3.2.6 Der Grenzwert nicht-periodisch unendlicher Brüche

 

I. - Die Menge der natürlichen Zahlen ist in ihrer ganzen Unendlichkeit ohne – finalen – Abschluß. Man kann die Entwicklung der Menge der natürlichen Zahlen immer weiter vorantreiben, ohne daß es dabei irgendwann einmal zu so etwas wie einem Grenzübergang kommen könnte. Die Menge der natürlichen Zahlen ist – wie wir wissen – eine divergente Menge, auch wenn die Divergenz dieser Menge von der besonderen Qualität der Divergenz gegen  ist. Es ist dieses Unendlichkeitssymbol nur keine natürliche – aber auch keine reelle – Zahl, die der Menge der natürlichen Zahlen als Grenzwert in deren natürlicher Eigenschaft als unendlicher Folge dienen könnte. Dadurch daß  nicht selbst auch der Menge der natürlichen Zahlen angehört, wäre ansonsten auch sichergestellt, daß von der Folge der natürlichen Zahlen dieser Wert  auch nicht erreicht werden könnte, so wie wir das von einem Grenzwert ab sich schon auch voraussetzen. Der Wert  steht einfach für die den natürlichen Zahlen konstitutive prozessuale Unendlichkeit. Diese konstitutiv-prozessuale Unendlichkeit überträgt sich dann notwendig auch auf jede in Abhängigkeit von den natürlichen Zahlen definierte unendliche Folge. Es ist diese Eigenschaft natürlicher Zahlen, die den Begriff der unendlichen Folge bzw. Reihe sowie den sich daraus ableiteten Grenzwertbegriff und mithin auch die ganze Analysis erst ermöglicht. Einen Grenzwert können definitionsgemäß nur unendliche Folgen haben, und – per förmlicher Abbildung definierte – unendliche Folgen gibt es – so – nur, weil es die unendliche Menge der natürlichen Zahlen gibt.

Der Begriff des Grenzwertes einer Folge leitet sich dann aus der möglichen Eigenschaft von Folgen ab, einem bestimmten festen Wert beliebig nahe zu kommen, ohne diesen Wert jemals auch erreichen zu können. Die Voraussetzungen dafür sind durch die Unendlichkeit der Menge der natürlichen Zahlen gegeben. Wenn ein Grenzwert von einer Folge nicht erreicht werden kann, dann deswegen, weil die Folge der natürlichen Zahlen ihrerseits an kein Ende kommt. Daß Folgen ihren Grenzwert nicht erreichen, liegt – anders gesagt – einfach daran, daß unendliche Folgen sich selbst in ihrer ganzen Unendlichkeit niemals erreichen. Das gilt jedenfalls für alle „bloß“ prozessual-unendlichen Folgen. Definitionsgemäß – als Abbildungen von den natürlichen in die reellen Zahlen nämlich – finden in der Analysis aber ausschließlich solche Folgen Verwendung.

Daß der Grenzwert einer Folge außerhalb der Folge liegt, hat insbesondere auch zu bedeuten, daß der Grenzwert als Zahl in seiner Existenz unabhängig von der Folge ist. Die Existenz so eines Grenzwertes ist umgekehrt Voraussetzung dafür, daß von einer Folge auch als einer konvergenten Folge die Rede sein kann. Folgen dienen nicht auch der Konstruktion ihres – möglichen – Grenzwerten. Dieses verdient deswegen festgehalten zu werden, weil gerade auf diese Weise auch versucht wird, die Menge der reellen Zahlen – im Modell – als existente Menge nachzuweisen. Es gibt diesen Versuch, die Menge der reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen im Modell darzustellen. Zwei rationale Cauchy-Folgen gelten dabei als äquivalent, wenn sie sich nur um eine rationale Nullfolge unterscheiden. Natürlich kann man rationale Cauchy-Folgen, die – in  – konvergieren, einfach mit dem betreffenden – rationalen – Grenzwert identifizieren. Das läßt sich so der Eindeutigkeit des Grenzwertes von Folgen wegen handhaben. Explizit auch in der Schreibweise haben wir diese Gleichsetzung von Folge und Grenzwert bei Reihen, die ja bekanntlich als Folge von Partialsummen definiert sind. Ist a Grenzwert der Reihe  so wird dafür einfach – ohne Verwendung des lim-Zeichens –  geschrieben. Bei Folgen  wird dagegen dieses lim-Zeichen immer gesetzt, wenn auf den Grenzwert a so einer Folge hingewiesen sein soll .

Die Verwendung des Gleichheitszeichens ist in diesen Fällen nicht identisch mit der Verwendung dieses Zeichens in der Verknüpfung von Zahlen wie beispielsweise a + b = c. Wie das Gleichheitszeichen in diesen Fällen zu lesen ist, das ist einfach Inhalt der jeweiligen Grenzwertdefinition für Folgen bzw. Reihen. Die Verwendung des Gleichheitszeichens in Definitionen ist in der Mathematik gängige Praxis. Definitionen dienen allgemein der Festlegung einer Bezeichnungsweise. Das ist auch bei der Grenzwertdefinition so. Es ist also bei dieser Definition nicht so, daß ein prozessual-unendliches Verfahren auf der einen Seite einer bestimmten Zahl auf der anderen Seite gleichgesetzt würde. Es wird mit so einer Gleichsetzung nur eine bestimmte Eigenschaft der linksseitig vermerkten Folge festgehalten, die Eigenschaft nämlich, dem Wortlaut der Grenzwertdefinition nach die auf der rechten Seite der Gleichung stehende Zahl zum Grenzwert zu haben.

