3.3.5 Die Konvergenz von Cauchy-Folgen in der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen

 

   I. – Daß eine Folge Cauchy-Folge ist, das läßt sich – im Gegensatz zum Nachweis der Stetigkeit bzw. Unstetigkeit von Funktionen nur vermittels der allgemeinen  Definition solcher Folgen feststellen. Diese Feststellung kann natürlich nur anhand eines exemplarisch herausgegriffenen und in seinem Zahlenwert damit völlig unbestimmt gelassenen  erfolgen. Man kann das nicht für jedes einzelne  getrennt festgestellt haben wollen. Es muß dann vielmehr möglich sein, eine von dem vorgegebenen  abhängigen Mindestindex dergestalt zu bestimmen, daß die Differenzen beliebiger Folgenglieder dem Betrage nach kleiner als dieses vorgegebenen  sind, sofern diese Folgenglieder von einem größeren Index als dieser eine Mindestindex sind.

   Folgen sind Abbildungen in der einen unabhängigen Variablen n. Damit sind Folgen in natürlicher Weise auch "offen" für Abschätzungen in Abhängigkeit von näher spezifizierten natürlichen Zahlen. In bestimmten Fällen läßt sich dann sagen, wie groß bzw. wie klein ein Folgenglied mindestens ist, sofern der Folgenindex von einer bestimmten Mindestgröße ist. Von den natürlichen Zahlen weiß man, daß es sich dabei um eine in Reihenfolge geordnete unendliche Menge handelt. Es gibt in dieser Reihenfolge keine letzte, und d. h. es gibt darin auch keine größte natürliche Zahl, wenn die Größe natürlicher Zahlen nach der Position bemessen wird, die sie in der Reihenfolge dieser Zahlen einnehmen. Durch die ihnen natürliche Reihenfolge ist auf der Menge der natürlichen Zahlen auch eine lineare Ordnung definiert.

    Die Unendlichkeit der Menge der natürlichen Zahlen findet dann einfach darin seien Ausdruck, daß es zu jeder natürlichen Zahl eine andere natürliche Zahl gibt, die größer ist als diese eine natürliche Zahl. Um das sagen zu können, bedarf es keines Axioms; es folgt dies einfach aus dem Verfahren zur Darstellung bzw. Produktion der Menge der natürlichen Zahlen. In der Menge der natürlichen Zahlen gilt insofern per Konstruktion das Axiom des Archimedes. Das bleibt auch so, nachdem die Menge der natürlichen Zahlen in natürlicher Weise als Teilmenge der reellen Zahlen aufgefaßt wird. Man kann diese Eigenschaft natürlicher Zahlen dann nur nicht in gleicher Weise auch auf die ganze Menge der reellen Zahlen ausdehnen, und d.h. man kann nicht einfach davon ausgehen, daß es zu jeder reellen Zahlen x eine natürliche Zahle n mit  gibt.

   Sofern die Vollständigkeit der reellen Zahlen nicht etwa über die Supremumseigenschaft nach oben beschränkter Menge reeller Zahlen sondern – beispielsweise – über die allgemeine Konvergenz von Cauchy-Folgen in  definiert ist. muß diese Eigenschaft reeller Zahlen in ihrer Beziehung zu der Teilmenge natürlicher Zahlen als Axiom – als Axiom des Archimedes – geführt werden. Man kann dann von der Menge der natürlichen Zahlen als eine in  nach oben nicht beschränkten Menge reden. Des weiteren lassen sich aus diesem Axiom – wie wir wissen – sofort zwei Folgerungen ziehen. Zum einen läßt sich daraus schließen, daß es zu zwei reellen Zahlen x,y mit x > 0 ein  mit nx > y gibt; und zum anderen läßt sich diesem Axiom entnehmen, daß zu jeder reellen Zahl  ein  mit  existiert. Es sind diese Folgerungen, auf die alles an Abschätzungen zum Nachweis dafür, daß eine Folge eine Cauchy-Folge ist, zurückzuführen ist.  Im übrigen auch folgt – wie gesehen – aus diesem Axiom des Archimedes auch, daß die Menge der rationalen Zahlen dicht in der Menge der reellen Zahlen liegt.

