Expose
4. Die Definition von Abzählbarkeit
I. – Es ist klar, daß bei diesem reduzierten Verständnis von Unendlichkeit die Frage, wie sich das mit den natürlichen Zahlen im Unendlichen gestaltet, kein Thema sein kann. Diese Frage drängt sich dann einfach nicht auf. Zur Entschuldigung dieser Einstellung muß man vielleicht aber auch dazusagen, daß das eine Position ist, die einfach auch nur unseren alltäglichen Umgang mit natürlichen Zahlen, der ein Umgang – natürlich – mit nur endlich vielen und auch nur endlich großen natürlichen Zahlen ist, widerspiegelt. Diesem Umgang entspricht einfach ein Verständnis dieser Zahlen als einer in Reihenfolgen geordneten Menge von Zahlen, die immer auch noch weiter fortgeschrieben werden kann. Es ist auch so, daß dabei nicht unbedingt auch auf die Zeichenfolgen gesehen wird. Jede solche Zeichenfolge steht trotz ihres überlegten Aufbaues aus mehreren Zeichen auch nur für eine – einzige – natürliche Zahl. Auch das trägt natürlich dazu bei, daß man über den einzelnen natürlichen Zahlen auch ganz die Zeichenfolgen vergißt, die uns diese Zahlen darstellen. Jede einzelne natürliche Zahl figuriert dann in unserer Vorstellung als einziger(einzelner) Punkt, dem sich dann in der Reihenfolge dieser Zahlen eben immer weiter weitere Punkte anschließen. Und dem entspricht genau dieses besagte unreflektierte Verständnis der Unendlichkeit natürlicher Zahlen.
Der Punkt dabei ist einfach der, daß die zusammengesetzte Darstellung aus endlich vielen Zahlzeichen ganz überlagert von der Vorstellung ist, daß dadurch auch nur eine natürliche Zahl dargestellt ist. Es findet dabei also eine Synthese statt, in der diese Zeichen alle zu einer Zahl zusammengeführt werden. Und damit befinden wir uns mit diesen natürlichen Zahlen in der vorhin beschriebenen Situation einer Punktmenge, einer Menge also, die nur aus – identischen – Einzelpunkten besteht. Die Frage der Unendlichkeit einer solchen Menge stellt sich dann – etwas – anders als sie sich bei Zeichenfolgen stellt. Jedes Zeichen steht dann ganz für sich allein und ist nicht etwa – nur – Teil einer ganzen Zeichenfolge. Allerdings ist auch eine solche Punktmenge allenfalls im Ganzen auch eine unendliche Menge. Bei Einzelverteilung könnte man allerdings sehr viel eher geneigt sein, Unendlichkeit mit – bloß – ständiger Ergänzung zu verwechseln. Es ist tatsächlich auch schwierig(er), sich in diesem Fall das Ganze auch als abgeschlossen zu denken. Bei unendlichen Zeichenfolgen ist das kein Problem. Wir wissen natürlich, was wir uns unter so einer Folge vorstellen dürfen bzw. müssen. Das ist nicht einfach nur eine Folge, zu der immer noch etwas dazukommt. Das würde nicht reichen. Es bedarf dann schon auch eines – des – Abschlusses des Ganzen. Wir können uns eine solche unendliche Folge nicht einfach als sich in ständiger Entwicklung begriffene Folge vorstellen. Das würde nicht reichen, wenn damit in irgendeiner Weise eine Zeitabhängigkeit konstituiert wäre. Es müßte dann zumindest sichergestellt sein, daß das mit der Zeit auch niemals aufhört. Dessen können wir uns allerdings nur alles andere als gewiß sein. Und weiter müßte dann schon immer auch für diese ständige Erweiterung gesorgt sein.