Durch so eine Definition wird eine mögliche Realität nur beschrieben, nicht aber auch tatsächlich gesetzt. Es ist durch so eine Definition nicht gesagt, daß es auch konvergente Folgen gibt. So etwas läßt sich dann nur anhand konkreter Beispiele zeigen. Man benötigt dann eine – in konkreter Darstellung – Folge, man benötigt im selben System von Darstellung einen – als solchen zunächst aber nur angenommenen – Grenzwert, und man muß schließlich auch noch zeigen, daß dieser Wert tatsächlich auch Grenzwert der Folge ist. Zu überprüfen ist das anhand der Grenzwertdefinition. Daß eine Folge ihren Grenzwert nicht auch annimmt, hat insbesondere auch zur Folge, daß sich der Grenzwert einer Folge nicht auch aus der Folgenvorschrift berechnen läßt. Es gibt kein Rechenverfahren, das uns diesen Grenzwert aus der konkreten Konstruktion einer Folge bestimmen ließe. Wäre so etwas möglich, der gesonderte Nachweis, daß ein bestimmter Wert auch Grenzwert einer bestimmten Folge ist, würde sich erübrigen. So aber sind wir an die Grenzwertdefinition gehalten, um mit ihrer Hilfe zu überprüfen, ob ein bestimmter Wert auch Grenzwert einer bestimmten Folge ist. Über die Möglichkeiten, die sich uns bei der „Berechnung“ eines Grenzwertes bieten, war an anderer Stelle schon die Rede.

In ihrem Grenzwertverhalten relativ bequem einzuschätzen bzw. abzuschätzen sind Nullfolgen. Man wird in der Bestimmung des Grenzwertes einer Folge deswegen auch versuchen, möglichst viel innerhalb der Folgenvorschrift auf Nullfolgen zurückzuführen. Bekanntlich kann der Grenzwertübergang einer Folge für die einzelnen algebraischen „Komponenten“ der Folgenvorschrift getrennt durchgeführt werden. Möchte man nur wissen, ob eine Folge auch eine konvergente Folge ist, dann genügt es, diese Folge als eine Cauchy-Folge nachzuweisen. Das genügt, sobald man sich mit dieser Folge innerhalb des Körpers der reellen Zahlen bewegt. In diesem Körper konvergiert nämlich – axiomengemäß – jede Cauchy-Folge. Durch so ein Axiom können Grenzwerte aber auch nur postuliert, nicht aber auch in ihrer konkreten Existenz nachgewiesen sein. Gerade deswegen auch verlangt die axiomatische Begründung der reellen Zahlen abschließend nach einen Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis.

Man kann in Existenzfragen in der Mathematik nicht – so wie in den experimentellen Wissenschaften – indirekt argumentieren, indem von einer bestimmten Wirkung auf eine bestimmte – notwendig dann natürlich auch existente – Ursache geschlossen wird, auch wenn es nicht möglich ist, diese Ursache sichtbar werden zu lassen. Man kann daraus, daß eine Folge Cauchy-Folge ist, nicht darauf schließen, daß es dann auch einen Grenzwert für diese Folge geben müsse. Das kann man zunächst einfach einmal nur – per Axiom – fordern. Damit ist so ein Grenzwert nicht aber schon auch als existent nachgewiesen. Es gibt diesen Grenzwert nicht, bloß weil wir per Axiom festgelegt haben, daß es ihn geben möge. Das kann man zwar postulieren; es ist dadurch allerdings noch nichts bewiesen. Die Eigenschaft, Cauchy-Folge zu sein, zieht nicht notwendig auch die Wirkung nach sich, eine konvergente Folge zu sein. Daß Cauchy-Folgen konvergente Folgen sind, das läßt sich allgemein so nur per Axiom postulieren. Die Körperaxiome der reellen Zahlen ergänzt um die Anordnungsaxiome dieses Zahlkörpers geben so etwas nicht her. Man kann die ganze Mathematik auch nicht anders aufziehen als sie in Analysis-Lehrbüchern aufgezogen wird. Man kann etwas variieren; in den Grundzügen bleiben sich alle diese Darstellungen gleich. Variiert werden kann beispielsweise in der Form und Gestalt des Vollständigkeitsaxioms. Also, da gibt es Alternativen. Die systematische Entwicklung berührt das – wie gesagt – in ihrer (Grund-)struktur allerdings nicht.

