3.3.3 Die "Konstruktion" reeller Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen

 

I. - Konvergente Folgen lassen sich – als Zahl – mit ihrem Grenzwert identifizieren. Man kann umgekehrt den Grenzwert einer konvergenten Folge durch diese Folge dargestellt sein lassen. Man kann eine ganze Zahlenmenge als Menge konvergenter Folgen begründen. Man muß dabei nicht unbedingt auf die Grenzwerte dieser Folgen Bezug nehmen. Es genügt zu wissen, daß diese Folgen konvergieren, um solche Folgen auch mit einer Zahl – dem Grenzwert der Folge – identifizieren zu können. Gegen eine Definition bzw. Konstruktion der Menge der reellen Zahlen als Menge von Folgen ist also dann nichts einzuwenden, wenn diese Folgen als – konstruierte – Menge der reellen Zahlen in der – klassischen – Menge der reellen Zahlen alle auch konvergieren. Ob sie das tun, das hängt von den Axiomen der reellen Zahlen ab, die diese Menge natürlich erfüllen muß, und aus der sich auch alles an Eigenschaften dieser Menge ableitet. Insbesondere müßte diese Menge als ein Körper – bezüglich zweier auf dieser Menge zu definierenden Verknüpfungen Addition und Multiplikation – nachgewiesen werden können. Dazu reicht es nicht aus, daß die Menge, aus der sich alle diese Folgen ableiten, selbst ein Körper ist. Die Menge der Folgen rationaler Zahlen läßt sich in kanonischer Weise zwar zu einem Ring, nicht aber auch zu einem Körper machen. Nullelement und Einselement sind dann einfach definiert als diejenigen Folgen, deren Glieder alle Null bzw. Eins sind.[106]

Addition und Multiplikation sind in natürlicher Weise komponentenweise erklärt. Die so definierte Addition bzw. Multiplikation ist sowohl kommutativ als auch assoziativ. Zugleich gilt auch das Distributivgesetz. Die Menge aller Folgen rationaler Zahlen ist damit als Ring nachgewiesen. Es ist dieser Ring jedoch nicht auch Integritätsring. Es gibt in diesem Ring Nullteiler, und d.h. Folgen ungleich Null, die miteinander multipliziert die Null zum Ergebnis haben. Solche Folgen sind der komponentenweise definierten Multiplikation wegen auch einfach zu finden. Es gibt davon auch eine ganze Menge. Man braucht dazu nur in ansonsten ausschließlich mit Nullen besetzten Folgen eine einzige Eins in verschiedenen Folgen an verschiedenen Positionen zu setzen, damit das Produkt zweier solcher Folgen zur reinen Nullfolge wird.

Der Ring F der Menge aller Folgen rationaler Zahlen enthält als Teilring C die Menge aller Cauchy-Folgen aus F. Es ist dies ein kommutativer Ring mit der reinen „1-Folge“ als Einselement. Die Menge aller Cauchy-Folgen aus F ist nämlich sowohl additiv als auch multiplikativ abgeschlossen. Zum Nachweis dafür muß nur geschickt an den – die einzelnen Folgen betreffend – einzelnen e`s aus der Definition von Cauchy-Folgen manipuliert werden. Das ist auch in anderen Situationen eine gängige Methode. In diese Manipulation ist – was die multiplikative Abgeschlossenheit von C betrifft – auch eine obere Schranke für die einzelne Cauchy-Folge einbezogen. Bekanntlich sind Cauchy-Folgen beschränkte Folgen.[107]