III. – Mit unserem Zeitverständnis läßt sich das alles nicht vereinbaren. Unsere Zeit ist eine empirische Größe, und steht als solche unter einem ständigen Existenzvorbehalt. Wir können uns nie auch nur der Existenz des nächsten Augenblickes gewiß sein. Die Zeit kann einmal auch für immer vergehen, und sie wird einmal auch für immer vergehen. Die materielle Verfassung des Universums wird einmal erschöpft sein. Und dann verschwindet mit der Zeit auch der Raum im herkömmlichen Sinne. Ewigkeit ist immer auch die Ewigkeit des Augenblickes. Eine nur – unbegrenzt – in die Länge gezogene Zeit könnte allenfalls als ein ziemlich defizienter Modus von Ewigkeit gelten. Ewigkeit ist ein Zustand bzw. eine Verfassung und nicht ein Ablauf bzw. Prozeß. Ewigkeit ist; sie wird nicht einfach. Insofern gilt für Ewigkeit das, was auch für unendliche Folgen gilt; es gibt sie nicht einfach nur im Werden; es gibt sie nur als Gewordenes. Mathematisch ausgedrückt bedeutet dies, daß es Unendliches nur gegen einen Grenzübergang von Endlichem zu Unendlichem gibt. So etwas läßt sich nicht sukzessive Element für Element einrichten. Dann muß das ganze Werk schon auch auf einmal vollbracht werden.
Die Frage ist nur, wie sich so etwas bei einer Menge, die sich aus Einzelzeichen – losgelöst voneinander – zusammensetzt, bemerkbar macht. Man kann so eine Menge dann auch nicht – unbedingt – abzählen. Es muß so eine Menge schließlich auch keine in Reihenfolge geordnete Menge sein. Die Frage der Unendlichkeit einer solchen Menge ist eine Frage der bijektiven Äquivalenz so einer Menge mit der Menge der natürlichen Zahlen. Das ist dann eine Abbildungsfrage. Abzählbar ist eine Menge definitionsgemäß dann, wenn sie sich bijektiv auf die Menge der natürlichen Zahlen abbilden läßt. Woraus resultiert aber die Möglichkeit der Nicht-Abzählbarkeit bzw. Überabzählbarkeit unendlicher Mengen? Zunächst könnte man meinen, daß es im Unendlichen keine Umfangsunterschiede geben könnte. Denn darauf stellt der Begriff der Nicht-Abzählbarkeit – zunächst jedenfalls, und d. h. sprachlich gesehen – ab. Nicht-abzählbar – so stellt man sich vor – ist eine Menge nur dann bzw. genau dann, wenn es mehr solcher Zahlen gibt als deren natürliche Zahlen sind. Dann könnte so eine Menge natürlich auch nicht abgezählt werden.
Die Frage ist, was man sich darunter genau würde vorstellen können. Zunächst gilt ja die Definition von Unendlichkeit, und diese Definition ist eine indirekte Definition. Unendlich ist demnach, was nicht endlich ist, und endlich ist etwas, wenn es sich nach den natürlichen Zahlen für ein bestimmtes indizieren, und d. h. als schreiben läßt. Alles, was sich so nicht ordnen läßt, gilt dann als eine unendliche Menge. Endliche Mengen sind insoweit auch eindeutig definiert. Die Frage, ob eine Menge eine endliche Menge ist oder nicht, läßt sich immer eindeutig entscheiden. Eine solche Menge läßt sich – in endlich vielen Schritten – immer auch abzählen, unabhängig davon, wie so eine Menge aussieht, verteilt oder sonstwie strukturiert ist. Bei solchen Mengen kann in puncto Abzählbarkeit einfach nichts schiefgehen. Bei unendlichen Mengen sieht das anders aus. Solche Mengen lassen sich nie einfach nur Element für Element abzählen. Wir brauchen für solche Mengen ohnehin ein Abzählverfahren, und d. h. eine Abbildung von den natürlichen Zahlen bijektiv auf so eine Menge. In der Literatur, und d. h. in den Analysis-Lehrbüchern ist man diesbezüglich nicht konsequent – genug. Dort trifft man schon auch auf geometrische Abzählverfahren.