 

II. - Im Körper der rationalen Zahlen konvergiert nicht jede Cauchy-Folge. Als Beispiel dafür mag die Approximationsfolge für  dienen. Allgemein divergiert in  jede unendliche nicht-periodische Bruchentwicklung. In  divergent sind genau diejenigen Brüche, die im Körper der reellen Zahlen die Menge der irrationalen Zahlen ausmachen. Diese Sprachregelung macht so natürlich nur Sinn, weil jede Bruchentwicklung in allen ihren Partialsummen aus endlichen, und damit notwendig auch rationalen  Brüchen besteht. Wir bewegen uns mit diesen Partialsummen also ganz in  . Natürlicherweise könnte und sollte sich dann auch die Frage der Konvergenz so einer Bruchentwicklung in  stellen. Man tut es nur nicht auch, einfach weil in der reellen Analysis alles vom Körper der reellen Zahlen überlagert ist. Es gibt keine rationale Analysis.  Cauchy-Folge in  ist jede – unendliche – Bruchentwicklung, sei sie nun periodisch-unendlich oder nicht periodisch-unendlich. Der Nachweis dafür, daß jede – prozessual – unendliche Bruchentwicklung eine Cauchy-Folge darstellt, ist – wie gesehen – vergleichsweise einfach zu führen. Es handelt sich bei allen diesen Bruchentwicklungen – wie gesagt – um rationale Folgen und d.h. Folgen rationaler Zahlen, stellt doch jeder endliche Bruch eine rationale Zahl dar. In der Folge ihrer Partialsummen stellt die Bruchentwicklung – von welcher Unendlichkeit sie auch sein möge – eine rationale Folge dar. Es muß – wie das Beispiel  zeigt – der Grenzwert so einer Folge deswegen nicht auch eine rationale Zahl sein. Diese Zahl  läßt sich insbesondere auch nicht in einen endlichen bzw. periodisch-unendlichen Bruch entwickeln. Die Bruchentwicklung wie sie aus der Approximation von  resultiert ist also notwendig eine nicht-periodisch unendliche. Es ist klar, gegen was diese Cauchy-Folge, wenn sie denn konvergieren soll können, auch nur konvergieren kann: gegen diese nicht-periodisch unendliche Bruchentwicklung selbst nämlich.

Bei dem Grenzwert dieser Bruchentwicklung kann es sich allerdings auch nur um einen final unendlichen Bruch handeln. Als Grenzwert dieser ganzen Bruchentwicklung kommt nur der vollständig und d.h. der final-unendlich entwickelte Bruch in Frage. Das ist die einzig mögliche Darstellung, die es für die „Zahl“  in der – einzig möglichen – systemverträglichen Erweiterung des Systems der Darstellung rationaler Zahlen gibt. Nur in einer solchen Erweiterung kann auch nach Darstellungen irrationaler Zahlen gesucht werden bzw. können irrationale Zahlen auch nur – noch – ihre Darstellung finden.

 B-al-Bruchentwicklungen sind besondere Formen von rationalen Cauchy-Folgen. Nicht jede solche Cauchy-Folge nimmt auch die Form einer kontinuierlichen Bruchentwicklung an. Die Folge beispielsweise, die die Eulersche Zahl e definiert, ist als konvergente Folge natürlich auch eine Cauchy-Folge. Der Folgenvorschrift kann zudem sofort entnommen werden, daß die Folgenglieder alle rational sind. Es beschreiben diese Folgenglieder allerdings keinen sich sukzessive entwickelnden Bruch. Nicht jedes Folgenglied besteht – mit anderen Worten – in seiner Bruchdarstellung aus ausschließlich gültigen Bruchstellen, was den Grenzwert der ganzen Folge betrifft. Voraussetzung dazu wäre im übrigen auch, daß keines dieser Folgenglieder von einer periodisch-unendlichen Bruchentwicklung wäre. Das kann man bei rationalen Zahlen nicht ausschließen, wie man im allgemeinen der Abbildungsvorschrift einer Folge auch nicht entnehmen kann, inwieweit sich unter den Folgengliedern rationale Zahlen dieser Art befinden.

Die Menge rationaler Cauchy-Folgen ist also umfassender als die Menge sukzessive fortgeschriebener Bruchentwicklungen. Der Grenzwert einer – wie auch immer definierten – rationalen Cauchy-Folge ist – sofern diese Folge in  nicht auch konvergiert – in jedem Fall der Menge nicht-periodisch unendlicher Brüche entnommen. Wenn man nur an einer Darstellung aller dieser Brüche interessiert ist, dann kann man sich in der Produktion dieser Brüche auf kontinuierlich sich fortsetzende Bruchentwicklungen beschränken. Man bräuchte dann mit anderen Worten – keine Bruchentwicklungen zu berücksichtigen, in denen – bezogen auf das Endergebnis – auch mit ungültigen Bruchstellen gearbeitet wird.  Die Frage ist nur wie man sich diese Produktion im einzelnen auch vorstellen darf.

 Von einem Existenzbeweis einer Menge wird man auch erwarten können und auch erwarten wollen, daß damit die Existenz jedes einzelnen Elementes der Menge per konkreter – materieller – Darstellung nachgewiesen wird. Gefragt ist dann einfach nach einem Produktions- bzw. Konstruktionsverfahren, das uns – prinzipiell jedenfalls – alle Elemente der betreffenden Menge erschließt. Es genügt dann nicht, nur zu sagen, wodurch wir uns eine reelle Zahl bestimmt denken können, ohne damit auch den Anspruch zu verbinden, die Menge der reellen Zahlen auf diese Weise auch systematisch und vollständig erfassen zu können. Dadurch, daß gesagt wird, zu jedem Dedekindschen Schnitt in der Menge der rationalen Zahlen gehört eine reelle Zahl, ist die Menge der reellen Zahlen weder in ihrem Umfang noch in ihren einzelnen Elementen bestimmt. Ein nicht-rationaler Dedekindscher Schnitt will natürlich auch erst definiert sein, und definiert sein kann er nur durch das, was wir damit eigentlich erst definiert haben wollen, soweit uns das, was damit definiert sein soll, in konkreter Darstellung auch zugänglich ist. Man kann einen irrationalen Schnitt natürlich nicht so definieren, daß man die irrationale Zahl angibt, die diesen Schnitt setzt. Die betreffende irrationale Zahl soll durch diesen Schnitt vielmehr erst definiert sein.

