Expose
2. Der Abschluß von Unendlichem
I. – Was die reellen Zahlen gegenüber den rationalen Zahlen auszeichnet, das ist deren Vollständigkeit. Es ist dies eine Eigenschaft, die sicherstellt, daß in diesem Zahlkörper dann auch unbeschränkt aus positiven Zahlen auch Wurzeln gezogen werden können. Erst mit dem Vollständigkeitsaxiom ist die – axiomatische – Begründung der reellen Zahlen dann auch vollständig bzw. abgeschlossen. Dieses Axiom gibt es in verschiedenen – mehr oder weniger – äquivalenten Varianten. Je nachdem für welche Variante man sich entscheidet, fällt dementsprechend dann der – systematische – Aufbau bzw. die – systematische – Entwicklung der Mathematik aus. Da kann man also variieren. Grundsätzlich sollten Axiome möglichst frühzeitig gebracht werden können, wenn sie denn nicht gleich auch von Anfang an alle gebracht werden können. So setzt die Cauchy-Folgen-Variante immerhin den Begriff der konvergenten Folge voraus. Dieses Axiom bedarf in dieser Formulierung also einer gewissen Vorbereitung. Der Vorzug ist von daher einer rein mengentheoretischen Vorbereitung dieses Axioms zu geben, so wie wir sie über die Supremumseigenschaft noch oben beschränkter Mengen oder die Dedekindsche Schnitteigenschaft für Mengen haben.
In den Analysis-Lehrbüchern wird von dieser Variationsmöglichkeit gerne Gebrauch gemacht, auch wenn eine Definition der Vollständigkeit der reellen Zahlen über die Dedekindsche Schnitteigenschaft für Mengen inzwischen weitgehend außer Mode gekommen ist. Die Entscheidung fällt diesbezüglich inzwischen nur noch zwischen Cauchy-Folgen-Konvergenz reeller Folgen und Supremumseigenschaft nach oben beschränkter Mengen. Gemeinsam ist allen diesen Axiomen – und das ist für Axiomensysteme auch typisch bzw. mehr noch wesentlich – daß es sich dabei um formale Definitionen handelt. Über die materielle Absicherung bzw. Abdeckung dieser Definitionen wird dabei nichts gesagt. Natürlich muß auch das sichergestellt sein. Vorbehalten bleibt das einem Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis, so wie man das bei axiomatischen Begründungen immer auch hat bzw. haben sollte. Analysis-Lehrbücher gehen darauf im allgemeinen allerdings nicht ein. Das ist für diese Bücher kein Thema. Insofern sind diese Bücher durchaus unvollständig. In der Mathematik wird das offenbar als ein Thema für sich angesehen. Es trägt dieses Thema aber auch nichts zum – klassischen – Mathematik-Betrieb bei. Also, der mathematische Formalismus ist in seiner Existenz nicht davon abhängig, daß man zuvor die Frage der Existenz der reellen Zahlen geklärt hätte. Das ist keine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung dieses Formalismus.
Natürlich ist es so, daß diese Entwicklung im Lichte des Wissens um diese reellen Zahlen erfolgt. Wir wissen, womit wir es bei diesen Zahlen zu tun haben. Das gilt auch für die irrationalen Zahlen. Beschrieben sind diese Zahlen als die Menge der nicht-periodischen unendlichen b-al-Brüche. Diese Zahlen lassen sich auch nur so charakterisieren. Im mathematischen Formalismus schließen die irrationalen Zahlen die Lücken, die innerhalb der rationalen Zahlen bezüglich der Möglichkeit des unbeschränkten Wurzelziehens aus positiven Zahlen noch bestehen. Historisch stellt sich die Sache so dar, daß man für die Länge der Diagonalen eines Quadrates mit der Seitenlänge 1 kein Zahlenmaß in der Menge der rationalen Zahlen hat. ist keine rationale Zahl wie man auf vergleichsweise einfache Art und Weise auch nachweisen kann. Und das heißt dann einfach auch, daß in ihrer – unendlichen – Bruchdarstellung nicht periodisch sein kann. Das läßt sich – wie gesagt – mit relativ einfachen Mitteln zeigen. Dieser Beweis wird in den Analysis-Lehrbüchern immer auch geführt. Er dient schließlich auch zum Nachweis dafür, daß das mit den rationalen Zahlen noch nicht sein Bewenden haben kann.