   Bei den  in der Definition von Cauchy-Folgen ist insbesondere an ganz kleine, und d. h. an beliebig kleine  gedacht. Die Idee, die hinter dieser Definition steht, ist natürlich die, daß die Differenzen von Folgengliedern beliebig klein werden, falls auch die Indizes der Folgenglieder nur genügend hoch gegriffen sind. Man braucht deswegen große  aus der Definition nicht auszunehmen. Werden von den Differenzen der Glieder einer Folge  beliebig kleine  unterboten, sofern der Folgenindex nur genügend groß gewählt wird, so trifft das in gleicher Weise auch für beliebig große  zu. Im übrigen wird beim Nachweis der Eigenschaft einer Folge, Cauchy-Folge zu sein, ohnehin nicht mit konkreten Zahlenwerten gerechnet. Es kommt dabei nur darauf an, daß jedes beliebig vorgegebene  von den Differenzen der Glieder einer Folge unterboten wird, sofern die Folgenglieder von einem bestimmten Mindestindex sind. Nachdem es unter allen  kein kleinstes  gibt, an dem stellvertretend für alle anderen – größeren –  die Cauchy-Folgen-Eigenschaft demonstriert werden könnte, kann man sich beim Nachweis dieser Eigenschaft notwendig auch nur an allgemeine  halten. Von einem Zahlenwert für das als gegeben vorausgesetzte allgemeine  wird dann zwangsläufig abstrahiert. Nur auf diese Weise kann dann an einem exemplarisch in seiner ganzen Unbestimmtheit herausgegriffenen   gezeigt werden, daß eine Folge auch eine Cauchy-Folge ist, und d. h. daß das, was an einem solchermaßen beispielhaft gewählten und insoweit auch völlig unbestimmt gelassenen  nachgewiesen wurde, auch für jedes konkrete, und d. h. mit einem bestimmten Zahlenwert besetzte  gilt.       

    Es kommt also beim Nachweis dafür, daß eine Folge eine Cauchy-Folge ist, nicht auf konkrete Zahlenwerte an. Die Frage ist: Müssen diese  konkret immer auch mit einem konkreten Zahlenwert beziffert sein können, damit die Voraussetzungen dafür vorliegen, daß eine Folge auch als Cauchy-Folge nachgewiesen werden kann? Genügt dafür nicht auch eine "bloße" lineare Ordnung in der Menge, der wir unsere Folgen entnehmen? Bei einer bloß(en) linearen Ordnung können die einzelnen Elemente nicht mehr über ihren Zahlenwert identifiziert werden. In so eine Ordnung eingeordnet werden können die einzelnen Elemente nur über einen Vergleich mit anderen Elementen der Menge. Von zwei Elementen einer solchen Menge läßt sich – im direkten Vergleich – immer sagen, welches der beiden Elemente das kleinere bzw. das größere Element ist. Nachdem auch in der allgemeinen – klassischen – Definition von Cauchy-Folgen ohnehin nicht mit konkreten Zahlenwerten gearbeitet wird, sollte einer so verstandenen Verallgemeinerung der Definition von Cauchy-Folgen in diesem Punkt zumindest nichts im Wege stehen. Wie sieht es diesbezüglich mit der Feststellung des Mindestindexes aus, ab dem die Differenzen beliebiger Folgenglieder dem Betrage nach ein vorgegebenes  unterbieten sollen?