Abzählbar ist diesem Verfahren zufolge eine Menge dann, wenn sich alle ihre Elemente durch einen – einfachen – Streckenzug miteinander verbinden lassen, und d. h., wenn sich alle diese Elemente in alle Reihenfolge bringen lassen. Dann sollte man so eine Menge auch mit den natürlichen Zahlen "durchnumerieren" lassen können. Es ist ja gesagt, wie eines dieser Elemente auf das andere folgt, und das sollte reichen, und zwar auch dann reichen, wenn wir die ganze Menge auf diese Weise nie "durchgehen" könnten. Völlig unbedacht bleibt dabei, das – unendliche – Ende. Wir wissen, daß sich dieses Ende durchaus auch verschieden gestalten kann. Unendlich ist insofern nicht gleich unendlich. So ist die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen eine Unendlichkeit von Endlichem. Diese Unendlichkeit ist vom unendlich-endlichem Typ. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Das Besondere daran ist dies, daß es in der Darstellung bzw. – zugleich auch – Produktion der natürlichen Zahlen auch im Unendlichen zu keinen unendlichen Zeichenfolgen kommt. Das würde man an sich schon anders erwarten, und nachdem das ganze ohnehin einem – eigenen – Verfahren vorbehalten bleiben muß, muß in so ein Verfahren auch eine Blockade eingebaut sein, wenn gerade das mit unendlichen Folgen im Unendlichen verhindert sein soll. Feststeht, daß die Ergänzung Zeichen um Zeichen im Unendlichen notwendig auch zu einer unendlichen Zeichenfolge führt.
III. – Das ist bei den natürlichen Zahlen bekanntlich anders. Dort wird variiert, und wird kombiniert. Ermöglicht wird das durch die Vielzahl verwendeter Zeichen. Es kommt dabei nicht einfach auch zur Fortschreibung von nur einer Zeichenfolge. Zur Entwicklung gelangt dabei jede nur mögliche endliche (Linear-)kombination von Zeichen aus der vorgegebenen bzw. vorzugebenden endlichen Menge von Zeichen. Und genau diese Kombinationstechnik ist es, die verhindert, daß es in diesem Verfahren im Unendlichen zu unendlichen Zeichenfolgen kommen könnte. Es ist die auf die Fortsetzung von immer auch mehr Folgen verteilte Aufmerksamkeit des Verfahrens, die sich als Verfahrenselement natürlich bzw. notwendig auch im Unendlichen durchhält, und auch dort für – ausschließlich – endliche Zeichenfolgen sorgt. Wir haben bei jeder unendlichen – aber auch endlichen – (Zeichen-)folge natürlich auch das prozessuale Element. Es ist dies auch ein Verfahrenselement von bzw. zu allem Unendlichen.
Allein die natürlichen Zahlen berechtigen uns, auch von einer prozessualen Unendlichkeit zu sprechen. Wir haben bei diesen Zahlen allerdings nicht einfach nur die Ergänzung Zeichen für Zeichen. Wir haben auf die endliche Folge die endliche Folge. Und das hört so auch im Unendlichen nie auf. Mit einer einzelnen Zeichenfolge würde das – wie gesagt – auch nicht funktionieren. Zwangsläufig würde so ein Verfahren im Unendlichen dann auch in unendliche Zeichenfolgen abgleiten. Das ließe sich dann – verfahrenstechnisch – einfach auch nicht vermeiden. Wird dagegen von Verfahrensschritt zu Verfahrensschritt immer wieder aufs neue auch auf neue Folgen übergegangen, dann bleibt es auch im Unendlichen bei – nur – endlichen Folgen von beliebiger – endlicher – (Zeichen-)länge. Die natürlichen Zahlen sind so gesehen ohne natürlichen Abschluß. Das ist eine nach oben offene Angelegenheit. Das ist jedenfalls das, was im mathematischen Formalismus – der natürlichen Zahlen – zählt. Es wird in diesem Formalismus nur auf diese – eine – Eigenschaft gesehen. Die natürlichen Zahlen verfügen über keinen – auch nur grenzwertweisen – Abschluß.