Eine weitere ausgezeichnete Menge im Ring aller Folgen rationaler Zahlen F besteht in der Menge aller Nullfolgen  aus F. Als konvergente Folgen sind Nullfolgen auch Cauchy-Folgen, so daß  Teilmenge von C ist. Es ist dies sogar eine echte Teilmenge, nachdem jede konstante Folge ¹ 0 zwar Cauchy-Folge, nicht aber auch Nullfolge ist. Mit der in F definierten Addition bzw. Multiplikation ist  ein kommutativer Ring. Auch zum Beweis dieser Behauptung tun es wieder geeignete e-Manipulationen.  hat kein Einselement. Dafür verfügt  über die Eigenschaft, Faktoren aus C zu absorbieren, und d.h. das Produkt eines Elementes aus C mit einem Element aus  zu einem Element von  werden zu lassen. Teilringe dieser Art werden „Ideal“ genannt.  ist ein Ideal in C nicht aber auch in F.  kann nur beschränkte Folgen absorbieren, wie sich sofort aus der komponentenweisen Multiplikation in F ergibt. Eine Folge, die unbeschränkt anwächst, kann nicht zu einer Nullfolge dadurch werden, daß man diese Folge komponentenweise mit einer Nullfolge multipliziert. Zunehmend Größeres mit zunehmend Kleinerem multipliziert, eine solche Folge läßt sich in ihrem Wachstum nach oben oder unten nicht mehr abschätzen. Im „Grenzwert“ führt so etwas zu . Das aber ist keine zulässige, weil nicht definierbare Produktbildung. Die Multiplikation mit Null gehört nicht zu den arithmetischen Operationen, in die auch die „Zahl“  einbezogen werden kann.

Denkt man sich die Elemente a, b eines kommutativen Ringes A mit Ideal I in Relation zueinander stehend, wenn a – b Î I, so ist dadurch auf A eine Äquivalenzrelation definiert, bezüglich der – wie bei Äquivalenzrelationen üblich – A in Restklassen zerfällt. Die Menge aller Restklassen läßt sich in kanonischer Weise mit einer Ringstruktur versehen. Dieser Restklassenring A/I ist – wie man dazu auch sagt – ein kommutativer Ring. Er verfügt auch über ein Einselement, sofern auch der Ausgangsring ein solches Element besitzt. Der Ausgangsring ist aber weder Teilmenge des Restklassenringes noch enthält dieser Restklassenring im allgemeinen einen zum Ausgangsring isomorphen Teilring. Die Bezeichnungsweise Restklassenring leitet sich von den Ringen  – geschrieben auch als  – ab, wobei mit das durch die natürliche Zahl n im Ring der ganzen Zahlen bestimmte Hauptideal  {n ×z,  } bezeichnet ist. Die Restklassen dieses Ringes stehen in einer eindeutigen Beziehung zu den Resten der Division ganzer Zahlen durch n. Restklassenringe sind im allgemeinen keine Körper wie das Beispiel  zeigt. Körper ist ein Restklassenring A/I dann, wenn A ein kommutativer Ring mit Einselement und I ein maximales Ideal in A ist. Maximal wird ein Ideal I in A definitionsgemäß dann genannt, wenn  ist, und es kein Ideal J ¹ A gibt, in dem I als echte Teilmenge enthalten ist.

 

II. - Diese allgemeinen algebraischen Überlegungen sind anzustellen, wenn der Körper der reellen Zahlen über rationale Cauchy-Folgen „konstruiert“ werden können soll. Es genügt dann nicht, R einfach als Restklassenring  der Menge rationaler Cauchy-Folgen C nach der Menge rationaler Nullfolgen FN anzusetzen. Dieser Ansatz ist so auch nur deswegen möglich, weil  in C ein maximales Ideal ist, und der Restklassenring  so auch alle Eigenschaften eines Körpers hat. Dieses Konstruktionsverfahren beruht auf einer allgemeinen algebraischen Grundlage. Insofern – aber auch nur insofern – ist diese Konstruktion reeller Zahlen vergleichbar mit der Konstruktion rationaler Zahlen, die ebenfalls – wie gesehen – einem allgemeinen algebraischen Konzept folgt. Noch aber ist der Restklassenring  nur als Körper nicht aber auch schon als Körper der reellen Zahlen nachgewiesen. Dazu bedarf es wie wir wissen mehr als einfach nur der Körperstruktur. Allgemein charakterisiert sind die reellen Zahlen als vollständig archimedisch angeordneter Körper bzw. – je nach Version des Vollständigkeitsaxioms – als vollständig angeordneter Körper. Also muß dieser Restklassenring auch noch mit einer Ordnungsrelation ausgestattet werden, und es muß auch noch die Vollständigkeit dieses Körpers bezüglich dieser Relation nachgewiesen werden. Wie immer diese Vollständigkeit auch definiert sein mag, sie kann nur in Abhängigkeit von so einer Ordnungsrelation formuliert sein.