    Nachdem die Bestimmung dieses Mindestindexes im allgemeinen in Abhängigkeit von dem vorgegebenen allgemeinen  erfolgt, kann dieser Mindestindex genauso wenig wie das vorgegebene  seinem Zahlenwert nach bestimmt sein. Dieser Mindestindex ist im allgemeinen beschrieben als eine Funktion des vorzugebenden . Sobald ein  konkretisiert ist, kann daraus sofort auch der diesem  korrespondierende Mindestindex berechnet werden. Im allgemeinen wird dazu in Abhängigkeit von dem vorgegebenen  eine untere Schranke für diesen Mindestindex angegeben. Die Frage ist, inwieweit sich das alles unabhängig von der allgemeinen Vorstellung der Identifizierung einer jeden Zahl mit einem ganz bestimmten Zahlenwert realisieren läßt. Ist es – anders gefragt – möglich, so etwas auch auf einer reinen Vergleichsebene abzuwickeln? Cauchy-Folgen im klassischen Sinn sind nur in angeordneten Körpern mit einer Norm definiert.

  

    II. – Allgemein versteht man unter einer Norm in einem Vektorraum eine reellwertige Funktion mit bestimmten Eigenschaften. Normen ordnen den Punkten ihres Definitionsbereiches also reelle Zahlen zu. Wenn es um eine Konstruktion der reellen Zahlen geht, kann infolge dessen nicht auch mit Normen gearbeitet werden. Die Definition von Normen setzt die Existenz der reellen Zahlen bereits voraus. In einem Verfahren, das der Begründung der reellen Zahlen dient, ist keine Definition von Cauchy-Folgen im klassischen Sinne möglich. Man hat dafür einfach keine Beträge für Differenzen, und man hat auch keine , zu denen man diese Beträge in Beziehung setzen könnte. Man hat diese , und man hat auch diese Beträge; es sind diese  bzw. diese Beträge nur nicht schon auch als reelle Zahlen identifiziert. Der Restklassenkörper der Menge rationaler Cauchy-Folgen modulo rationaler Nullfolgen ist schließlich auch als Modell des Körpers der reellen Zahlen gedacht. Dazu müssen in diesem Körper aber auch alle Cauchy-Folgen konvergieren. Wie soll man so etwas aber überprüfen, wenn uns dafür der – klassische – Begriff der Cauchy-Folge nicht zur Verfügung steht, einfach deswegen, weil dieser Begriff nur  mit Hilfe der reellen Zahlen definiert werden kann?

    Die  in der Definition reeller Cauchy-Folgen sind reelle . Von den Beträgen der Differenzen der Glieder einer reellen Folge gilt das sowieso. Man könnte sich in der Definition reellen Cauchy-Folgen – genauso wie bei der Definition der Konvergenz reeller Folgen auf rationale  beschränken. Das war schließlich auch die Idee, die hinter dem Projekt "Konstruktion der reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen" steht. Man braucht zur Definition rationaler Cauchy-Folgen bzw. rationaler Null-Folgen keine reellen Zahlen, ohne daß sich am Konvergenzverhalten solcher Folgen etwas ändern würde, sobald diese nicht mehr als rationale sondern – allgemeiner – als reelle Folgen aufgefaßt werden. Eine rationale Folge, die in der Menge der rationalen Zahlen konvergiert, konvergiert – gegen den gleichen Grenzwert – auch in der Menge der reellen Zahlen.

    Das könnte man sich auch anders vorstellen. So wissen wir aus der Topologie, daß die Frage der Konvergenz von Folgen immer auch eine Frage der Topologie ist, mit der die Menge, aus der diese Folgen entnommen sind, ausgestattet ist. Trägt eine Menge die Potenzmengen-Topologie, so konvergieren in ihr nur diejenigen Folgen, die ab einem bestimmten  konstant sind. Besteht die Topologie einer Menge nur aus dieser Menge selbst sowie der leeren Menge, so konvergiert in dieser Menge jede Folge aus dieser Menge gegen jeden Punkt dieser Menge. Das folgt alles einfach aus der allgemeinen Definition der Konvergenz von Folgen in topologischen Räumen. Die Topologie, mit der man es in der – reellen – Analysis allein zu tun hat, ist die Topologie der offenen Intervalle reeller Zahlen. In dieser Topologie konvergieren Folgen – wenn sie denn konvergieren – gegen einen eindeutig bestimmten Grenzwert.