Wenn die Wurzel aus 2 gezogen werden können soll, dann kann das jedenfalls nur in einem umfassenderen Zahlbereich geschehen. Mit der Nicht-Existenz von in der Menge der rationalen Zahlen ist insoweit auch noch nicht viel gesagt bzw. gewonnen. Damit ist nicht schon auch gesagt, daß es diesen umfassenderen Zahlbereich auch gibt. Eine Möglichkeit, diese Frage zu entscheiden, wäre die, diesen Zahlbereich materiell auch zu benennen bzw. zu beziffern. Das wäre sicherlich auch die tragfähigere Lösung. Man sagt einfach, wie diese Zahlen – alle – aussehen. Weitere Fragen könnte es dann nicht mehr geben. Das ist die Situation, so wie wir sie bei den natürlichen Zahlen insbesondere auch haben, auch wenn Philosophie und Mathematik so tun, als hätten sie diese Situation da nicht. Die materielle Darstellung der natürlichen Zahlen gilt Philosophie und Mathematik nicht auch als Beleg bzw. Nachweis der Existenz dieser Zahlen. Es ist schon merkwürdig, daß man sich noch bemüßigt sieht, einen Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis für Zahlen anzubieten, mit denen man ständig zu tun hat. Diese Zahlen sind sich dann, so wie sie uns begegnen bzw. so wie wir mit ihnen umgehen, dann doch selbst Beweis genug.
Dies gilt um so mehr, als auf diese Zahlen keineswegs einfach nur auf als etwas Gegebenes verwiesen werden könnte bzw. müßte. Wir haben es bei diesen natürlichen Zahlen mit einer unendlichen – oder sagen wir es etwas vorsichtiger: mit einer nicht-endlichen – Menge zu tun, und so eine Menge verfügt notwendig immer über ihr eigenes (Produktions-)verfahren. Bei unendlichen Mengen kann das – wie gesagt – auch nicht anders sein. Es gibt also dieses Regelwerk, das uns aus einer vorgegebenen endlichen Menge von Zeichen systematisch alle natürlichen Zahlen produziert sein läßt. Es ist dies ein Verfahren, das jedem Menschen irgendwie auch in Fleisch und Blut übergeht, so daß es von uns als besonderes Verfahren auch nicht mehr wahrgenommen wird. Von daher kommt es dann auch, wenn die natürlichen Zahlen in Philosophie und Mathematik als etwas Gegebenes angesehen werden, das es dann weiter eigens noch zu begründen gelte. Bei Gegebenem sollte sich so etwas aber ohnehin erübrigen. Gegebenes braucht nicht begründet zu werden.
Das "ist" dann einfach. Das gilt um so mehr und insbesondere dann, wenn dieses Gegebene aus einem bestimmten Verfahren hervorgeht. Dann ist es einfach dieses Verfahren, das dieses Gegebene hervorbringt und insoweit dann natürlich auch begründet. Das ist dann auch die einzige authentische Begründung, die es dafür gibt. Die natürlichen Zahlen begründen sich insofern auch selbst. Wir haben diesen natürlichen Zahlen dann nicht von außen irgendein Modell überzustülpen. Dazu besteht keine Veranlassung. Alle diese Modelle blieben ihres Modellcharakters wegen hinter der Realität, die von ihnen dargestellt sein soll, zurück. Modell ist nicht einfach Abbild, sondern eher Sinnbild bzw. Nachbild(ung). Modelle dienen dazu, uns ein Bild von Dingen zu machen, die sich für sich genommen, und d. h. so wie sie sich zeigen, wenig aussagefähig sind. Das ist jedenfalls das Motiv, das hinter einer jeden Modellbildung steht. Am besten ist sich etwas selbst Modell. Etwas, was in seiner Präsentation nichts zu wünschen übrig läßt, bedarf keiner Modell(nach-)bildung.