Man wird auch so eine Ordnungsrelation in unserem Restklassenring wieder nur komponentenweise definieren können, wobei es nicht unbedingt so sein muß, daß die kleinere von zwei Folgen auch in allen ihren Folgengliedern kleiner als die entsprechenden Folgenglieder der größeren Folge sind. Es genügt, wenn ab einem bestimmten Folgenglied diese geordneten Größenverhältnisse herrschen. Eine solcherart definierte "Kleiner-gleich-Relation“ genügt dann auch allen Anforderungen einer linearen Anordnung. Wie aber sieht es mit der Vollständigkeit dieses Restklassenringes aus? Gezeigt werden muß, daß in diesem Körper das Archimedische Axiom gilt, und daß in ihm des weiteren auch jede Cauchy-Folge konvergiert. Alternativ könnte auch gezeigt werden, daß jede nach oben beschränkte, nichtleere Teilmenge dieses Restklassenkörpers in demselben auch eine kleinste obere Schranke, und d.h. ein Supremum hat.

Das zumindest sind die beiden geläufigsten Versionen des Vollständigkeitsaxioms. Diese beiden Versionen sind allgemein als äquivalente Formulierungen dieses Axioms nachgewiesen. Unter der Voraussetzung, daß dieses Axiom in der einen Variante gültig ist, läßt sich beweisen, daß es auch in der anderen Variante zutrifft. Wenn man also gezeigt hat, daß in einem angeordneten Körper jede nach oben beschränkte nichtleere Teilmenge ein Supremum hat, dann kann man auch davon ausgehen, daß in diesem Körper auch alle Cauchy-Folgen konvergieren. Man kann nur nicht das eine mit Hilfe des anderen beweisen wollen.

A. Oberschelp schickt in seiner „Konstruktion“ der reellen Zahlen dem Beweis des Satzes, daß der konstruierte Restklassenring auch ein vollständig geordneter Körper ist, einen allgemeinen Beweis der Äquivalenz der beiden genannten Varianten des Vollständigkeitsaxioms voraus, wobei zu dieser Äquivalenz auf Cauchy-Folgen-Seite auch das Archimedische Axiom gehört.[108] Geht man von dieser Seite aus und d.h. geht man von der Konvergenz von Cauchy-Folgen aus, dann kann man Cauchy-Folgen, die zum Beweis des „Satzes von der oberen Grenze“ konstruiert werden, auch als konvergent voraussetzen. Das findet so auch bei diesem Äquivalenzbeweis statt. Unter der Annahme, daß in einem archimedisch geordneten Körper auch jede Cauchy-Folge konvergiert, wird in diesem Äquivalenzbeweis zu einer beliebig vorgegebenen nichtleeren, nach oben beschränkten Menge dieses Körpers eine Cauchy-Folge konstruiert, von der dann gezeigt werden kann, daß ihr Grenzwert zugleich auch die gesuchte obere Schranke dieser Menge in diesem Körper ist.

  Ein solches Vorgehen ist natürlich nicht möglich, wenn die Vollständigkeit des Körpers der reellen Zahlen aus der Konstruktion dieses Körpers folgen soll. Es soll dann gerade am konkreten, materiellen Modell demonstriert werden, daß es so etwas wie die reellen Zahlen, so wie sie "Gegenstand“ einer axiomatischen Begründung sind, auch gibt. Dann muß eben auch gezeigt werden können, daß in diesem Körper Cauchy-Folgen konvergieren bzw. daß jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge in dieser Menge ein Supremum hat. Das kann man sich dann natürlich nicht einfach nur von den verschiedenen Varianten des Vollständigkeitsaxioms gegenseitig bestätigen lassen.