    Das haben wir so auch innerhalb der Menge der rationalen Zahlen. Auch rationale Folgen können nur gegen einen ganz bestimmten Grenzwert konvergieren. Die Topologie, auf die in der Menge der rationalen Zahlen dabei zurückgegriffen wird, ist die in dieser Menge von der Topologie offener Intervalle in der Menge der reellen Zahlen induzierte Topologie. Das ist ein gängiges Konstruktionsverfahren. Die Topologie auf einer Menge läßt sich in natürlicher Weise zu einer Topologie auf jeder ihrer Teilmengen "einschränken". Die – offenen – Mengen der Topologie auf dieser Teilmenge bestehen dann einfach aus den Durchschnitten aller Mengen der – auf der gegebenen Menge – gegebenen Topologie mit dieser einen Teilmenge der gegebenen Menge. So ein System von Durchschnitten erfüllt dann alle Eigenschaften einer Topologie.

    Welche Topologie der Körper der reellen Zahlen tragen kann bzw. tragen soll, interessiert in Fragen der Konstruktion dieses Körpers nicht. Man muß allerdings auch sehen, daß das Vollständigkeitsaxiom, und d. h. dasjenige Axiom, das uns von den rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen führt, seiner Natur nach ein topologisches Axiom ist. Es geht dabei um den Zusammenhang der reellen Zahlen, und die Kategorie des Zusammenhangs ist eine genuin topologische Kategorie. Es gibt dazu auch eine gut entwickelte Theorie. Definitionsgemäß heißt ein topologischer Raum (X,P) ein zusammenhängender Raum, wenn sich X nicht als Vereinigung zweier durchschnittsleerer Elemente  darstellen läßt. Diejenige Formulierung des Vollständigkeitsaxioms, die den Zusammenhang mit der topologischen Kategorie "Zusammenhang" noch am deutlichsten sichtbar werden läßt, ist die Formulierung als Dedekindsches Schnittaxiom in einer – genauer noch – Formulierung, die sich in der "Realisierung" dieses Axioms die Perspektive der – bereits begründeten – reellen – Zahlen zu eigen macht.

    Es ist dies eine Perspektive, die sich jede im engeren Sinne axiomatische Begründung der reellen Zahlen zu eigen macht. Auch in der Formulierung von den reellen Cauchy-Folgen, die allesamt in  konvergieren, wird – implizite – die Existenz der reellen Zahlen bereits als gegeben vorausgesetzt. Wie könnte anders auch von reellen Cauchy-Folgen die Rede sein. Nichtsdestoweniger ist es dieses Axiom, das – in der einen oder anderen Formulierung – die "Realität" der Menge der reellen Zahlen begründet. Die reellen Zahlen gibt es nur mit Vollständigkeitsaxiom. Es gibt sie nur nicht auch in Form und Gestalt eines Verfahrens der Vervollständigung der rationalen Zahlen. Die reellen Zahlen lassen sich nicht in der Weise konstruieren, daß gesagt würde, was mit einem bereits gegebenen (Zahlen-)material zu tun wäre, damit daraus die Menge der reellen Zahlen hervorgehen könne. Die Situation ist vielmehr die, daß man die reellen Zahlen nur als gegeben ansehen kann, nachdem man sie sich zuvor hat (ge-)geben (sein) lassen.

    Da muß also schon etwas vorliegen, etwas, von dem man glaubt, daß man sich ihm mathematisch nicht nähern könne. Die Menge der reellen Zahlen ist in deren vormathematischen Verständnis einfach die Menge aller b-al-Brüche. In dieser (Form von) Darstellung wird mit diesen Zahlen auch umgegangen, und d. h. gerechnet. Das in Philosophie und Mathematik gepflegte Verhalten und Verständnis in Begründungsfragen wäre – allenfalls – dann in Ordnung, wenn es denn auch gelänge, das, was man zunächst einfach als gegeben vorausgesetzt hat, in seiner ungeschmälerten – nicht zuletzt auch praktischen – Realität ein- bzw. zurückzuholen. Das aber leistet dieses Verhalten bzw. dieses Verständnis gerade nicht.