Das ist das Bild, das man von den natürlichen Zahlen von daher mitnimmt. Ein Abschluß ist dann nicht einmal grenzwertweise in Sicht. Es wird im mathematischen Formalismus einfach vollständig vom System der Darstellung natürlicher Zahlen abstrahiert. Eine Grenzwertfrage stellt sich dann nicht. Die natürlichen Zahlen sind dann einfach der Inbegriff des Unbegrenzten bzw. Unbeschränkten. Und dafür steht in der Mathematik das Symbol .Dieses Symbol hat also nicht primär Zahlencharakter, auch wenn die Schreibweise das – natürlich – suggeriert. In die Limes-Schreibweise verpackt ist natürlich immer das – prozessuale – Geschehen ständiger Annäherung an den – finalen – Grenzwert, der rechts neben dem Gleichheitszeichen zu stehen kommt. Versinnbildlicht wird dieses prozessuale Geschehen durch die unter das Limes-Zeichen gestellte Symbolik . In der Formel kommt dieses Symbol somit in doppelter Funktion vor. Zum Ausdruck gebracht sein soll damit – wie gesagt – einfach nur, daß die natürlichen Zahlen über alle Grenzen hinaus wachsen bzw. – elementarer noch – daß das mit den natürlichen Zahlen einfach kein Ende nimmt. b ist größer als a heißt in der "Statik" der Reihenfolge der natürlichen Zahlen nur, daß b nach a kommt.
Mehr gibt die – bloße – Reihenordnung der natürlichen Zahlen nicht her. Und auch der mathematische Formalismus der Anordnungsaxiome regelt allein den Umgang mit einem gewissen Symbol. Die Beziehung, die durch dieses Symbol zwischen zwei natürlichen bzw. allgemeiner auch zwei reellen Zahlen hergestellt ist, leitet sich allein aus der Reihenfolge natürlicher bzw. reeller Zahlen ab. Mehr will uns dieses Symbol nicht sagen. Das ist eine reine Beziehungsangelegenheit, so wie sie unter den Elementen einer Reihenfolge immer auch besteht. Es bedarf dazu nicht der Interpretation dieser Elemente als einer Zahl, und d. h. der Ausstattung dieser Elemente mit einem Zahlenwert. Diese Ausstattung läßt jedes Element über ihre Einordnung in die Reihenfolge aller Elemente als etwas – ganz – Eigenes erscheinen. Über ihren Zahlenwert lösen sich die einzelnen Elemente in gewisser Weise von der Reihenfolge aller Elemente. Der Zahlenwert einer Zahl läßt uns vom System aller Zahlen, und d. h. deren Einordnung in den ganzen Zahlenverbund schon auch absehen. Jede Beziehung definiert sich – auch – über ihre Beziehungspunkte und nicht einfach nur über Beziehung allein, und d. h. – im Zahlbereich – über ihre Anordnung bzw. Einordnung in Reihenfolge.
IV. – Der Zahlenwert einer Zahl ist die namhaft gemachte Position dieser Zahl im System aller Zahlen. Die natürlichen Zahlen offenbaren sich in ihrem Zahlenwert einfach durch das dem System dieser Zahlen inhärente Zählwerk. Das ist zumindest die Grundlage für die Ausstattung natürlicher Zahlen mit einem Zahlwert. Dieser Zählwerksmechanismus impliziert dann nämlich auch die Gewichtung in den einzelnen Positionen. Das ist dann schon noch auch etwas – ganz – Eigenes. Allerdings ist das vom Zählwerkmechanismus her ganz darauf angelegt. Zu diesem System der Gewichtung der einzelnen Positionen ist dann nur noch ein kleiner Schritt. Jedenfalls bei den natürlichen Zahlen ist das so. Mit Brüchen verhält es sich da schon anders. Wir haben auch da – natürlich – eine Gewichtung, wenn auch mit umgekehrtem und d. h. negativem Vorzeichen in den Exponenten. Und es geht auch gleich mit der ersten Bruchstelle, die im Dezimalsystem vom Gewicht ist, los. Und darüber hinaus kann sich das mit den Bruchstellen auch ins Unendliche fortsetzen.