Der „Trick“ bei der Konstruktion der Menge der reellen Zahlen als rationale Cauchy-Folgen bzw. Äquivalenzklassen solcher Folgen soll offenbar darin bestehen, auf diese Weise die Vollständigkeit dieser Zahlen konstruktiongemäß schon (vor-)gegeben sein zu lassen. Über die Konvergenz von Cauchy-Folgen – so offenbar die Beweisidee – braucht man sich dann keine Gedanken mehr zu machen, wenn jede solche Folge bzw. die ihr zugeordnete Äquivalenzklasse definitionsgemäß eine reelle Zahl darstellt. Die dann konstruierte Cauchy-Folge – so möchte man meinen – konvergiert dann einfach per Definition bzw. Konstruktion. Damit könnte dann auch das Verfahren aus dem allgemeinen Äquivalenzbeweis der beiden Varianten des Vollständigkeitsaxioms auch zur Konstruktion einer oberen Schranke in unserem Restklassenkörper für jede darin enthaltene nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge übernommen werden.

  Entspricht das aber so auch den Voraussetzungen mit der wir diesen Beweis aufnehmen? Unser Restklassenkörper geht – konstruktionsgemäß – aus allen rationalen Cauchy-Folgen hervor. Die Cauchy-Folgen dieses Körpers sind dann aber nicht einfach rationalen Cauchy-Folgen gleich; es handelt sich dabei vielmehr um Cauchy-Folgen solcher Cauchy-Folgen. Jedes Glied einer solchen Folge ist selbst rationale Cauchy-Folge. Das gilt auch für die in diesem Beweis konstruierte Cauchy-Folge. Damit liegt dann doch eine qualitativ andere Situation vor, als sie uns aus der Behandlung rationaler Cauchy-Folgen im Körper der reellen Zahlen bekannt ist. Unendliche Folgen in einer Menge bestehen immer auch aus einer unendlichen Reihenfolge von Elementen aus dieser Menge. Es gibt in einer Menge kein Element, das selbst auch unendliche Folge dieser Menge sein könnte. Man kann aus einem Element einer Menge eine unendliche Folge – die konstant aus diesem Element bestehende Folge – konstruieren. Als Folge ist diese Folge nicht aber auch Element der Menge. Das gilt in gleicher Weise natürlich auch für Mengen, die in allen ihren Elementen ihrerseits aus Cauchy-Folgen einer anderen Menge bestehen.

Es ist in der Mathematik gängige Praxis, von unendlichen Mengen pauschal auch dann zu reden, wenn die Frage ihrer – expliziten – materiellen Rekonstruktion (was in unendlichen ÄDingen auch nur einem Gesetz der Serie bzw. einem sich daraus ableitenden Verfahren überlassen bleiben kann, ungeklärt ist. So ist das beispielsweise wiederholt im Zurückliegenden auch geschehen, wenn von der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen die Rede war, ohne zu wissen, wie wir dieser Menge eigentlich habhaft werden können. Das gilt noch viel mehr von der Menge aller Cauchy-Folgen in dieser Menge von Cauchy-Folgen. Das sind dann zwei gänzlich verschiedene Dinge. Die Frage der Konvergenz stellt sich in jeder der beiden Mengen  dann auch in ganz eigener Weise. Eine Cauchy-Folge (in) einer Menge konvergiert – wenn sie denn konvergiert – notwendig weil definitionsgemäß gegen ein Element dieser Menge. Der Grenzwert von Folgen ist immer den Mengen entnommen, aus dem auch die Glieder der Folge entnommen sind. Die Folge als solche kann jedoch nicht in gleicher Weise mit einem Element dieser Menge identifiziert werden. Eine Identifizierung von Folge und Menge(nelement) kann nur über den Grenzwert einer Folge erfolgen. Nur konvergente Folgen lassen sich auf diese Weise also auch mit den Elementen der Menge identifizieren, aus der auch die Glieder dieser Folge entnommen sind.

