3.1.3 Die „Dichte“ von  in

 

I. - Die Möglichkeit, die natürlichen Zahlen sich ihre Existenz und Eindeutigkeit einfach durch den sie in ihren Zeichenfolgen setzenden Mechanismus beweisen zu lassen, wird in der Mathematik – wie gesagt – offenbar ebensowenig in Erwägung gezogen wie die dazu völlig analoge Lösung für die reellen Zahlen in Form und Gestalt von b-al-Brüchen als – einzig – möglicher Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis für diese Zahlen angesehen wird. Natürlich bietet sich eine solche Lösung erst dann an, nachdem man um die Konvergenz solcher Brüche – in  – weiß, und nachdem man auch weiß, daß sich jede reelle Zahl in einen solchen Bruch entwickeln läßt. Dafür allerdings braucht man das Vollständigkeitsaxiom. Andererseits werden wir von diesem Axiom nicht mit zusätzlichen Zahlen versorgt. Wenn man nur auf den unendlichen Bruch als unendlichen Bruch sieht, könnte es einem ziemlich egal sein, ob dieser Bruch nun konvergent ist oder nicht. Dadurch, daß er konvergent ist, ändert sich an so einem Bruch schließlich auch nichts. Konvergiert der Bruch – und das tun, wie wir wissen, alle diese Brüche –  konvergiert er in jedem Fall gegen seine eigene – unendliche – Darstellung. Nur unter dieser – wie gesagt generell (wenn auch nur per Axiom, und d. h. per Dekret gewissermaßen) erfüllten Voraussetzung –läßt sich so ein Bruch auch mit einer ganz bestimmten reellen Zahl identifizieren. Eine solche Identifzierung würde sich natürlich verbieten,  wenn ein Bruch nicht konvergieren sollte. Die unendliche Abgeschlossenheit eines solchen Bruches, die natürlich schon immer auch besteht, hätte diesbezüglich dann nichts zu besagen.

In der Mathematik bewegt man sich allgemein in der Menge der reellen Zahlen, und von dieser Menge von Zahlen weiß man – bzw. ist das per Axiom so festgelegt – daß in ihr jeder b-al-Bruch konvergiert, und d.h. gegen eine reelle Zahl konvergiert. Mit der Darstellung dieser reellen Zahl haben wir auch – formal-abstrakt  – keine Probleme, nachdem jeder solche Bruch nur gegen seine eigene Darstellung konvergieren kann. Man könnte diese Konvergenzbetrachtungen natürlich auch nur im Körper der rationalen Zahlen anstellen, und dann müßte man eben feststellen, daß viele dieser Brüche in  divergieren. Man darf dabei auch nicht vergessen, daß jeder b-al-Bruch in seinen Partialsummen eine Folge rationaler Zahlen darstellt, so daß sich die Frage der Konvergenz dieser Brüche in  in ganz natürlicher Weise stellt.

Für die in  konvergenten Folgen gibt es dann auch eine Darstellung als Quotient zweier ganzer Zahlen. Das ist – was unendliche Brüche betrifft – genau bei allen periodischen Brüchen so. Genau diese Brüche sind – zusammen mit allen endlichen Brüchen – in der Menge aller b-al-Brüche rational. Es sind dies auch die einzigen unendlichen Brüche, die sich  als Brüche  für ganzes p, q,   auch darstellen lassen. Nicht-periodische, unendliche Brüche finden dagegen – letztlich – nur ihre – implizite – Darstellung als Grenzwerte von Folgen bzw. Reihen, wobei man so einer Folge bzw. Reihe zunächst nicht ansieht, ob sie konvergiert bzw. ob sie gegebenenfalls einen rationalen oder irrationalen Grenzwert hat. Gerade was diese zweite Frage betrifft, bedarf es zumeist recht aufwendiger Untersuchungen. Nicht immer läßt sich die Irrationalität einer Zahl so einfach beweisen wie im Falle von . Ist dieser Nachweis einmal erbracht, weiß man natürlich auch, daß der betreffende Zahlenwert in Form und Gestalt der b-al-Bruchentwicklung einer solchen operativen Darstellung immer nur näherungsweise angegeben werden kann. Unendliches kann von  uns konkret-materiell nie auch zur Darstellung gebracht werden. Oder anders gesagt: Grenzwerte lassen sich – in der ihnen zugrundeliegenden Folge – nicht Element für Element (re-)konstruieren.