II. – Mit Modellen können bzw. sollen insoweit bzw. insofern nur Mängel in der Selbstpräsentation ausgeglichen werden. Was Zahlen bzw. Zahlenmengen anbelangt, sollte es diesbezüglich allerdings auch keine Defizite geben können. Zahlen zeigen sich uns in ihrem Zahlenwert. Das ist alles, worin sich uns Zahlen zeigen. Sie tun dies natürlich als – ein – Element einer ganzen Zahlenmenge, und d. h., sie tun das im System einer solchen – unendlichen – Zahlenmenge. Gemeinsam ist allen Zahlen so einer Menge dann das Verfahren, das diese Menge produziert. Die Menge als solche teilt in ihren Elementen dann allerdings schon auch gewisse Eigenschaften. Diese Eigenschaften kann man formalisieren, und d. h. man kann sie – dann auch – axiomatisieren. Und das ist genau das auch, was bei Modellbildungen auch geschieht. Abstrahiert wird dabei von konkreter Zahldarstellung, und d. h. abstrahiert wird von dem Verfahren, das die fragliche Menge hervorbringt. Und d. h., man steht dann sozusagen wieder mit leeren Händen da. Und dann muß so ein Axiomensystem wieder mit Inhalt gefüllt werden, und d. h., es ist zu zeigen, daß es etwas nach Maßgabe dieses Systems auch gibt, und zweckmäßigerweise auch nur – genau – einmal gibt. Zu führen ist dann mit anderen Worten immer auch noch ein Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis. Dann ist die Materialisierung so eines Systems gefragt.
So eine zunächst nur über ihre Eigenschaften erfaßte Menge muß sich dann sozusagen auch anfassen lassen können. Man muß dann einfach auch sagen können, wie alle diese Zahlen im Einzelnen aussehen. Man muß mit diesen Zahlen dann auch rechnen können. Es müssen die Verknüpfungen, von denen in den Axiomen nur formal-abstrakt die Rede war, konkret erklärt sein. Man muß wissen, wie man zwei Zahlen addiert bzw. multipliziert. Dafür gibt es keinen Formalismus. Der Umgang mit natürlichen Zahlen will einfach – nur – erlernt sein. Bekanntlich leistet dabei der Zahlenstrahl gute Dienste. Und der Rechenschieber funktioniert ja auch nach diesem Prinzip. Wer sich also an einem Modell der natürlichen Zahlen versucht, einfach weil ihm diese Zahlen nicht selbst Modell genug sind, der wird sagen müssen, wie diese Zahlen in so einem Modell dann aussehen, und sei es, daß man unter natürlichen Zahlen ganze Äquivalenzklassen versteht, so wie das in dem von Philosophie und Mathematik propagierten Modell der natürlichen Zahlen ist.
Dann besteht die Zahl 3 eben aus der Äquivalenzklasse aller Mengen mit drei Elementen. Das ist natürlich ein anderes System als das, in dem wir uns mit der regulären Darstellung natürlicher Zahlen bewegen. Auf die Menge gesetzter Zeichen kommt es dort nur unter anderem an. Es kommt dort nicht nur darauf an, wie viele Zeichen gesetzt sind, sondern welche Zeichen in welcher Reihenfolge gesetzt sind. Und das ist ein sehr viel komplexeres System als ein System, in dem nur auf die Anzahl gesetzter Zeichen gesehen wird. Dann kommt es nämlich auf die Zeichen, die gesetzt sind, nicht an. Das können dann irgendwelche x-beliebige Zeichen sein, vorausgesetzt, die Anzahl stimmt. Es kommt dann insbesondere auch nicht auf Reihenfolge an. Mengen sind im allgemeinen keine in Reihenfolgen geordneten Mengen. Das gehörte sozusagen zur Zusatzausstattung. Deswegen haben wir bei den reellen Zahlen auch die Anordnungsaxiome. Die lineare Ordnung dieser Zahlen ist etwas, was sich nicht einfach aus den Körperaxiomen ableiten ließe.
Das ist eine von diesen Körperaxiomen unabhängige Eigenschaft. So wie wir unsere reellen Zahlen kennen, versteht sich aber auch diese lineare Anordnung fast wie von selbst. Und die natürlichen Zahlen können ohne diese Eigenschaft auch nicht gedacht werden. Das ist von Konstruktions wegen eine in Reihenfolge geordnete Menge. Grundsätzlich ist es so, daß unendliche Mengen ihre Darstellung nur über die systematische Kombination einer endlichen Anzahl von Einzelzeichen finden können. Solche Mengen lassen sich nicht per Einzelzeichen für jedes einzelne Element darstellen. Das kann man nur einem System überlassen, das sich das den Weg ins Unendliche selbst sucht, ohne daß wir ihm dabei Schritt für Schritt bzw. Element für Element zu folgen hätten.
