetzt werden kann. Damit bewegen wir uns aber schon im Bereich von Funktionen, nicht aber mehr von Verknüpfungen. Verknüpfungen spielen immer zwischen zwei Elementen und bewegen sich auf einer – ganz – elementaren Ebene. Bei Funktionen dagegen handelt es sich um Abbildungen. Formal könnten Verknüpfungen allerdings auch als Abbildungen vom kartesischen Produkt  nach  gelesen werden. Man tut es ihres elementaren Charakters – wie gesagt – wegen nicht. Letztlich ist das aber auch nur eine Frage der Sprachregelung. Die beiden einzig und allein möglichen beiden allgemeinen Verknüpfungen auf der Menge der natürlichen Zahlen fügen sich – nahtlos – in das System von Reihenfolge dieser Zahlen ein. Es wird dabei in der Reihenfolge dieser Zahlen bzw. – elementarer noch – in der Reihenfolge der zu setzenden endlichen Zeichenmenge gedacht.

   Natürlich will dabei auch das Positionengefüge beachtet sein. Man bewegt sich mit diesen Operationen einfach in derselben Richtung, in der sich die natürlichen Zahlen auch bewegen. Man kann das Positionsgefüge einer natürlichen Zahl auch nicht zurückverschieben. Man kann Stellen fortschreiben, nicht aber auch rückwärts verlagern. Auf diese Weise käme alles aus dem Gefüge. Zur Darstellung natürlicher Zahlen und den darauf definierten Verknüpfungen gibt es keine Alternative. Man kann dabei auch nicht mit Kommatas und dergleichen beliebig variieren. Die Interpretation der einzelnen natürlichen Zahl als einer Anzahl ist für dieses System von Zahlen konstitutiv. Und auch das mit der weitergehenden Differenzierung in den Bruchkomponenten ist eine folgerichtige Entwicklung. Im Gegensatz zum ganzzahligen Anteil ist uns die Gewichtung in den Bruchkomponenten nicht mehr durch das System von Darstellung als solchem vermittelt.

  

   V. – Formal handelt es sich bei endlichen Bruchkomponenten um nichts anderes als um natürliche Zahlen mit dem diesen Zahlen eigenen System von Gewichtung. Wenn wir das anders verstanden haben wollen, dann muß man das dazusagen. Das ist dann keine Information, die sich einer Folge als solcher entnehmen ließe. Veranlaßt ist die ganze weitere, über die natürlichen Zahlen hinausreichende Entwicklung von dem auf dieser Menge nur eingeschränkt möglichen Umkehrverknüpfungen Subtraktion und (Division). Das möchte man natürlich unabhängig von einer vorausgehenden Addition, die dann natürlich auch umgekehrt werden kann, immer auch haben. Das kann man mit der Einführung negativer ganzer Zahlen erreichen. Bezüglich der Multiplikation und ihrer Umkehrung führt das zur Bildung von Brüchen bzw. rationalen Zahlen. Und solche Brüche lassen sich auch auflösen. Und dann muß mit Kommatas oder dergleichen gearbeitet werden.

   Im ganzzahligen Bereich läßt sich das nicht mehr einrichten. Man braucht dann eine getrennte Buchführung. Immerhin geht es dabei um eine genau voneinander getrennte Buchführung. Das Ergebnis braucht dann allerdings nicht im Sinne irgendwelcher Gewichtungen gelesen zu werden. Gerechnet wird – letztlich – immer nur in einem System von Zeichenfolgen. Bei der Division ganzer Zahlen wird in den Fällen, in denen diese Division innerhalb der natürlichen Zahlen nicht auch aufgeht, das entsprechende Verfahren einfach fortgeführt. Der Trick dabei ist der, daß man fehlende Besetzungen nach Belieben mit Nullen auffüllt. In diesem Fall ist es auch so, daß von rechts nach links operiert wird. Anders würde das nicht funktionieren. Es könnte dann nämlich passieren, daß man in der Division eines Einzelschrittes – der immer der Besetzung einer weiteren Stelle dient – nicht mehr einstellig wird. Und jede Position in einer Reihenfolge von Zeichen kann natürlich nur von einem Zeichen besetzt sein.