Unendliche Brüche verfügen über unendlich viele Bruchstellen. Und dann wird die Frage nach dem Zahlenwert solcher Gebilde vordringlich. Solche Konstruktionen verfügen – wenn man so will – über keinen inneren Zahlenwert mehr. Formal-mathematisch handelt es sich dabei um unendliche Reihen. So werden solche Brüche in der Mathematik jedenfalls verstanden. Und damit wird auch nur ins Unendliche fortgeschrieben, was im Endlichen selbstverständliche Lesart ist. Die erste Bruchstelle markiert den Zehntel-Bereich, die zweite deckt die Hundertstel ab, die dritte steht für die Tausendstel usw. Materiell werden über so eine Bruchstellenkomponente die Zwischenräume zwischen den einzelnen natürlichen Zahlen abgedeckt. So markiert die Zahl genau die Mitte zwischen der Null und der Eins. Und das läßt sich dann auch immer mehr verfeinern. Über unendliche – nicht-periodische – Brüche erreicht man dann letztlich auch jeden Punkt in so einem Intervall. Diese Feststellung dient allerdings auch nur der Veranschaulichung und ist insoweit bloße Interpretation. Sie ist nicht Teil der Theorie der – reellen – Zahlen.
Die Theorie redet in diesem Zusammenhang nur von der Dichte der rationalen wie auch irrationalen Zahlen in der Menge der reellen Zahlen. Und das heißt: zwischen je zwei reellen Zahlen kommt immer auch – noch – eine rationale wie auch irrationale Zahl zu liegen. Das zieht dann natürlich auch eine ganze Menge von Konsequenzen nach sich. So heißt dies beispielsweise und insbesondere auch, daß es zu keiner reellen Zahl eine nächstbenachbarte reelle Zahl gibt. Egal, an welche Zahl wir dabei denken, sie kann der besagten Dichte-Situation nach immer noch durch eine andere sowohl rationale als auch irrationale Zahl unterboten werden. Das gilt unabhängig von den Anordnungseigenschaften, und d. h. der linearen Ordnung dieser reellen Zahlen. Die sind schon alle in Reihenfolgen angeordnet. Und wir wissen auch, wie sie alle aussehen. Wir können sie nur nicht auch der Reihe(nfolge) nach abzählen. Das ist im übrigen auch schon so im Körper der rationalen Zahlen. Auch diese Zahlen lassen sich nicht ihrer Größe und d. h. ihrer – natürlichen – Reihenfolge entsprechend aufzählen. Man kann die rationalen Zahlen systematisch allerdings auch anders erfassen.
Man kann diese Zahlen in einem unendlichen quadratischen Matrix-Schema geordnet nach Nenner und Zähler anordnen. Und dann gibt es auch den Streckenzug über miteinander verbundene Diagonalen von jeweils links unten nach rechts oben, der alle diese – positiven – rationalen Zahlen in eine Reihenfolge bringt. In der Mathematik gelten entsprechende Skizzen durchaus schon einmal auch als Abzählbarkeitsbeweis. Numerische Äquivalenz in Form und Gestalt einer Bijektion von abzuzählender Menge mit der Menge der natürlichen Zahlen wird dann mit Reihenordnung gleichgesetzt. Die Voraussetzung für Abzählbarkeit gilt als Gegeben, wenn nur die abzuzählende Menge in eine Reihenfolge gebracht ist. Offenbar sieht man dann auch die Voraussetzung erfüllt, wonach die betreffende Menge auch bijektiv auf die Menge der natürlichen Zahlen abgebildet werden kann. In den natürlichen Zahlen wird dann einfach nur eine – die – realisierte diskrete (Modell-)reihenfolge gesehen. Die einzelnen Elemente so einer Reihenfolge müssen schon diskret verteilt sein. Andernfalls wäre jede (an-)geordnete Zahlenmenge – wie beispielsweise und insbesondere auch die reellen Zahlen – auch eine abzählbare Menge.