Das können wir so oder so nicht. Also bleibt nur noch die Möglichkeit, mit einer fest vorgegebenen endlichen Zeichenmenge – nach allen Regeln der Kunst sozusagen – alle nur möglichen endlichen Zeichenfolgen zusammenzustellen. Natürlich setzt man die Zeichen dann in Reihenfolge, unabhängig davon, ob uns die Reihenfolge auch etwas sagen soll können oder nicht. Bei Verwendung nur eines Zeichens kann uns die Reihenfolge gesetzter Zeichen allerdings nichts sagen. Alles, was sich aus den einzelnen Zeichenfolgen dann an Information ablesen bzw. ableiten läßt, das ist dann die Anzahl, in der dieses eine Exemplar von Zeichen in so einer Zeichenfolge gesetzt ist. Die Position, in der die einzelnen Zeichen innerhalb so einer Zeichenfolge gesetzt sind, kann dann nicht zur – weiteren – Differenzierung innerhalb der Menge aller solchen Zeichenfolgen herangezogen werden. Alle diese Zeichenfolgen unterscheiden sich in so einem System deswegen notwendig auch in der Anzahl gesetzter Zeichen.
III. – An sich sollte bzw. dürfte das bei Mengen nicht sein, daß nämlich ein und dasselbe Element wiederholt in Erscheinung tritt. Die Elemente einer Menge sollten alle voneinander verschieden sein. Insofern ist die Lesart einer Zeichenfolge, in der – ausschließlich – ein und dasselbe Zeichen wiederholt gesetzt ist, als einer Menge eine unzulässige Lesart. Also können irgendwelche Zeichenfolgen nicht einfach als Mengen – von Zeichen – angesehen werden. Solche Mengen dürften dann insbesondere auch nicht als ausgewählte Repräsentanten ganzer Äquivalenzklassen dienen. Auch unter diesem Aspekt ist die Modellvorstellung der Philosophie und Mathematik von den natürlichen Zahlen eine unzulässige Konstruktion bzw. Interpretation. So oder so ist in diesem Modell das Phänomen Reihenfolge vollkommen ausgeblendet. Das aber ist nun gerade das Phänomen, das unser aller Zahldarstellung essentiell und substantiell ist. Das Phänomen Reihenfolge ist ein – ist das – Phänomen von Positionenfolge. Reihenfolge setzt sich aus einer Abfolge von Positionen zusammen. Diese Positionen unterscheiden sich in einer Reihenfolge auch alle voneinander, wobei sich jede Position in ihrer Beziehung zu allen anderen Positionen innerhalb so einer Reihenfolge definiert. Und in unseren Zahldarstellungen hat jede Position zudem auch noch ihr – ganz spezifisches – Gewicht.
Das ist nun allerdings etwas, was diesem System von Folgen von außen sozusagen aufgepfropft ist. Diese Gewichtung ist nicht auch integrativer Verfahrensbestandteil, auch wenn diese Lesart sich vom Verfahren her geradezu aufdrängt. Wir haben in diesem Verfahren einfach auch ein internes Zählwerk, und nichts anderes als dieser Zählmechanismus verbirgt sich hinter diesem System von Gewichtungen in den einzelnen Positionen von Reihenfolge. Auf jeder Position wird vermerkt, wie oft auf der Position zuvor der komplette Zeichensatz bereits durchlaufen wurde bzw. durchlaufen werden muß, wenn man in diesem System von Zeichenfolgen von dessen Anfang bis hin zu dieser bestimmten Zeichenfolge gelangen will. So gesehen ist das mit der Gewichtung der einzelnen Positionen schon auch wieder systemimmanent. Und es ist dieser Zählwerkmechanismus auch, der uns sofort auch sagen läßt, wo wir mit einer jeden Zeichenfolge des Systems im System aller dieser Zeichenfolgen stehen. Wir brauchen dazu nicht an den Anfang des Systems aller dieser Folgen zurückgehen. Wir müssen zunächst nur darauf sehen, wie viele Stellen so eine Zeichenfolge hat. Bei sehr großen Zahlen gestaltet sich das schon auch wieder etwas schwieriger. Da müßte zu diesem Zwecke dann schon wieder – explizit – abgezählt werden. Bei den Zahlen des "alltäglichen Bedarfs" sieht man das dagegen sofort. Zumindest innerhalb des dreistelligen Bereiches kann man sagen, daß man die Stellenzahl "unmittelbar" auch sieht.