Das ist jedenfalls die Intention, die dem Dedekindschen Schnittaxiom in seiner konstruktiven Verwendung zugrunde liegt. Konstruktiv ist die Verwendung dieses Axioms dort, wo es dazu dienen soll, ausgehend von den rationalen Zahlen an die reellen Zahlen „heranzuführen“. Nicht-rationale Schnitte werden dann durch nicht-rationale Zahlen gesetzt; es sind nicht-rationale Schnitte, die nicht-rationale Zahlen begründen. Diese Begründung kann sich dabei aber auch nur rationaler Zahlen bedienen. Das Problem dabei ist die Definition nicht-rationaler Schnitte resp. nicht-rationaler Zahlen einzig und allein mit Hilfe rationaler Zahlen. Man kann einen solchen Schnitt unter diesen Voraussetzungen sicherlich nicht so setzen, daß man die Stelle, an der dieser Schnitt gesetzt sein soll, als „Zahl“ markiert. Das können wir nicht, weil wir für nicht-rationale Zahlen – bis dato – noch kein Zahlenmaterial haben. Also müssen wir uns bei der Definition solcher Schnitte anderweitig behelfen.

Eine Möglichkeit besteht – wie gesehen – darin, daß man eine Operation wie das Ziehen der Quadratwurzel, die in der Menge der rationalen Zahlen nur beschränkt ausführbar ist, für unbeschränkt ausführbar erklärt und die Menge der rationalen Zahlen sich entsprechend erweitert denkt. Dieses Vorgehen kann zwar dazu dienen, zusätzliche Zahlen zu „begründen“. Ist dieses Vorgehen aber auch geeignet, die Erweiterungsmenge in dem gewünschten Sinne – als eine vollständige Menge – auch abzuschließen? Konvergiert in  jede Cauchy-Folge, weil in dieser Menge unbeschränkt Wurzeln aus positiven Zahlen gezogen werden können? Konvergieren in  deswegen insbesondere unendliche, nicht-periodische b-al-Brüche?

 

III. - Quadratwurzeln lassen sich immer auch durch einen sukzessive um immer weitere Bruchstellen zu ergänzenden Bruch nach Belieben approximieren. Ist die Quadratwurzel rational bricht die Bruchentwicklung entweder an einer bestimmten Stelle ab, oder sie nimmt eine gewisse Periodizität an. Nur bei irrationalen Wurzeln ist eine solche Entwicklung sicher auszuschließen. Rationale Zahlen, die in ihrer Bruchentwicklung durch einen periodisch-unendlichen Bruch dargestellt werden, nehmen in ihrer Quotientendarstellung den Charakter eines Grenzwertes dieser Bruchentwicklung an. In diesen Fällen ist es dann sogar auch so, daß die Folge, zu der eine rationale Zahl Grenzwert ist, sich aus diesem Grenzwert ableiten läßt. Man braucht dazu einfach nur Zähler durch Nenner des die betreffende rationale Zahl darstellenden Quotienten zu dividieren bzw. sich dividiert zu denken.

Das ist etwas, was man in der Beziehung von Folgen zu ihrem Grenzwert allgemein so nicht hat. Der Grenzwert einer Folge steht bei aller Nähe zu der Folge zu dieser Folge zugleich auch in einer unüberbrückbaren Distanz. Über ihren Grenzwert definiert eine konvergente Folge eine – neue – Zahl, ohne an diese Zahl selbst auch heranzureichen. Das ist eine Eigenschaft von Folgen, die dann auch dazu verwandt werden kann, neue, bislang unbekannte Zahlen – existentiell – zu begründen. Einer als Grenzwert einer Folge gesetzten Zahl eignet eine gewisse existentielle Qualität auch dann, wenn es diesen Grenzwert in der Menge, in der auch die Folge definiert ist, nicht gibt, und d.h., wenn die Folge eine in dieser Menge divergente Folge ist. Neben der vorhin diskutierten Begründung neuer, nicht-rationaler Zahl per bloßem Symbol ist das die einzige Möglichkeit, vermittels ausschließlich rationaler Zahlen an andere als rationale Zahlen heranzuführen. Dieser Weg wird denn auch – in der einen oder anderen Form – in jedem Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis der Menge der reellen Zahl beschritten. Man setzt diese Zahlen einfach als Grenzwerte von Folgen rationaler Cauchy-Folgen an. Wenn im Körper der reellen Zahlen jede Cauchy-Folge konvergieren soll, dann gilt das insbesondere natürlich auch für rationale Cauchy-Folgen. Bekanntlich konvergiert in  nicht jede Cauchy-Folge. Gilt das dann aber auch für alle Cauchy-Folgen, die auch Grenzwerte rationaler Cauchy-Folgen zu Folgengliedern haben?