Das Problem bei den reellen Zahlen ist – wie gesagt – daß sie in ihrer Abfolge als Reihenfolge nicht voneinander unterscheidbar bzw. – mehr noch – identifizierbar sind. Es gibt einfach die zu einer reellen Zahl nächstbenachbarte reelle Zahl nicht. Und diese Situation liegt – wie ebenfalls schon erklärt – bereits bei den rationalen Zahlen vor. Hier ist es einfach das – beispielsweise – arithmetische Mittel, das sich genau zwischen zwei rationale Zahlen schiebt bzw. schieben läßt. Wenn eine positive Größe immer nur anteilsmäßig zurückgenommen wird, dann wird sich diese Größe nie aufheben bzw. auflösen (lassen). Wenigstens dem Ansatz nach müßte also die Möglichkeit gegeben sein, eine Reihenfolge in allen ihren Elementen durchzugehen, damit Reihenfolge für sich allein schon auch für Abzählbarkeit bürgt. Man sollte andererseits aber schon auch das mit der geforderten Bijektivität mit den natürlichen Zahlen nicht unter den Teppich kehren. Was das besagte unendliche Matrix-Schema anbelangt, so gibt es dafür auch die entsprechende Abbildung. läßt sich – regulär – abzählen. Und jede rationale Zahl ist in kanonischer Weise Element von .
Das mit dieser diagonalen Streckenführung läßt sich auch im System der natürlichen Zahlen nachzeichnen. Und das Zahlenmaterial ist in beiden Fällen auch dasselbe, so daß es auch im Unendlichen damit keine Probleme geben kann. Die rationalen Zahlen reichen insofern so weit wie die natürlichen Zahlen und umgekehrt. Das ist in beiden Fällen die gleiche nach oben offene Geschichte, auch wenn im einen Fall die natürlichen Zahlen immer paarweise auftreten. Daraus resultieren ja auch bekannte Paradoxien des Unendlichen. Das Unendliche ist wie ein Puffer, in dem sich Umfangsrelationen einfach verwischen. Dann kann eine echte Teilmenge schon einmal auch gleichmächtig dem Original sein, so wie wir das mit den natürlichen Zahlen und deren Teilmenge quadratischer Zahlen haben. Beide Mengen lassen sich bijektiv aufeinander abbilden, einfach weil es völlig belanglos ist, wie schnell sich eine Menge den Weg ins Unendliche sucht. Solange nur die 1-1-Beziehung aufrechterhalten bleibt, egalisieren sich im Unendlichen irgendwelche (Geschwindigkeits-)unterschiede.
Es macht dann nichts, daß die Quadratzahlen zunehmend mehr den ihnen jeweils korrespondierenden natürlichen Zahlen vorauseilen. Beide Linien laufen jedenfalls ins Unendliche, und das genügt, daß beide Linien auch gleich weit führen. Es ist dann einfach völlig belanglos, wie weit die eine Linie – prozessual – hinter der anderen zurückbleibt. Im Unendlichen kommen sie dann wieder überein. Das ist so jedenfalls die unbestrittene mathematische Lesart – in – dieser Situation. Auch für unendliche Mengen gilt die gleiche Definition von Mengengleichheit. Zwei Mengen sind gleich, wenn sie sich gegenseitig als Teilmengen enthalten. Bei Bijektionen innerhalb einer Menge bzw. im System der Teilmengen einer Menge ist diese Mengengleichheit dann immer auch gegeben. Ansonsten könnte nur auf Umfangsgleichheit geschlossen werden. Immerhin könnte dann aber die eine Menge natürlicherweise als Teilmenge der anderen angesehen werden und umgekehrt. Isomorphien, so wie sie bei numerischer Äquivalenz immer auch vorliegen, lassen uns die entsprechenden Mengen immer auch als – miteinander – identifiziert ansehen.