  

    III. – Die Unmöglichkeit einer Konstruktion – in der engeren Bedeutung dieses Begriffes Konstruktion – der Menge der reellen Zahlen setzt auch den Möglichkeiten eines – formal-mathematischen – Existenzbeweises dieser Zahlen enge Grenzen. Es darf in einem solchen Beweis einfach nichts Verwendung finden, was nur Verwendung finden kann, wenn – implizite zumindest – die reellen Zahlen als gegeben vorausgesetzt werden. Das gilt beispielsweise auch für den Begriff der Cauchy-Folge, der von einer Norm auf der Menge, aus der Folgen entnommen sind, ausgeht, und damit nur in Abhängigkeit von den reellen Zahlen definiert werden kann. In einem angeordneten Körper läßt sich diese Abhängigkeit – formal – durch eben diese Anordnung umgehen, vorausgesetzt, in diesem Körper sind auch die natürlichen Zahlen als Teilmenge enthalten. Eo ipso enthält dieser Körper damit auch den Körper der rationalen Zahlen als Teilmenge. Das setzen wir so aber auch von den reellen Zahlen voraus. Im übrigen aber ist dies eine Voraussetzung, die – a priori gewissermaßen – durch Identifizierung der natürlichen mit der reellen Eins als gegeben angesehen werden kann. Natürlich müßten, um diese Identifizierung so auch vornehmen zu können, die reellen Zahlen ihrerseits bereits wieder als gegeben vorausgesetzt werden.

    Im Modell kann die Menge der reellen Zahlen somit nur auf der Menge der rationalen Zahlen aufbauen. Entsprechend wären auch Existenzbeweise für diese Menge der reellen Zahlen zu führen. Es müßte dann einfach versucht werden, die reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen heraus zu "entwickeln". Natürlich wird man sich dabei auch von dem leiten lassen, was uns von den – nicht-rationalen – reellen Zahlen, und d. h. was uns von den irrationalen Zahlen bekannt ist. So ist unser ausführlich diskutiertes Modell der reellen Zahlen von der Eigenschaft dieser Zahlen bestimmt, daß in ihr die Menge der rationalen Zahlen dicht liegt. Daraus wiederum leitet sich ab, daß jede reelle Zahl als Limes einer Folge rationaler Zahlen darstellbar ist. Das bedeutet natürlich nicht, daß jede Folge rationaler Zahlen auch gegen eine rationale Zahl konvergieren würde. Das trifft so natürlich nicht zu. Unter den in  divergenten Folgen kann allenfalls von Cauchy-Folgen erwartet werden, daß sie in einer Erweiterung des Körpers der rationalen Zahlen dann auch konvergieren.

    Erweiterungsmengen verfügen einfach über das größere "Auflösungsvermögen". Dieses größere Auflösungsvermögen kann allerdings auch nur bei Folgen zum Tragen kommen, denen an diesem Vermögen gelegen ist bzw. die dieses Vermögen auch auszuschöpfen wissen, und das wissen eben – nur – Cauchy-Folgen. Nur solchen Folgen kann eine Erweiterung der Menge der rationalen Zahlen auch zur Konvergenz verhelfen. Man kann dieses Konvergenzproblem dann aber auch nur einheitlich für alle rationalen Cauchy-Folgen geregelt haben wollen. Es kann dann nur so sein, daß in der Erweiterungsmenge auch alle rationalen Cauchy-Folgen konvergieren. Für folgenspezifische Differenzierungen ist in allgemeinen Begründungen von (Zahlbereichs-)erweiterungen auch kein Platz. In einer axiomatischen Begründung der reellen Zahlen wird das einfach per Axiom so festgesetzt: " In  konvergieren alle Cauchy-Folgen".