 Man kann auch Mengen divergenter Folgen bilden. Als Element einer Menge sind diese Folgen dann im gewissen Sinne auch konvergent. Sie sind in dem Sinne konvergent als von Konvergenzfragen in so einem Fall dann einfach abgesehen wird. Jede solche Folge repräsentiert dann genau ein Element so einer Menge, unabhängig davon, ob die Folge in der Menge, aus der ihre Folgenglieder entnommen sind, nun konvergiert oder nicht. Das braucht in diesem Fall, und d.h. zu Zwecken der reinen Mengenbildung nicht zu interessieren. Wir interessieren uns dafür auch nicht, wenn wir die Menge aller rationalen Cauchy-Folgen bilden. Es gibt bekanntlich auch divergente rationale Cauchy-Folgen. Läßt sich dem Problem, eine Körpererweiterung des Körpers der rationalen Zahlen zu finden, in dem alle Cauchy-Folgen – insbesondere also auch alle rationalen Cauchy-Folgen – konvergieren, aber dadurch begegnen, daß man alle rationalen Cauchy-Folgen zu einer Menge zusammenfaßt? Konvergieren in dieser Menge alle Cauchy-Folgen, bloß weil diese Menge alle rationalen Cauchy-Folgen zu Elementen hat?

Offensichtlich nicht. Mit den Folgen in einer Menge bewegen wir uns einfach eine Stufe über dieser Menge. Die Grenzwerte von Folgen sind nicht auf derselben Ebene wie die Folgen selbst angesiedelt. Folgen von Cauchy-Folgen können nur gegen Cauchy-Folgen konvergieren. Die Frage, ob die einzelnen Cauchy-Folgen ihrerseits konvergent sind, ist für die Konvergenz von Cauchy-Folgen aus Cauchy-Folgen uninteressant. Die Frage der Konvergenz einer Folge stellt sich immer nur bezüglich der – linearen bzw. allgemeiner: topologischen – Ordnung der Menge, aus der die Folge entnommen ist.

 

III. - Die Definition des Grenzwertes einer Folge ist in allen – was die Analysis anbelangt – angeordneten Körpern möglich. Man braucht dazu nur auch Abstände definieren zu können, und dafür genügt in solchen Körpern die einfache Betragsfunktion bzw. der Absolutbetrag für die Elemente des Körpers.[109] In diesen Absolutbetrag geht wesentlich die Anordnung eines Körpers insofern ein, als dabei zwischen Zahlen ³ 0 bzw. £ 0 zu unterscheiden ist. Wir haben diese Anordnung für den Körper der rationalen Zahlen, und wir haben diese Anordnung auch für den Körper der Restklassen .

In der Konstruktion reeller Zahlen als Restklassen von rationalen Cauchy-Folgen spielen Grenzwertfragen allerdings keine Rolle. Sie tun das deswegen nicht, weil in dieser Konstruktion mit den Folgen selbst, nicht aber auch mit den – möglichen – Grenzwerten dieser Folgen gearbeitet wird. Diese Konstruktion soll gerade dazu dienen, in den Fällen, wo rationale Cauchy-Folgen nicht auch in  konvergieren, diesen Folgen zu einem Grenzwert in einen Erweiterungskörper von  zu verhelfen. Genauso wie bei in  konvergenten Folgen, die stellvertretend auch für ihren Grenzwert stehen können, kann man auch in  divergente Folgen – wenn sie denn in einem Erweiterungskörper konvergent sein sollen – ihren Grenzwert in diesem Erweiterungskörper selbst repräsentieren lassen, ganz wie wir das von nicht-periodisch unendlichen b-al-Brüchen her kennen. . Man kann die Darstellung einer Menge als Menge von Folgen auch nicht von irgendwelchen Konvergenzfragen belastet sein lassen.