Man kann dabei allenfalls von einem impliziten Abzählen reden. Und falls doch – implizit oder explizit – abgezählt werden sollte, dann geschieht das auf jeden Fall in der Reihenfolge der natürlichen Zahlen. Auch die Positionen innerhalb einer Zeichenfolge werden nach diesen natürlichen Zahlen benannt bzw. werden in der Reihenfolge dieser Zahlen abgezählt. Als Ganzes steht jede natürliche Zahl auch für die Position, die sie in der Reihenfolge aller dieser Zahlen einnimmt. Eine andere Bezeichnungsweise haben wir für das Positionengefüge in jeder Reihenfolge auch nicht. Wir kommen mit den natürlichen Zahlen – praktisch – sicherlich auch nie in die Verlegenheit, keine Position innerhalb einer Reihenfolge mehr bezeichnen zu können, einfach weil das Positionengefüge einer Reihenfolge die diesbezüglichen Möglichkeiten der natürlichen Zahlen überschreiten würde. Position für Position "durchgegangen" werden wir in den natürlichen Zahlen "treue" und zuverlässige Begleiter finden. Anders sieht es aus, wenn wir die natürlichen Zahlen eine unendliche Positionenfolge abzählen bzw. durchnumerieren lassen wollte. Dann würden die natürlichen Zahlen nicht ausreichen. Unabhängig davon ist jede Position in einer Reihenfolge als eine ganz bestimmte Position immer auch eine endliche Position. Es gibt keine – abschließende – unendliche Position in einer Reihenfolge. Es gibt aber natürlich unendliche Zeichenfolgen.
Jede irrationale Zahl bzw. das, was als eine solche Zahl angesehen wird, besteht in ihrer Bruchkomponente aus einer solchen Zeichenfolge, wie ja auch ein Teil der rationalen Zahlen in b-al-Bruchdarstellung so aussieht. Die Bruchkomponente unendlicher Brüche besteht aus einer unendlichen Zeichenfolge. So eine Zeichenfolge steht damit für sich genommen auch nicht mehr für eine natürliche Zahl. Im Unendlichen wird bei solchen Brüchen das System natürlicher Zahlen verlassen. Die Ergänzung Zeichen für Zeichen wird nie zu einer unendlichen Zeichenfolge führen können, wenn dabei auch immer nur Zeichen für Zeichen gesetzt wird. Das hieße nämlich auch, daß man dabei auch dem Zeitablauf verhaftet bliebe. Ein konsequentes Setzen Zeichen für Zeichen läßt sich nur im Zeitablauf denken. Es ist allein Zeit, die uns die einzelnen Ergänzungen um jeweils ein Zeichen voneinander getrennt denken läßt. Man kann sich die Zeichen einer Zeichenfolge entweder auf einmal, also in einem Augenblick, oder im zeitlichen Nacheinander gesetzt denken.