Eine nicht-konvergente rationale Cauchy-Folge stellt – wie gesehen – die Approximationsfolge von  dar. Man muß dabei aber auch sehen, daß es nicht diese rationale Cauchy-Folge ist, die uns die irrationale Zahl  erschließt; es ist umgekehrt diese irrationale Zahl, die uns diese eine rationale Cauchy-Folge – in Teilen – bestimmen bzw. rekonstruieren läßt. Immerhin zeigt dieses Beispiel, daß auch die – statische – Definition einer irrationalen Zahl durch eine definierende Eigenschaft, so wie sie sich durch das Wurzelzeichen symbolisieren läßt, auch wieder auf eine rationale Cauchy-Folge zurückgeführt werden kann. Insofern auch ist die Definition irrationaler Zahlen als Grenzwerte von in  nicht konvergenter rationaler Cauchy-Folgen die allgemeinere wie auch ursprünglichere Form der Definition dieser Zahlen.

Das sollte uns allerdings nicht über den Unterschied hinweg sehen lassen, der durch diese beiden Definitionsvarianten hinsichtlich der dadurch begründeten Qualität von Unendlichkeit gesetzt ist. Bei einer Definition als Grenzwert einer rationalen Cauchy-Folge wird eine irrationale Zahl von ihrer Produktion her aufgenommen. Man läßt in diesem Fall eine irrationale Zahl ganz von der betreffenden Folge bestimmt sein. Man läßt die einzelne irrationale Zahl als Grenzwert einer unendlichen Folge ganz von der diesen Grenzwert setzenden Folge abhängig sein. Damit ist dieser Grenzwert auch ganz von der prozessualen Unendlichkeit so einer Folge bestimmt. Das gilt dann auch für Bruchentwicklungen dieses Grenzwertes, die allgemein nur prozessual-unendlicher Natur sein können.

Der Übergang von einer Folge zu ihrem Grenzwert läßt sich gleichwohl – und (nur) deswegen ist ein Grenzwert auch Grenzwert – prozessual allein nicht bewirken. Dazu bedarf es der Kooperation von Folge und Grenzwert. Das heißt andererseits dann auch, daß der Grenzwert nicht einfach als Produkt der Folge angesehen werden kann. Insofern können (Bruchstellen-)folgen für sich alleine genommen auch nicht dazu verwandt werden, irrationale Zahlen zu begründen, wenn bekannt ist, daß deren Darstellung als Bruch notwendig eine nicht-periodisch unendliche ist. Die Konvergenz einer Folge ist immer auch eine Frage des Bezugskörpers, dem so eine Folge entnommen ist. Wenn in  nicht jede Cauchy-Folge konvergiert, dann liegt das – nicht zuletzt – auch an , und d. h. an dem Reservoir an möglichen bzw. zulässigen Grenz- werten. Die Folge als solche ist dafür allenfalls bedingt verantwortlich zu machen. Deswegen können sich Folgen aber auch nicht für Zahlbereichserweiterungen eignen. Über die Definition von Folgen wird sich – materiell – deren Bezugskörper nicht erweitern lassen. Man wird sich dann allerdings fragen müssen, inwieweit an eine – sagen wir nicht Konstruktion, sondern – konstruktive Entfaltung der Menge der reellen Zahlen aus der Menge der rationalen Zahlen heraus gedacht werden kann.

Wir wissen, daß es dieses Verfahren, das uns die Menge der reellen Zahlen systematisch in allen ihren einzelnen Elementen vermittels eines einheitlichen Konstruktionsprinzips aus der Menge der rationalen Zahlen heraus entwickeln ließe, nicht gibt. Die „Konstruktion“ per Dedekindscher Schnitte setzt – wie gesehen – voraus, was damit begründet sein soll. Dieses Konstruktionsprinzip ist weit davon entfernt, uns systematisch und umfassend an die Menge der reellen Zahlen heranführen zu können. Dem Ansatz nach unterscheidet sich die Begründung irrationaler Zahlen per Dedekindscher Schnitte von der Begründung per rationaler Cauchy-Folgen darin, daß Dedekindsche Schnitte diese Begründung von der Grenzwertseite aus betreiben. Ein Schnitt in der Menge der rationalen Zahlen kann – letztendlich – immer nur durch eine ganze bestimmte und konkrete Zahl wie beispielsweise ? gesetzt sein. Diese Zahl ist – wie wir wissen – irrational. Ihre Bruchentwicklung ist damit notwendig eine nicht-periodisch unendliche.

Die Bruchentwicklung einer rationalen Zahl  ergibt sich – wie gesagt – einfach durch Division von p durch q nach dem allgemeinen Divisionsalgorithmus ganzer Zahlen. Das gleiche läßt sich nun auch von der Bruchentwicklung von  durch das bekannte Approximationsverfahren behaupten. Durch die Eigenschaft, mit sich selbst multipliziert die Zahl 2 zum Ergebnis zu haben, ist eine Bruchentwicklung bestimmt, die sich sukzessive Bruchstelle für Bruchstelle rekonstruieren läßt. Durch diese definierende Eigenschaft darf diese ganze Bruchentwicklung von Anfang an als vollständig gesetzt gedacht werden. In diesem Fall ist es also nicht die Bruchentwicklung, die diese Zahl  als Grenzwert bestimmen würde; es ist diese als gegeben vorausgesetzte Zahl , von der ganze Bruchentwicklung bestimmt ist. Die Entwicklung dieses Bruches dient dann – in Teilen – nur noch rekonstruktiven, nicht aber auch produktiven Zwecken. Es wird durch so eine Entwicklung nichts begründet, was nicht bereits begründet wäre. Ein Problem mit irgendwelchen Grenzübergängen, die prozessual nicht vollzogen werden können, gibt es dann nicht. Die Existenz solcher Zahlen ist dann im übrigen auch ohne Vollständigkeitsaxiom begründet. Wo man sich die Position des Grenzwertes zu eigen macht, bedarf es keines Axioms, um die Existenz dieses Grenzwertes sicherzustellen. Im übrigen auch sind per definierender Eigenschaft gesetzte irrationale Zahlen nicht als Grenzwerte ausgewiesen.