Mathematisch sind solche Mengen dann als gleich anzusehen. Sie unterscheiden sich nicht in den Strukturen und sind von daher mathematisch nicht – voneinander – zu unterscheiden. Auf die – konkrete – Darstellung kommt es in der Mathematik mit anderen Worten nicht an. Was zählt, das sind allein die Strukturen. Das ist auch in allen Fragen von Zahldarstellung so. Wie wir die natürlichen Zahlen beispielsweise und insbesondere zur Darstellung bringen, und d. h. welcher Zeichen und wie vieler Zeichen auch wir uns dabei bedienen, hat für die Realität und Identität dieser Zahlen nichts zu besagen. Wir können Zeichen nehmen, welche wir wollen, und wir können uns auch beliebig viele Zeichen nehmen. Es müssen deren nur mindestens zwei sein. Auch von daher würden sich – nebenbei gesagt – auch irgendwelche Modelle dieser Zahlen verbieten, die nur mit einem Zeichen auskommen, so wie das im mathematisch-philosophischen Modell dieser Zahlen bzw. in allen mathematischen Begründungen der natürlichen Zahlen auch praktiziert wird. Beim Mengen-Äquivalenzklassen-Modell spielen die Zeichen ohnehin keine Rolle. Und zur Darstellung ausgewählter Repräsentanten bedient man sich dann zweckmäßigerweise auch nur eines einzigen Zeichens, das dann entsprechend oft eben – in Reihenfolge – gesetzt wird.
V. – Ähnlich verhält es sich mit dem mathematischen Summenmodell. Dieses Modell ist insoweit mathematisch korrekt als es zutreffend eine bestimmte Eigenschaft der natürlichen Zahlen aufgreift. Also, man kann eine natürliche Zahl im weiteren Sinne schon auch als Summe von entsprechend vielen Einsen darstellen. Allerdings kann so etwas nicht auch als Zahldarstellung im engeren Sinne gelten. Man möchte so eine Summe dann schon auch aufgelöst bzw. ausgerechnet haben (können). Das gehört zu den unausgesprochenen Voraussetzungen mathematischen Denkens. Man möchte mit Zahlen schließlich auch rechnen können. Davon geht der ganze mathematische Formalismus aus, auch wenn uns dieser Formalismus nichts sagt, wie man so etwas macht. Allenfalls in elementaren Arithmetik-Büchern kann man darüber etwas lesen. Schließlich will das Rechnen auch gelernt sein. Es gibt dafür auch das Regelwerk für jede einzelne mathematische Verknüpfung bzw. Rechenart. Es gibt den Algorithmus für jede dieser Rechenarten.
Es gibt daneben auch eine Reihe von Kunstgriffen, die uns so manche Rechenaufgabe einfacher und eleganter lösen lassen. Der mathematische Formalismus beschäftigt sich damit – wie gesagt – nicht. In diesem Formalismus werden diesbezüglich nur allgemeine Eigenschaften dieser Rechenarten beschrieben. Was die Addition beispielsweise anbelangt, so ist das deren Kommutativität und Assoziativität. Mehr über allgemeine Eigenschaften der Addition gibt es nicht zu sagen. Das ist alles. Die Null selbst gilt nicht als natürliche Zahl im engeren Sinne. Wenn man sie dabeihaben will, müßte das auch eigens vermerkt sein. Die Besonderheit dieser Null besteht darin, daß sie additiv nichts bewirkt, und d. h. in additiver Ergänzung jede natürliche wie allgemeiner auch jede reelle Zahl unverändert läßt. Und innerhalb der ganzen Zahlen bereits gibt es dann auch zu jeder natürlichen Zahl die inverse Zahl, die zusammen mit dem "Original" die Null ergibt. Damit wären die Axiome der Addition, so wie sie Bestandteil der – allgemeinen – Körperaxiome sind, beschrieben. Der mathematische Formalismus sagt also nichts über Zahlen und ihre Darstellung. Diesbezüglich hält sich der mathematische Formalismus vollkommen bedeckt.