Eine rationale Cauchy-Folge ist unabhängig von ihrem Grenzwertverhalten ein wohldefiniertes mathematisches Objekt. Man kann solche Folgen dann natürlich auch zu einer Menge zusammenfassen. Die Frage der Konvergenz so einer Folge hat dann aber nichts mehr mit rational oder nicht-rational zu tun. Das ist dann schon eine Menge für sich. Die Cauchy-Folgen dieser Menge sehen anders aus als die Cauchy-Folgen, die die Elemente dieser Menge zu ihren (Folgen-)gliedern hat. Cauchy-Folgen in einer Menge von Cauchy-Folgen bestehen dann eben aus einer Cauchy-Folge von Cauchy-Folgen aus dieser Menge von Cauchy-Folgen. Man kann aus einer Menge von Cauchy-Folgen die Menge von Cauchy-Folgen in dieser Menge von Cauchy-Folgen bilden. Dadurch, daß sich in der Ausgangsmenge die Frage der Konvergenz dieser Folgen nicht stellt, weil diese Folgen unabhängig von ihrer Konvergenz oder Nicht-Konvergenz in dieser Menge einfach als Elemente fungieren, ist nicht notwendig auch schon gesagt, daß sich diese Frage allein deswegen schon auch bezüglich der Cauchy-Folgen in dieser Menge nicht stellt.

 Diese Frage stellt sich bezüglich der Folgen einer Menge – grundsätzlich – immer. Die Antwort auf diese Frage ist allerdings immer auch von der Topologie abhängig, die dem Abstands- bzw. Umgebungsbegriff, so wie er für Grenzwertbetrachtungen allgemein notwendig ist, zugrunde liegt. In angeordneten Körpern bietet sich in bequemer Weise als Abstand zweier Zahlen der Absolutbetrag der Differenz dieser beiden Zahlen an. Die daraus sich ableitende Topologie in Körpern ist die der offenen Intervalle. In diesen Topologien sind Grenzwerte auch eindeutig bestimmt, was man allgemein so nicht von jeder Topologie sagen kann. Es gibt die Topologie, in der jede Folge gegen jeden Punkt konvergiert, wie es auch die Topologie gibt, in der alle Folgen konvergent sind, die von einem gewissen Folgenindex an konstant sind.[110] In der Analysis geht man unausgesprochen immer von der regulären und gewöhnlichen Abstandstopologie aus. Den Abstand zwischen Elementen dieses Körpers bekommt man, indem man einfach die beiden Elemente voneinander subtrahiert und ein dabei evtl. in Erscheinung tretendes Minuszeichen ignoriert. Der Abstand zweier Zahlen ist also gleich dem Absolutbetrag der Differenz dieser Zahlen.

 Mit den Abständen von Zahlen wird sowohl in der Definition des Grenzwertes von Folgen reeller (rationaler) Zahlen als auch in der Definition von reellen (rationalen) Cauchy-Folgen argumentiert bzw. operiert. In der Frage der Konvergenz von Folgen kommt es auf die Abstände der Folgenglieder zum – angenommenen – Grenzwert der Folge an, während zum Nachweis einer Folge als Cauchy-Folge auf die Abstände der Folgenglieder voneinander zu sehen ist. Entscheidend in beiden Fällen ist, daß die Abstände beliebig klein gehalten werden können, was auch zur Voraussetzung hat, daß die Menge, aus denen die behandelten Folgen entnommen sind, zur Bezifferung dieser Abstände mit – dem Absolutbetrag nach – beliebig kleinen Zahlen auch dienen können. Das haben wir so nur in der Menge der reelen bzw. rationalen Zahlen. Nur Folgen aus diesen Mengen können bezüglich der gewöhnlichen Abstandstopologie auf ihre Konvergenz bzw. auf ihre Eigenschaft, Cauchy-Folge in dieser Menge zu sein, untersucht werden.