 

IV. - Die Grenzwertfrage stellt sich erst in Verbindung mit der sich daraus ableitenden Bruchentwicklung, und sie ist dann gerade deswegen, weil sich diese Bruchentwicklung aus der definierenden Eigenschaft ableitet, von dieser Eigenschaft immer auch schon positiv beschieden. Die Situation ist in allen diesen Fällen vergleichbar mit der Situation, wie wir ihr in allen rationalen Zahlen begegnen. Die definierende Eigenschaft einer rationalen Zahl ist durch den Quotienten zweier ganzer Zahlen gegeben. Mit jedem solchen Quotienten verbindet sich auch eine eindeutige Bruchentwicklung. Mit dem Divisionsalgorithmus ganzer Zahlen gibt es dafür auch ein förmliches Verfahren. Die einzelnen Bruchstellen lassen sich sukzessive berechnen. Man muß also nicht – so wie bei der Bruchentwicklung von  beispielsweise – „testen“ mit welcher als nächster zu setzenden Bruchstelle wir gerade noch unter dieser Quadratwurzel liegen.

Auf diesen Unterschied soll es uns im Augenblick aber nicht ankommen. Sehen wir einfach nur darauf, daß uns in beiden Fällen über eine definierende Eigenschaft ein Grenzwert einer unendlichen Bruchentwicklung deswegen notwendig auch gegeben ist, weil sich diese Bruchentwicklung aus der definierenden Eigenschaft ableitet. Eine Grenzwertfrage kann sich in dieser Situation nicht mehr stellen. Diese Brüche sind natürlich alle konvergent und zwar konvergent gegen die durch die definierende Eigenschaft gesetzte Zahl. Der periodisch-unendliche Bruch 0,333... konvergiert natürlich gegen die rationale Zahl . Das kann auch nicht anders sein, leitet sich diese unendliche Bruchentwicklung doch gerade aus dieser rationalen Zahl ab.

Man könnte sich jetzt fragen, inwieweit die Eigenschaft so einer Bruchentwicklung, sich aus der  definierenden Eigenschaft einer Zahl abzuleiten, eine nicht nur zureichende sondern auch notwendige Bedingung für die Konvergenz so einer Entwicklung ist. Man kann die Frage auch so stellen, inwieweit eine solche Bruchentwicklung nur dann auch eine konvergente Entwicklung sein kann, wenn sie sich aus der definierenden Eigenschaft einer Zahl – einer Zahl, die dann notwendig auch Grenzwert dieser Entwicklung ist – ableitet. Diese Frage stellt sich unabhängig von dem Vollständigkeitsaxiom, weil sich in Bezug auf dieses Axiom diese Frage auch nicht – mehr – stellen würde. Jeder Bruch ist dann ein konvergenter Bruch. Nicht jeder nicht-periodisch unendliche Bruch muß sich aber auch aus der definierenden Eigenschaft einer Zahl (heraus) ableiten bzw. entwickeln lassen. Natürlich folgt jede – unendliche – (Bruch-)entwicklung immer auch einem Gesetz der Serie. Dieses Gesetz der Serie kann nur nicht auch den Grenzwert der Folge, die aus diesem Gesetz hervorgeht, hervorbringen. Grenzwerte werden von ihren Folgen – wie gesagt – nicht erreicht, und d. h. angenommen. Heißt das aber auch, daß Folgen, die eine irrationale Zahl zum „Grenzwert“ haben, nicht eigentlich konvergieren können, weil sich der „Grenzwert“ dieser Folge über diese Folge selbst aufbaut und so gesehen ein Teil der Folge ist? Kann eine Folge also konvergieren, wenn sie für ihren eigenen Grenzwert zu sorgen hat?

Die Eulersche Zahl e beispielsweise ist uns nur als Grenzwert einer bestimmten Folge bzw. Reihe bekannt. Die einzig mögliche – zahlenwertige – Darstellung dieser Zahl ist deswegen die einer – unendlichen – Bruchentwicklung, die diese Folgen- bzw. Reihendarstellung aufzulösen bzw. zusammenzufassen sucht. Wir haben für diese Zahl e mit anderen Worten keine "einfache" operative Darstellung. Explizit realisiert werden kann von so einer Bruchentwicklung natürlich auch immer nur ein kleiner Teil. Grundsätzlich läßt sich sagen, daß ein unendlicher Bruch, der sich in seiner Bruchentwicklung nicht aus der definierenden Eigenschaft einer Zahl ableitet, einer Zahl, die dann – wie gesehen – auch Grenzwert der Bruchentwicklung ist, nur gegen seine eigene, unendliche Bruchentwicklung konvergieren kann. Das tun Brüche allerdings auch, wenn sie sich aus einer definierenden Eigenschaft ableiten. Wir haben dann – zusätzlich – auch die operative endliche Darstellung dieses Grenzwertes. Ansonsten hat der Grenzwertübergang, wie wir ihn mit jeder konvergenten Folge verbinden, dann eben innerhalb der unendlichen Bruchentwicklung stattzufinden. Die Vorstellung ist dabei die, daß man sich abschließend, also final  gesetzt denkt, was sich "verfahrensimmanent", also prozessual nicht abschließend setzen läßt. Ein Grenzübergang läßt sich also schon auch bruchintern verstehen. Zu Unendlichem finden wir – grundsätzlich – nur per Grenzübergang.