IV. – Vorstellen könnte man sich auch eine imaginäre Zeit, die immer andauert, genauso wie in der Mathematik auch mit unendlichen Räumen gearbeitet wird, auch wenn der reale physikalische Raum mitnichten ein unendlicher Raum ist bzw. sein muß. Das ist eher fraglich bzw. es ist sicher ausgeschlossen. Materielles ist notwendig – nur – Endliches. Nun fallen Raum und Zeit nicht unter materielle Größen im engeren Sinne. Materielles ist allerdings nicht ohne die Raum-Zeit-Ordnung denkbar. Aber auch die Umkehrung dieses Satzes gilt: Raum und Zeit – bzw. Raum-Zeit – können ohne Materielles nicht gedacht werden. Es gibt keine leere Zeit, es gibt aber auch keinen leeren Raum. Zur Zeit gehört Veränderung, und zu Veränderung gehört sich Veränderndes. Die Zeit ist sich nicht selbst auch Veränderndes. Die Zeit ist ein – ist das – Maß für Veränderung. Sie ist sich nicht selbst auch Gegenstand von Veränderung. Zeit verändert sich nicht – selbst. Zeit bleibt sich selbst immer gleich. Zeit ist periodische Bewegung, und periodische Bewegung ist materiegebundene Bewegung. Ohne periodische Bewegung keine Zeit, und wo Zeit, da periodische Bewegung. Nichtsdestoweniger könnte man sich eine imaginäre Zeit denken, in der endlos – von wem bzw. wie auch immer – Zeichen an Zeichen gereiht würde. Es bleibt aber auch dann noch bei – einem – Zeitindex für das ganze Verfahren.
Also, solange das Verfahren läuft, haben wir es nur mit einer sich – ständig – weiter ausdehnenden Zeichenfolge zu tun. Zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens liegt dann immer – nur – eine endliche Zeichenfolge vor. Zu einer unendlichen Zeichenfolge kann es nur "am Ende" des Verfahrens kommen. Und dieses Ende stellt sich nicht Zeichen für Zeichen ein. Zeichen für Zeichen befinden wir uns immer im laufenden Verfahren. Und das heißt: An das Ende des ganzen Verfahrens kommen wir nur, wenn wir dieses Verfahren auf einmal auch beenden, will heißen, wenn wir uns das ganze Verfahren auch auf einmal als beendet gedacht denken. Auch wenn wir die Zeit haben bzw. auch wenn die Zeit da ist, die wir benötigten, um mit der Produktion unserer Zeichenfolge immer auch fortfahren zu können, solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen ist, finden wir auch zu keiner unendlichen Zeichenfolge. Zeichen für Zeichen läßt sich das Verfahren aber nicht zum Abschluß bringen. Also muß dieser Abschluß per Dekret als auf einmal herbeigeführt gedacht werden. Natürlich werden auch dann – immer nur – Zeichen für Zeichen gesetzt.
Am Verfahren selbst verändert sich dadurch nichts. Es werden alle diese Zeichen dann gleichwohl aber als auf einmal gesetzt gedacht. Formal könnte man darin einen – unüberbrückbaren – Widerspruch sehen. Unsere Vorstellung sagt gleichwohl ja zu diesem Procedere. Wir haben damit kein Problem, uns beides vereint zu denken, das Verfahren Schritt für Schritt auf der einen Seite, und der Abschluß auf einmal auf der anderen Seite. Es geht dann alles einfach blitzschnell. Es ist dies ein Phänomen, das uns auch in vielerlei alltäglichen Dingen begegnet, daß sich manches eben sehr schnell abspielt, so schnell, daß man meinen könnte, es hätte sich alles augenblicklich abgespielt, auch wenn sich das ganze in einer Reiche von Schritten vollzogen haben muß. Im Idealfall vollzieht sich das alles – eben – in einem Augenblick. Das muß dann deswegen nicht auch gleichzeitig geschehen. Unser Denken hat damit kein Problem, beides miteinander zu vereinbaren, auch wenn wir wissen, daß das in der – realen – physikalischen Praxis so niemals würde geschehen können.
Idealisierungen sind unserem Denken grundsätzlich auch nicht fremd. Die ganze Mathematik stellt schließlich so eine Idealisierung – insbesondere was deren Raumverständnis anbelangt – dar. Der mathematische Raum ist ein in Punkte aufgelöster Raum. Der mathematische Punkt ist eine Fiktion. Es handelt sich dabei um ausdehnungslose Größen, die es so in der – materiellen – Realität natürlich nicht gibt. Gleichwohl tun wir auch in unserem – nicht unbedingt auch als mathematisch gedachtem – Denken so, als ob sich das mit dem Raum und seiner Auflösung in kleinste Teile auch so verhält. Wir denken da durchaus schon auch in diesen – idealisierten – Grenzwerten. Also, das mit der zugleich sukzessiven wie simultanen Setzung unendlich vieler Zeichen auf einmal, das geht durchaus mit unserem Vorstellungsvermögen konform. Das können wir uns denken.