Jede b-al-Bruchentwicklung versteht sich – formal – als Folge. B-al-Bruchentwicklungen sind Reihenentwicklungen und als solche – definitionsgemäß – Folgen von – rationalen – Partialsummen. Was bei Folgen – allein – interessiert, daß ist deren Grenzwert, so es denn einen solchen auch gibt. In  gibt es ihn – was b-al-Bruchentwicklungen anbelangt, im allgemeinen nicht, wie das Beispiel  zeigt. Zur möglichen Konvergenz kann so einer Entwicklung damit nur in einer Erweiterungsmenge von  verholfen werden. Die Menge, die uns dazu verhilft, ist der Körper der reellen Zahlen . Allerdings bedarf es dazu noch eines zusätzlichen Axioms, wonach in  jeden Cauchy-Folge konvergiert. So einfach macht man sich das in der Mathematik.

Nun kann man sich fragen, inwieweit so ein Axiom Sinn macht, wenn darin auf eine Menge Bezug genommen wird, die durch dieses Axiom erst begründet sein soll. Das in  – im Gegensatz zu  – jede Cauchy-Folge konvergiert, bedeutet zunächst auch einmal nur, daß uns  – nicht aber auch  – einen Grenzwert für solche Folgen anzubieten hat. Das ist zunächst einmal nur die Voraussetzung für mögliche Konvergenz. Konvergieren kann eine Folge nur dort, wo auch das – geeignete – (Zahlen-) Material vorliegt, aus dem dann die entsprechenden bzw. eventuellen Grenzwerte entnommen werden können. Dieses Zahlenmaterial muß sich dann allerdings schon auch in den ganzen Zahlkörper in einer Weise einfügen, die einzelne Zahlenwerte in ganz natürlicher Weise Grenzwert bestimmter Folgen sein läßt. 

Damit, daß einfach nur – ganz formal – ein zusätzliches Zahlenmaterial bereitgestellt würde, ist es in diesen Dingen nicht getan. Es muß auch gesagt werden, wie die auf der ursprünglichen Menge gegebenen Operationen sich in kontinuierlicher bzw. konsistenter Weise auf die Erweiterungsmenge fortsetzen lassen. In der Praxis läuft das allerdings so, daß – umgekehrt – auf der Erweiterungsmenge „verallgemeinerte“ Operationen definiert werden, von denen dann gezeigt wird, daß sie auf der Ursprungsmenge mit den dort zuvor schon gegebenen Operationen übereinstimmen. Es kann auch sein – man denke an die Erweiterung der Menge der ganzen Zahlen zur Menge der rationalen Zahlen – daß dazu die zu erweiternde Menge in natürlicher Weise erst als Teilmenge der Erweiterungsmenge ausgewiesen werden können muß. Man könnte auch sagen, daß dazu diese ursprüngliche Menge in die Erweiterungsmenge eingebettet werden können muß, und dann hätte man das mit der konsistenten Erweiterung der auf der Ursprungsmenge bereits definierten Operationen auf die Erweiterungsmenge als Ganzes auch gleich geregelt. Natürlich kann in eine Menge auch nur dann eingebettet werden, wenn diese Menge inklusive aller ihrer Strukturen bereits vorliegt.

 Einmal mehr zeigt sich dabei auch, daß sich Erweiterungen nicht einfach aus der zu erweiternden Menge heraus entwickeln lassen. Es ist also nicht so, daß man eine Menge in natürlicher Weise gewissermaßen sich selbst entwickeln lassen könnte. Das Vorgehen in solchen Angelegenheiten ist vielmehr dies, daß eine Menge konstruiert wird, von der anschließend gezeigt wird, daß sie Erweiterungsmenge einer bestimmten Menge ist bzw. als solche aufgefaßt werden kann.  So wird jedenfalls bei der Erweiterung der Menge der natürlichen Zahlen zur Menge der ganzen Zahlen bzw. bei der Erweiterung der Menge der ganzen Zahlen zur Menge der rationalen Zahlen vorgegangen. Wenn man haben will, daß in der Erweiterungsmenge bestimmte Verknüpfungen unbeschränkt ausführbar sind, dann muß – vorab – einfach für das (Zahlen-) Material gesorgt sein, das uns das Ergebnis aller dieser zunächst nicht ausführbaren Verknüpfungen auch darstellen läßt. Man kann die Ausführung einer Verknüpfung einfach nicht von der Darstellung des Ergebnisses dieser Ausführung trennen. Man kann bei unendlichen Mengen mit ihren unendlich vielen geordneten Paaren das Ergebnis so einer Verknüpfung für jedes einzelne solche Paar nicht einfach nur ganz willkürlich festsetzen wollen. Das muß alles dann schon auch System haben, genauso wie das auf der nicht-erweiterten Menge zuvor auch schon  System hatte.