In Körpern von denen man – wie in unserem „Modell“ des Körpers der reellen Zahlen – noch nicht weiß, daß sie auch vollständige Körper im Sinne des Vollständigkeitsaxioms des Körpers der reellen Zahlen sind, läßt sich aus der Eigenschaft einer Folge, Cauchy-Folge zu sein, nicht auch auf die Konvergenz dieser Folge schließen. Durch den Nachweis allein, daß eine Folge Cauchy-Folge ist, ist grundsätzlich noch nichts über deren Konvergenzverhalten gesagt. Die Eigenschaft einer Folge, Cauchy-Folge zu sein, besagt diesbezüglich allein noch nichts. Wenn man wissen will, ob so eine Folge konvergiert, dann muß man eben nach einem – bzw. nach dem – Grenzwert der Folge suchen, und dann – wenn man diesen Grenzwert glaubt gefunden zu haben – anhand der allgemeinen Grenzwertdefinition überprüfen, daß der ausgemachte Wert tatsächlich auch Grenzwert ist. Ausrechnen läßt sich so etwas im eigentlichen und engeren Sinne nicht. Die Eigenschaft Cauchy-Folge zu sein, ist eine nur notwendige, nicht aber auch zureichende Bedingung für Konvergenz.

Es gibt zu jedem Element einer Folge allerdings immer auch eine – wenn auch recht einfach gestrickte – Folge, die dieses Element zum Grenzwert hat, die konstant aus diesem einen Element bestehende Folge nämlich. Es sind diese konstanten Folgen auch die einzigen konvergenten Folgen, bei denen der Grenzwert der Folge auch fester Bestandteil der Folge ist. Konstante Folgen bestehen in allen ihren Folgengliedern ausschließlich aus ihrem Grenzwert. In diesem Sinne läßt sich jede beliebige Menge also auch bequem als Menge konvergenter Folgen verstehen. Man braucht dazu nur jedes Element der Menge als konstante Folge lesen. Als konvergente Folgen sind konstante Folgen natürlich auch Cauchy-Folgen. Diese konstanten Folgen sind dann insbesondere auch als Teilmenge in der Menge aller Cauchy-Folgen einer Menge enthalten.

Es gibt – um wieder auf unsere „Konstruktion“ der reellen Zahlen zurückzukehren – auch nicht-konstante rationale Cauchy-Folgen und es gibt natürlich auch die in  divergenten Cauchy-Folgen. Die Eindeutigkeit des Grenzwertes, die man natürlich sichergestellt sehen möchte, gebietet es dann, in der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen zum Restklassenring bezüglich des in dieser Menge maximalen Ideals von Nullfolgen überzugehen. Nur auf diese Weise bekommen wir auch einen Körper, und diesen benötigen wir, wenn damit ein Modell des Körpers der reellen Zahlen konstruiert sein soll.

Cauchy-Folgen rationaler Zahlen, die in  gegen denselben Grenzwert konvergieren, können sich nur durch eine rationale Nullfolge unterscheiden. Dieser Körper läßt sich auch bequem – nämlich komponentenweise im Vergleich zweier Elementen bzw. Folgen dieses Körpers – linear (an-)ordnen. Ist dieser Körper aber auch vollständig, und d.h. konvergieren in ihm auch alle Cauchy-Folgen? Cauchy-Folgen in diesem Körper bestehen in allen ihren Folgengliedern aus rationalen Cauchy-Folgen bzw. aus der einer jeden solchen Folge in diesem Körper zugehörigen resp. von der einer jeden solchen Folge repräsentierten Äquivalenzklasse solcher Folgen.