V. – Unendliches hat immer eine prozessuale, und es hat immer auch eine finale Komponente. Zur Produktion einer unendlichen Zeichenfolge genügt es nicht, daß immer nur Zeichen an Zeichen gereiht würde. Man benötigt dann schon auch den Abschluß, auch wenn das Verfahren als solches einen Abschluß ausschließt. Das mit der Ergänzung Zeichen für Zeichen darf zu keinem Ende kommen, soll es auch zu Unendlichem kommen können. Andererseits benötigen wir dieses Ende schon auch, damit wir nicht auch bei Endlichem stehenbleiben. Im Prozeß des Ergänzens Zeichen für Zeichen bewegen wir uns im Bereich von Endlichem. Deswegen kommen wir auf diese Weise auch nie an Unendliches heran. Es bedarf dann dieses einen Schrittes, in dem nicht einfach nur ein einziges Zeichen und nicht einfach auch nur endlich viele Zeichen sondern unendlich viele Zeichen auf einmal gesetzt werden. Über die Anzahl der zu setzenden Zeichen brauchen wir uns auch keine Gedanken zu machen. Es sind auf jeden Fall mehr als endlich viele.
Wir brauchen uns einfach nur das ganze Verfahren abschließend vollzogen zu denken. Auch das läßt sich mit unserer Vorstellung bzw. mit unserem Denken vereinbaren, auch wenn das Verfahren ein offenes Verfahren bzw. ein Verfahren ohne definitives Ende ist. Nicht nur also, daß wir uns mehrere Zeichen – in Reihenfolge – auf einmal gesetzt denken können; wir können uns auch einen Abschluß dort vorstellen, wo an sich kein Abschluß sein kann. Auch mit dieser Vorstellung haben wir keine Probleme. Nur unter dieser Voraussetzung auch ist an die Existenz unendlicher Zeichenfolgen zu denken. Prozessual, und d. h. Zeichen für Zeichen kommen wir – wie gesagt – an eine unendliche Zeichenfolge nie heran. Und wie gesagt: Um die Anzahl gesetzter bzw. zu setzender Zeichen in einem Verfahren, das sich einem Setzen Zeichen für Zeichen verpflichtet weiß, brauchen wir uns keine Gedanken zu machen, wenn es darum geht, dieses Verfahren per Dekret auf einmal als abschließend vollzogen zu denken.
Es kann sich dann auf keinen Fall um eine – nur – endliche Zeichenfolge handeln. Und es kann sich dann auch um keine Zeichenfolge handeln, die sich noch im Aufbau befinden würde. Das kann nicht sein, wenn das Verfahren zum Abschluß gebracht worden ist. Also bleibt als Abschuß nur noch eine unendliche Zeichenfolge übrig. Das ist im übrigen auch Voraussetzung dafür, daß es irrationale Zahlen geben kann. Alle irrationalen Zahlen sind von einer unendlichen Bruchkomponente, und zwar einer nicht-periodisch unendlichen Bruchkomponente. Damit stellt sich bei irrationalen Zahlen das Abschlußgeschehen als eine kompaktere Angelegenheit dar als bei rationalen Zahlen mit periodisch-unendlicher Bruchkomponente. Für solche Zahlen haben wir immerhin noch eine reguläre Darstellung als .Nichtsdestoweniger stellt auch die Darstellung als 0,3333... : = 0, eine legitime Darstellung von – in diesem Fall – dar.
Da könnte man, was die Abgeschlossenheit einer solchen Entwicklung anbelangt, schon seine – größeren – Bedenken haben. Bei solchen Entwicklungen ist einfach das Moment der ständigen Wiederholung einfach sehr viel stärker präsent als bei Folgen, bei denen immer auch für Abwechslung gesorgt ist. Es macht irgendwie schon einen Unterschied, ob etwas immer nur zur Wiederholung kommt, oder immer auch für Abwechslung gesorgt ist, und d. h., ob etwas Neues hinzukommt oder nicht. Da könnte man schon unterscheiden. Einmal mehr ist dazu aber zu sagen, daß unser Denken auch bei der monotonen sozusagen Variante kein Problem hat, sich das alles dann auch als abgeschlossen zu denken, und zwar unabhängig davon als abgeschlossen zu denken, daß wir für Periodisch-Unendliches immer auch die endliche Darstellung als Bruch haben. Wir denken uns so etwas durchaus auch als abgeschlossen. Andernfalls ließe sich damit auch keine Zahl verbinden.