Eine Vorstellung wie die gerade angedachte, liegt offensichtlich im Einzugsbereich menschlichen Vorstellungsvermögens. Man würde eine solche Vorstellung nicht a priori als widersprüchlich einschätzen wollen. Wir wissen in der Vorstellung einer unendlichen Bruchentwicklung Produktion und Abschluß dieser Entwicklung zu vereinbaren. Wir können uns eine Entwicklung vorstellen, die immer andauert, und doch immer auch schon vollzogen ist. Man kann – und sollte – sich allerdings fragen, inwieweit eine solche Vorstellung von einer Folge getragen sein kann, die sich in ihrer Unendlichkeit ganz und gar den natürlichen Zahlen verpflichtet weiß. Die Frage ist, ob sich dazu die natürlichen Zahlen, die in ihrer ganzen Unendlichkeit prozessual organisiert sind, auch "hergeben". Man könnte die Frage auch so stellen: "Sind der natürlichen Zahlen auch ausreichend viele, um die Besetzung eines – final – unendlich- en Bruches auch (abschließend) zu begleiten". Läßt sich – um diese Frage auf die Folge der natürlichen Zahlen selbst zu beziehen – mit der Folge dieser Zahlen auch die Vorstellung eines Abschlusses verbinden, der uns die Folge dieser Zahlen vollständig gesetzt denken läßt?

Wenn wir uns alle diese Zahlen vollständig gesetzt denken können wollen, dann können wir das nur, indem wir uns dazu unseres Verfahrens zur systematischen Produktion der diese natürlichen Zahlen darstellende endlichen Zeichenfolgen bediene, weil von diesem Verfahren einfach alle natürlichen Zahlen bedient werden. Dieses Verfahren aber produziert – wie wir wissen – keine unendlichen Zeichenfolgen. Die Produktion solcher Folgen ist – systembedingt – einfach blockiert. Blockiert ist damit auch ein Grenzwertübergang, der uns von der Produktion endlicher Folgen zur Produktion unendlicher Folgen übergehen ließe. Das durch dieses Verfahren realisierte System von Darstellung ist ein nach oben offenes System. Dement- sprechend auch läßt sich dieses System bzw. Verfahren auch nicht in dem Sinne für abgeschlossen erklären, daß sich mit diesem Abschluß auch die Vorstellung eines Grenzwertes der ganzen Folge verbinden ließe. Die Produktion dieser Folge kann nicht auch als Grenzwertverfahren verstanden werden.

Das ist im übrigen aber auch Voraussetzung dafür, daß vermittels der Menge der natürlichen Zahlen eine allgemeine Grenzwertvorstellung entwickelt werden kann. Diese Vorstellung ist mit unendlichen Folgen verbunden, und unendliche Folgen definieren sich in Abhängigkeit von den natürlichen Zahlen. Diese natürlichen Zahlen bringen sich mit keinerlei eigenen Grenzwertambitionen in eine Folge ein. Würden sie das tun, der Grenzwert einer Folge könnte immer nur mit dem Folgenglied identifiziert werden, das dem Grenzwert der natürlichen Zahlen „entspricht“. Die Frage, welchen Grenzwert eine Folge hat, entscheidet sich immer gegen „Ende“ der Folge, und sofern sich dieses Ende identifizieren ließe, wäre damit immer auch der Grenzwert der Folge bestimmt. Der Grenzwertübergang für alle nur möglichen Folgen – sofern diese auch konvergent sind – wäre damit im Grenzwertübergang der Menge der natürlichen Zahlen vorweggenommen. Diese Situation liegt nicht vor. Die natürlichen Zahlen verhalten sich bezüglich des Grenzwertverhaltens der durch sie definierten unendlichen Folgen „neutral“. Allerdings ist jede Folge als Abbildung von den natürlichen in die reellen Zahlen eine ganz von diesen natürlichen Zahlen bzw. dem, was sich damit operativ tun läßt, bestimmte Folge. Operativen Einschränkungen unterliegen wir dabei nicht, sofern der Bildbereich der Folge aus der Menge der reellen Zahlen besteht.

Es ist diese Menge der reellen Zahlen gerade die Menge, die man sukzessive bekommt, wenn man sich nach und nach von den operativen Einschränkungen, die uns innerhalb der Menge der natürlichen Zahlen auferlegt sind, befreien will. Bekanntlich führt uns dieser Prozeß über die ganzen Zahlen und die rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen. Auf Darstellungsebene führt uns dieser Prozeß dagegen ausgehend von den endlichen Zeichenfolgen, so wie sie der Darstellung natürlicher Zahlen dienen, über ein – neben dem fakultativen Plus-Zeichen – alternatives Vorzeichen dieser Zeichenfolgen zu Zeichenfolgen, die durch ein Komma unterteilt sind – wobei die Komponente nach dem Komma auch eine periodisch-unendliche sein kann – um schließlich bei Zeichenfolgen zu enden, die nach dem Komma von jeder beliebigen – final – unendlichen Entwicklung sein können.