 

In Konvergenzfragen hat das nur nichts zu bedeuten, gehen doch diese Äquivalenzklassen aus der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen per Restklassenoperation modulo rationaler Nullfolgen hervor und – additiv – ergänzte Nullfolgen sind ohne Einfluß auf das Konvergenzverhalten einer Folge. Genausowenig wie wir das – wenn auch aus anderen Gründen – bei rationalen Zahlen tun, die formal auch als Äquivalenzklassen definiert sind, brauchen wir also in der einzelnen rationalen Cauchy-Folge auch nicht einfach nur den Repräsentanten einer ganzen Äquivalenzklasse solcher Folgen zu sehen. Jede solche Folge darf dann vielmehr auch als ein eigenständiges Element unseres (Restklassen-)körpers angesehen werden. Dieser Lesart schließen wir uns auch in der weiteren Diskussion an. Definitionsgemäß ist eine Folge Cauchy-Folge dann, wenn zu jedem beliebig vorgegebenen e > 0 die Differenz zweier Folgenglieder dem Betrag nach < e ist, sofern die Folgenglieder von einem – von dem vorgegebenen e > 0 im allgemeinen abhängigen – (natürlichen) Mindestindex sind.

Nun bestehen – wie gesagt – die Cauchy-Folgen aus unserem Restklassenkörper ihrerseits in allen ihren Folgengliedern aus rationalen Cauchy-Folgen.Daß eine solche Folge Cauchy-Folge ist, bedeutet also, daß die Differenzen der Cauchy-Folgen, aus denen sich so eine Cauchy-Folge zusammensetzt, die besagte Eigenschaft besitzen. Diese Differenzen werden definitionsgemäß komponentenweise gebildet. Verlangt ist dann von diesen Differenzen, daß sie kleiner als jedes beliebig vorgegebene e > 0 sind, vorausgesetzt die Cauchy-Folgen, aus denen diese Differenz gebildet wird, sind in der – jeweiligen – Cauchy-Folge, der sie als Folgenglied zugehören, ausreichend „hoch“ plaziert. Die Differenz zweier Cauchy-Folgen ist natürlich auch eine Cauchy-Folge. Die Frage ist nur, wie man Differenzen von Cauchy-Folgen beziffert. Es sollen solche Folgen als Differenzen zweier anderer Folgen schließlich kleiner sein als ein beliebig vorgegebenes e > 0. Um das feststellen zu können, benötigen wir einen Zahlenwert für eine solche (Differenz-)Folge. Wir benötigen einen Zahlenwert für rationale Cauchy-Folgen.

Damit kann allerdings auch nur der Grenzwert einer Folge gemeint sein. Das ist die einzige Möglichkeit, einer Folge in natürlicher Weise eine Zahl zuzuordnen, und zugeordnet werden kann so eine Zahl einer Folge auch nur in natürlicher Weise. Es darf dabei auch nicht vergessen werden, daß es sich bei Cauchy-Folgen wie – ganz – allgemein bei reellen Folgen um unendliche Folgen also Folgen mit unendlich vielen Folgengliedern handelt. Bei unendlichen Mengen verbieten sich auch irgendwelche willkürlichen Festsetzungen bzw. Zuordnungen. Divergente rationale Cauchy-Folgen können in natürlicher Weise mit keiner rationalen Zahl in Verbindung gebracht werden. Damit läßt sich auch nicht sagen, ob eine solche Folge kleiner als ein vorgegebenes e > 0 ist oder nicht. Man kann bezüglich einer linearen Ordnung nur Dinge miteinander vergleichen, für die diese lineare Ordnung gilt, und d.h. man kann nur die Elemente einer Menge, in der so eine lineare Ordnung definiert ist, bezüglich dieser Ordnung auch miteinander vergleichen. Folgen gehören bekanntlich aber nicht auch der Menge an, aus der ihre Folgenglieder entnommen sind.

 



[106] Die folgenden Ausführungen geben die „Konstruktion“ der reellen Zahlen in A. Oberschelp, Aufbau des Zahlensystems, §§ 18-22 wider.

[107] Siehe dazu S. Lang, Analysis I, S. 35

[108] A.-Oberschelp, Aufbau des Zahlensystems, S. 133 ff.

[109] Der Absolutbetrag  für reelle Zahlen  ist wie folgt definiert:

                      x, falls x³0,

      : =

                      x, falls x<0.

[110] Siehe dazu K.P. Grotemeyer, Topologie, S. 16 f.