   In der Konstruktion eines Modells der reellen Zahlen, so wie es Aufgabe eines –  im Rahmen einer axiomatischen Begründung der reellen Zahlen auch obligatorischen – Existenzbeweises dieser Zahlen ist, muß dagegen der Nachweis der Konvergenz von Cauchy-Folgen in diesem konstruierten Model eigens auch geführt werden. Auf unser Modell bezogen ist diesbezüglich zu zeigen, daß eine Cauchy-Folge aus rationalen Cauchy-Folgen in dieser Menge rationaler Cauchy-Folgen auch konvergiert. Die allgemeine Konvergenz rationaler Cauchy-Folgen läßt sich nur per Axiom postulieren. Läßt sich dieses Axiom nur dadurch umgehen, daß man dieses Problem nicht mehr in der Menge der rationalen selbst sondern – eine Stufe höher gewissermaßen – in der Menge rationaler Cauchy-Folgen stellt?

    Die Differenzen der Glieder eine Cauchy-Folge von rationalen Cauchy-Folgen sind ihrerseits auch rationale Cauchy-Folgen. Damit eine solche Folge von rationalen Cauchy-Folgen ihrerseits Cauchy-Folge in dieser Menge rationaler Cauchy-Folgen ist, müssen alle diese Differenzen – sofern sie aus Gliedern mit genügend hohem Folgenindex gebildet sind, vor jeder beliebig vorgegebenen Cauchy-Folge in der linearen Ordnung aller dieser Folgen liegen. Bei unendlichen Mengen läßt sich so etwas nur aufgrund allgemeiner Abschätzungen anhand der allgemeinen Abbildungsvorschrift einer Folge feststellen. Diese Abschätzungen müssen uns mit einer natürlichen Zahl dergestalt dienen, daß alle Differenzen von Folgengliedern mit einem höheren Folgenindex als diese eine natürliche Zahl dem Betrage nach kleiner als die vorgegebene positive rationale Cauchy-Folge sind. Man kann das mit der Feststellung dieser natürlichen Zahl nicht einfach nur auf einer reinen Vergleichsbasis abwickeln wollen.

    Es gibt keine unendliche Vergleichsreihe, die gleiches zu leisten imstande wäre als die Menge der natürlichen Zahlen zu leisten vermag. Die natürlichen Zahlen genauso wie die rationalen Zahlen dürfen in unserem Modell zur Konstruktion der reellen Zahlen aber auch als bekannt vorausgesetzt werden. Sie sind in diesem Modell in natürlicher Weise als Teilmenge enthalten.

Wir haben in angeordneten Körpern „im übertragenen Sinne“ aber immer auch die Möglichkeit, Cauchy-Folgen „ intrinsic“ in der Weise zu definieren, daß die Funktion der reellen e-Werte aus der allgemeinen Definition von Cauchy-Folge von den Elementen dieses Körpers – und nicht von den Elementen des Körpers der reellen Zahlen – selbst auch übernommen wird. Im übrigen auch tun es in der klassischen Definition – wie gesehen – rationale e`s allein auch, und die rationalen Zahlen sind in natürlicher Weise Teilmenge unseres Restklassenkörpers. In ebenso natürlicher Weise können in diesem Körper Beträge definiert – wenn auch nicht beziffert – werden, so daß in diesem Körper – formal – alle Voraussetzungen für eine Definition von Cauchy-Folgen rein „intrinsic“ vorliegen.

Wie aber sieht es mit dem möglichen Nachweis der Konvergenz solcher Folgen aus? Der Nachweis der Vollständigkeit unseres Restklassenkörpers besteht gerade in dem Nachweis, daß neben seiner Archimedischen Ordnung auch alle Cauchy-Folgen dieses Körpers konvergieren. In einem Verfahren, das der Konstruktion der Menge der reellen Zahlen dienen soll, kann dieser Nachweis nur so geführt werden, daß man für alle Cauchy-Folgen in diesem Körper auch mit einem Grenzwert dienen kann. Dieser Grenzwert kann dann nicht einfach nur per Axiom postuliert werden.