 

V. - Mit dieser Form von Darstellung verbinden sich dann aber eine Reihe von Fragen. Zunächst wäre zu erklären, was man sich unter einer – final – unendlichen Zeichenfolge vorstellen darf. Desweiteren wird man sich fragen müssen, wie uns solche Folgen gegeben sein können. Schließlich wäre die Frage auch noch die, mit welcher Zahl so eine Zeichenfolge identifiziert werden kann. Alle diese Zeichenfolgen sollen schließlich der Darstellung reeller Zahlen dienen. Wir haben diese Fragen der Reihe nach gestellt; beantworten lassen sie sich nach allem, was dazu bislang gesagt wurde, nur gemeinsam. Man sollte in der Beantwortung dieser Fragen auch der historischen Entwicklung folgen, und da ist es einfach so, daß die Notwendigkeit einer Erweiterung der Menge der rationalen Zahlen sich einfach aus der Tatsache ableitet, daß es zu jeder positiven rationalen Zahl nicht auch eine rationale Quadratwurzel gibt.

Nach wie vor auch dient diese bis in die Antike zurückreichende Erkenntnis am – einfachsten – Beispiel der  der Begründung dafür, warum die systematische Entwicklung der Mathematik mit der Begründung der – umfassenden – Menge der reellen Zahlen aufgenommen wird. Dazu ist spätestens dann etwas zu sagen, wenn der Satz bewiesen wird, daß es zu jeder positiven reellen Zahl in der Menge der reellen Zahlen auch eine Quadratwurzel gibt. Natürlich muß so ein Satz – wenn dem in der Menge der reellen Zahlen auch so ist – immer auch bewiesen werden, nachdem in einer axiomatischen Begründung der Mathematik alles bewiesen werden muß, was nicht Inhalt der Axiome ist.

Andererseits erfolgt die Begründung der Menge der reellen Zahlen natürlich nicht in Unkenntnis der Menge der natürlichen, ganzen bzw. rationalen Zahlen, und dann bedarf es natürlich der Erklärung, warum das nicht auch die rationalen Zahlen „tun“. Spätestens mit der Einbettung der Menge der natürlichen Zahlen in die Menge der reellen Zahlen weiß man natürlich, daß auch die Menge der rationalen Zahlen Teilmenge der Menge der reellen Zahlen ist. Mit je zwei natürlichen bzw. ganzen Zahlen ist auch der Quotient dieser Zahlen, und ist damit auch die dadurch repräsentierte rationale Zahl notwendig Element des Körpers der reellen Zahlen. Das folgt so einfach aus den Körperaxiomen. Man kann diese Konstruktion – wie wir wissen – auch außerhalb des Körpers der reellen Zahlen durchführen.

In der Algebra werden – wie wir gesehen haben – beide Konstruktionsvarianten behandelt. Der Körper der rationalen Zahlen ist – algebraisch – der Körper der Brüche des Integritätsringes  im Körper . Formal ist dieser Körper der Brüche definiert als der kleinste  umfassende Teilkörper  von . Daß es sich bei den Elementen dieses Körpers  aus allen „Brüchen“ p/q, mit p, q aus  und q ¹ 0 handelt, das folgt dann aus dieser Definition und muß – bzw. darf – insofern in diese Definition nicht auch mit aufgenommen werden. Man kann diesen Körper der Brüche  eines Integritätsringes  – formal – aber auch dann bilden, wenn dieser Integritätsring nicht Unterring eines Körpers  ist. Nach dieser Verfahrensweise wird auch bei einem konstruktiven Aufbau des Zahlensystems vorgegangen.

Allerdings spielt dabei dieser algebraische Hintergrund keine Rolle. Er wird jedenfalls in seiner Allgemeinheit nicht entfaltet. Dafür besteht auch keine Notwendigkeit. Daß das mit der Konstruktion der rationalen Zahlen auch so funktioniert, das verdankt diese Konstruktion nicht diesem allgemeinen algebraischen Konzept; das ist vielmehr auf den allgemeinen Divisionsalgorithmus zurückzuführen, der es uns gestattet, ganze Zahlen auch dann noch zu dividieren, wenn diese Division im Integritätsring Z nicht „aufgeht“. Davor sind wir aber auch in   – noch – nicht sicher, dann nämlich, wenn die aus dem allgemeinen Divisionsalgorithmus sich ableitende Bruchentwicklung eine periodisch unendliche sein sollte. Unendliche Bruchentwicklungen zu Zwecken von Zahldarstellungen sind also auch bereits im Umgang mit rationalen Zahlen nichts Ungewöhnliches. Von daher auch ist es nicht angezeigt, sich grundsätzlich gegen die Möglichkeit der Darstellung reeller Zahlen auch vermittels nicht-periodisch unendlicher Bruchentwicklungen auszusprechen. Natürlich kann es für solche Entwicklungen dann – so wie bei periodisch-unendlichen Brüchen, die durch ihre endliche Periode auch in ihrer Unendlichkeit vollständig bestimmt sind – keine verkürzte endliche Darstellung mehr geben.