Mathematische Verfahren sind immer auch abgeschlossene Verfahren. Es sind das alles auch zeitlose Verfahren. Da wird materiell nichts bewegt. Da spielt sich alles dann gewissermaßen nur in unserem Denken ab. Ein Verfahren mit Zeitindex ließe sich nie so behandeln. In mathematischen Dingen wird nun allerdings materiell nichts bewegt, und so bleibt es uns unbenommen, ein Verfahren das in der physikalischen Realität nie zu Ende gebracht werden könnte, uns in der idealen mathematischen Welt als beendet zu denken. Es gibt dann auch kein vernünftiges Kriterium, das uns sagen ließe, wo so ein Verfahren abzubrechen oder sonstwie zu unterbrechen wäre. Entweder man begibt sich in die – materielle – Rekonstruktion bzw. Umsetzung so eines Verfahrens oder man macht sich nicht erst die Mühe und erklärt das ganze Verfahren gleich für abgeschlossen, auch wir dann – materiell – nichts in Händen haben. Das müssen wir auch nicht. Es genügt, wenn wir dafür ein Symbol haben. So genügt ein kleiner Strich über der 3 in um anzudeuten, daß wir uns diese 3 unendlich oft angeschrieben zu denken hätten. Auch das Wurzelzeichen ist geeignet, Unendliches – indirekt – anzuzeigen, wobei der Nachweis der Unendlichkeit von etwa im einzelnen immer auch erst zu führen wäre. Dem Wurzelausdruck als solchem sieht man das nicht an, genauso wie man auch nicht a priori gewissermaßen dessen unendliche Bruchentwicklung ansieht, auch wenn sich das in diesem einfachen und elementaren Fall dann natürlich sofort auch herausstellt.
Natürlich kann keine unendliche Bruchentwicklung jemals auch vollständig zur Darstellung gebracht werden. Gleichwohl steht die Existenz solcher Bruchentwicklungen außer Frage. Wir können jeden solchen Bruch entwickeln, solange wir wollen. Uns sind diesbezüglich keine Grenzen gesetzt. Und bei nicht-periodisch unendlichen Brüchen wie etwa ist auch sichergestellt, daß es dabei auch niemals zu einer periodischen Entwicklung kommt. Der Nachweis dafür läßt sich allerdings auch – wieder – nur indirekt führen. So eine Nicht-Periodizität läßt sich eben nicht am fertigen Produkt ablesen. Wüßte man nicht, daß so eine Bruchentwicklung nicht-periodisch sein muß, dann könnte man an der Existenz einer solchen Entwicklung berechtigte Zweifel haben. Das ist schon eine andere Qualität von Entwicklung als wir sie bei periodischen Brüchen haben.
Man kann eine solche Entwicklung nicht so wie bei periodischen Brüchen einfach sich selbst überlassen, wie sich aus einem periodisch-unendlichen Bruch auch nicht einfach ein nicht-periodischer unendlicher Bruch formen läßt. Es genügt dazu nicht, einfach nur an einer Stelle verändernd einzuwirken. Die Frage der Periodizität eines Bruches entscheidet sich grundsätzlich im Unendlichen so eines Bruches. Alles, was sich an Veränderungen eines nicht-periodisch unendlichen Bruches definieren läßt, sind reguläre Veränderungen und beziehen sich als solche nur auf Endliches innerhalb einer Bruchentwicklung. Soweit davon die – ganze – Unendlichkeit eines Bruches einbezogen wäre, könnte das auch wieder nur auf – reguläre – periodische Weise. So oder so entscheidet sich die Frage der Periodizität eines Bruches grundsätzlich im Unendlichen so eines Bruches. Nicht-periodisch Unendliches läßt sich in keine Regel fassen. Es ist so gesehen irregulär. Es gibt kein Regelwerk für die Entwicklung eines nicht-periodisch unendlichen Bruches.