Es müßte also der Nachweis dafür erbracht werden, daß jede Cauchy-Folge von rationalen Cauchy-Folgen eine rationale Cauchy-Folge zum Grenzwert hat. Wie kann man so etwas nachweisen? Was ändert sich gegenüber der Situation rationaler Cauchy-Folgen in der Menge rationaler Zahlen dadurch, daß man alle solche Cauchy-Folgen zu einer Menge zusammenfaßt und daraus Cauchy-Folgen entnimmt? Konvergieren solche Cauchy-Folgen deswegen, weil sie in allen ihren Folgengliedern ihrerseits aus Cauchy-Folgen bestehen, Cauchy-Folgen von denen man weiß, daß sie in der Menge, aus der ihre Folgenglieder entnommen sind, im allgemeinen nicht konvergieren?

Wir haben uns schon mit der – formalen – Möglichkeit eines Konvergenzbegriffes auf dieser Menge beschäftigt. Allgemein jedenfalls gilt, daß die Grenzwerte von Folgen nur den Elementen der Menge entnommen sein können, aus denen auch die betreffenden Folgen ihre Folgenglieder beziehen. Folgen rationaler Cauchy-Folgen in der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen können also auch nur rationale Cauchy-Folgen zum Grenzwert haben. Konvergieren solche Folgen allgemein aber auch? Die Menge rationaler Cauchy-Folgen enthält sowohl – in  –  konvergente als auch divergente Folgen. Cauchy-Folge ist eine Folge dann, wenn die Folgengliedern mit zunehmendem Folgenindex immer näher zusammenrücken. Dasselbe gilt für Cauchy-Folgen von Cauchy-Folgen, nur daß die Differenzen der Folgenglieder in diesem Fall selbst auch rationale Cauchy-Folgen sind.

Der im allgemeinen fehlenden Konvergenz solcher Folgen wegen kann man – a priori – auch nicht sagen, wie „groß“ so eine Folge ist. Wir können lediglich zwei solcher Folgen – der Größe nach – immer auch miteinander vergleichen. Das reicht nach unseren Überlegungen aber aus, um – formal – auch in der Menge rationaler Cauchy-Folgen von Cauchy-Folgen reden zu können. Reicht das aber auch aus, um sagen zu können, daß solche Cauchy-Folgen in der Menge rationaler Cauchy-Folgen immer auch konvergieren?

Offensichtlich nicht. Es reicht dies ebenso wenig aus, als die Eigenschaft rationaler Cauchy-Folgen Cauchy-Folge zu sein, ausreicht, in der Menge rationaler Zahlen zu konvergieren. Es würde dies nur dann ausreichen, wenn alle diese rationalen Cauchy-Folgen in  auch konvergente Folgen wären. Wir könnten dann jede rationale Cauchy-Folge in einer Cauchy-Folge solcher Cauchy-Folgen, und d.h. wir könnten jedes Folgenglied einer solchen Folge einfach durch den rationalen Grenzwert einer solchen Folge ersetzen. Als – voraussetzungsgemäß – konvergente Folge könnte jedes Folgenglied mit seinem Grenzwert identifiziert werden. Die ursprüngliche Cauchy-Folge von rationalen Cauchy-Folgen wäre so auf eine – voraussetzungsgemäß wiederum – konvergente Cauchy-Folge zurückgeführt.

Unter der genannten Voraussetzung würde sich das ganze Verfahren aber auch erübrigen, sollte dieses Verfahren doch dazu dienen, in  nicht konvergente rationale Cauchy-Folgen in einer Erweiterungsmenge zu konvergenten Folgen werden zu lassen. Irrationale Zahlen sollen dabei ihre Darstellung als in  divergente rationale Cauchy-Folgen finden. Nachdem die Voraussetzung von der Konvergenz aller rationalen Cauchy-Folgen in  eine unzulässige, weil nachweislich nicht zutreffende Voraussetzung ist, führt die vorgenommene Konstruktion somit auch nicht weiter. Sie ist insgesamt nicht zielführend.