Aus den Körperaxiomen läßt sich dazu auch wenig ableiten. Die einzig beiden in diesen Axiomen spezifizierten Zahlen sind die Null und die Eins. Eine Beschreibung natürlicher Zahlen als Summen endlich vieler Einsen liegt insoweit im Bereich der Möglichkeiten dieses Formalismus. Man kann diese Summen in diesem Formalismus – wie gesagt – nur nicht auch auflösen. Für die klassische Darstellung natürlicher Zahlen gibt es aber auch keinen Formalismus. Das Regelwerk dieser Darstellung entzieht sich einer Formalisierung im herkömmlichen Sinne. Das Phänomen Reihenfolge ist einfach nicht formalisierbar. Wir benötigen zur Darstellung der natürlichen Zahlen eine in Reihenfolge geordnete endliche Menge von Zeichen. Auf die Zeichen in ihrer konkreten Form und Gestalt kann und darf es bei einem formulierten Regelwerk nicht ankommen. Wie aber will man dann Reihenfolge beschreiben (können)?
Eine Formalisierung des Phänomens Reihenfolge könne nur so aussehen, daß gesagt wird, woran man an einer Menge erkennt, daß es eine in Reihenfolge geordnete Menge ist bzw. von welcher Beschaffenheit eine Menge sein muß, damit auf deren Reihenordnung geschlossen werden kann, genauso wie wir das in der Formalisierung der Addition hatten, in der auch nur auf allgemeine und d. h. zahlenunabhängige wenn man so will Eigenschaften dieser Operation abgestellt ist. Eine Verknüpfung, die den genannten Axiomen genügt, kann als Addition gelten. Allerdings bezieht sich das mit der Existenz und Eindeutigkeit der reellen Zahlen im Axiomensystem dieser Zahlen schon auf diese Zahlen als solche und nicht etwa auf die in diesen Axiomen behandelten Verknüpfungen. Es gibt ja auch keine Verknüpfung losgelöst von Zahlbereichen, auf dem diese Verknüpfung auch Verknüpfung ist. Existenz- und Eindeutigkeitsbeweise lassen sich nie losgelöst von Darstellungsfragen führen. Die betreffende Zahlenmenge muß dann auch schon "benannt" sein, und d. h. man muß sagen (können), wie diese Menge, will heißen ihre Elemente, im einzelnen auch aussehen.
Man kann natürliche Zahlen als Äquivalenzklassen von Mengen definieren; man kann in ihnen auch Summen endlicher Anzahlen von Einsen sehen, man kann sie als kleinste unter allen Mengen sehen, die die Eins und mit jedem ihrer Elemente x auch x + 1 enthält,....Und es gibt – wie gesagt – auch den Ansatz, der der Axiomatik der reellen Zahlen nachgebildet ist. Das ist der erste Schritt. Dann müssen auf einer solcherart definierten Menge die geforderten Verknüpfungen mit den damit verbundenen Eigenschaften festgelegt bzw. nachgewiesen sein. Damit wäre dann schon einmal die Existenzfrage geklärt. Es bleibt der Nachweis der Eindeutigkeit so einer Menge. Und da kommt es entscheidend auf die Verknüpfungen bzw. sonstigen verlangten Eigenschaften an. Dieser Nachweis wird so geführt, daß man von einem zweiten Modell der zu etablierenden Menge ausgeht und eine Abbildung konstruiert, die die – beschriebenen – Strukturen der einen Menge genau auf die – funktionsgleichen – Strukturen der anderen Menge abbildet. Auf dem Abbildungswege läßt sich immer nur ein Strukturvergleich anstellen. Darauf kommt es allein auch an. Wie Zahlen aussehen, das ist belanglos. Wir sind da nicht festgelegt, auch wenn wir uns auf eine bestimmte Darstellung – schon immer – festgelegt haben. Die Zahlzeichen sind auch in allen Sprachen dieselben. Was das anbelangt, gibt es gewissermaßen eine Einheitssprache.