   Es geht in diesem Verfahren einfach um die Umkehrung einer anderen Verknüpfung, der Multiplikation. Diese Umkehrung ist dann auch eindeutig bestimmt. Und dan muß eben von rechts angefangen werden. Es wird dabei auch – durch ein Komma – vermerkt, wann sich die zu dividierende Zeichenfolge erschöpft hat. Dann wird mit Nullen weitergerechnet. Und es kann passieren, daß das ganze nie aufgeht, und d. h., daß überhaupt nur noch Nullen übrigbleiben. Das ganze ist eine rein technische Angelegenheit. Über irgendwelche Gewichtungen brauchen wir uns dabei keine Gedanken zu machen. Solange wir das nicht in der Bruchkomponente zumindest tun, sind solche Folgen allerdings auch kein Objekt des mathematischen Formalismus. Die Algorithmen zu den Grundrechnungsarten sind genausowenig formalisierbar wie das System zur Darstellung der natürlichen Zahlen. Immerhin wird in den Algorithmen – im Gegensatz zu letzterem – addiert, subtrahiert, multipliziert und dividiert. Wenn man weiß, wie so etwas geht, dann kann man darauf auch – formal – verweisen.

   Wie es geht, das läßt sich dagegen nicht formal beschreiben. Und deswegen findet sich auch in elementaren Arithmetik-Lehrbüchern nichts von einer solchen – dann notwendig – prosaischen Beschreibung genauso wenig etwas wie dort das Verfahren zur Darstellung der natürlichen Zahlen thematisiert würde. Wenn etwas gesagt wird, dann geschieht das im Medium des – erweiterten – Stellenwertsystems. Wenn die Sprachregelung von der abkürzenden Schreibweise richtig ist, dann in Bezug auf Polynome, in die sich natürlich Zahlen und – in einem weiteren Verständnis von Polynomen – auch endliche Brüche zerlegen lassen. So werden natürliche Zahlen und werden Brüche auch verstanden. Die Zahl 23 ist dann im Dezimalsystem eben zweimal die 10 und dreimal die 1. Entsprechendes gilt für endliche Brüche.

   Unendliche Brüche finden ihre mathematische Darstellung als unendliche Reihe. Dazu müssen wir uns allerdings die einzelnen Zeichen mit den ihnen im erweiterten System der Darstellung natürlicher Zahlen natürlicherweise zukommenden Gewichten versehen denken. Mathematisch ließe sich anders damit auch nichts anfangen. Das mit der Gewichtung ist keine aus der Luft gegriffene Veranstaltung. Was die natürlichen Zahlen in dieser Produktion anbelangt, so kommt in der ganzen Gewichtung auch nur der Zählwerkmechanismus des Verfahrens zum Ausdruck. Wir müssen uns dazu eine natürliche Zahl allerdings nicht in eine Summe von entsprechend vielen Einsen zerlegt denken. Diese Form der Darstellung ist der natürlichen Darstellung natürlicher Zahlen fremd. Es ist einfach ein anderes System. Und im mathematisch-philosophischen Modell haben wir im übrigen auch keine Gewichtung.

   In diesem System wird auf schiere Anzahl gesetzt. Das ist ein reines Mengenmodell. In diesem Modell haben wir auch keinerlei Zählwerktechnik integriert. Dieses Modell gibt uns keinerlei Aufschluß darüber, wie viele Zeichen denn gesetzt sind. Und auf diese Anzahl kommt es in diesem System (aus-)schließlich auch an. Diese Information müssen wir uns in diesem System dann anderweitig besorgen. Und im praktischen Umgang mit natürlichen Zahlen zumal kann auf diese Information auch nicht verzichtet werden. Man möchte sich über Zahlen schließlich auch sprachlich austauschen können, ohne daß dazu auch noch weiteres veranlaßt wäre. Wer eine Zahl mitgeteilt bekommt, der sollte nicht etwa auch noch nachrechnen müssen, um zu wissen, mit welcher Zahl er es zu tun hat, und nachgerechnet werden – und zwar nachgerechnet werden nach dem klassischen Modell – müßte diesbezüglich im mathematisch-philosophischen Modell der natürlichen Zahlen auch.