Die Erweiterung einer Menge ist insofern – primär – eine Frage der Erweiterung des auf der ursprünglichen Menge eingerichteten Systems von (Zahl-) Darstellung. Es kann nicht sein, daß die Erweiterungsmenge sich diesbezüglich eines grundsätzlich anderen Systems bedienen könnte. Es kann nicht sein, daß innerhalb ein und derselben Menge mit zwei konkurrierenden Modellen von Darstellung gearbeitet würde. Andererseits kann auf eine solche Darstellung auch nicht verzichtet werden. Man kann eine Menge nicht erweitert haben wollen, ohne zugleich auch um ein System der Darstellung aller Elemente dieser – erweiterten – Menge zu wissen. Solange ein solches System nicht entwickelt ist, kann von der Erweiterung einer Menge auch nur in hypothetischer Weise die Rede sein. Wenn eine Erweiterung zu dem Zwecke erfolgt, daß eine bestimmte Verknüpfung auch unbeschränkt ausführbar ist, dann muß auch dafür gesorgt sein, daß so eine Verknüpfung auch unbeschränkt ausgeführt werden kann. Das kann sie aber nur, wenn uns von dieser Erweiterungsmenge in jedem Einzelfall auch mit einem Ergebnis gedient ist. Wenn – um ein konkretes Beispiel zu nennen – per Axiom postuliert wird, daß in  jede Cauchy-Folge konvergiert, dann hat so ein Axiom nur dann Sinn, wenn Cauchy-Folgen in  – konkret-materiell – immer auch einen Grenzwert haben, und sei es, daß sie über diesen Grenzwert nur als unendliche, materiell-explizit also nicht rekonstruierbare Bruchentwicklung verfügen. So etwas läßt sich nicht einfach nur ganz abstrakt-formal „lösen“.

Natürlich versteht man auch ohne konkrete Darstellung im Einzelfall was mit so einem Axiom gemeint ist. Wenn gesagt wird, daß in einer bestimmten Zahlenmenge jede Cauchy-Folge konvergieren soll, dann weiß man natürlich, wie das – definitionsgemäß – gemeint ist. Man kann dann weiter auch versuchen, so ein Axiom mit anderen Axiomen zu einem ganzen Axiomensystem zu verknüpfen. So ein System läßt sich dann auch formal-abstrakt unter verschiedensten Aspekten analysieren. Man kann – bzw. muß – so ein System beispielsweise auf seine Widerspruchsfreiheit hin überprüfen. Man kann so ein System aber auch im Hinblick auf die Eigenschaften einer – mathematischen – Realität, die so einem System genügt, untersuchen. Von den in der Mathematik konstruierten Axiomensystemen erwartet man auch, daß ihnen – genau – eine mathematische Realität genügt. Diese Realität kann man in ihrer – jeder Realität immanenten – konkreten Darstellung nicht auch wieder durch Axiome setzen lassen. Das wäre jedenfalls eine Vorstellung, die der Mathematik völlig fremd ist.

 

II. - Die mathematische Realität steht in ihrer – materiellen – Existenz nicht zur Disposition von Axiomen. Deswegen auch ist ein Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis notwendiger Bestandteil jeder axiomatischen Begründung mathematischer Realität. Ob Axiome auch etwas begründen, das läßt sich nicht wieder auch Axiomen entnehmen bzw. überlassen. Mathematische Realität kann sich nur so unter Beweis stellen, daß sie sich in dieser Realität auch „zeigt“. Zeigen kann sich mathematische Realität aber nur so, daß man ihr im konkreten – materiellen – Modell zur Darstellung verhilft. Wie kann man dabei vorgehen?

Mit Zahlen läßt sich nicht umgehen, wenn man für diese Zahlen nicht auch eine Darstellung hat. Bei unendlichen (Zahlen-) Mengen folgt so eine Darstellung notwendig auch einem bestimmten System. Warum läßt man dann aber nicht einfach so ein System Modell der betreffenden Zahlenmenge sein, so wie es von der zuvor erfolgten axiomatischen Begründung der betreffenden Menge verlangt ist? In der Mathematik wird diese Möglichkeit jedenfalls nicht auch in Erwägung gezogen. Dabei setzt die Erweiterung von Zahlenmengen, so wie sie bei einem konstruktiven Aufbau der Menge der reellen Zahlen – ausgehend von der natürlichen Zahlen – in drei Etappen zu leisten ist, auch voraus, daß es gelingt, das System der Darstellung natürlicher Zahlen auch auf die Erweiterungsmenge „fortzuschreiben“. Man kann – mehr noch – sogar sagen, daß die Aufgabe der Erweiterung der Menge der natürlichen Zahlen in nichts anderem denn gerade darin besteht.

Die Erweiterung der Menge der natürlichen Zahlen zur Menge der ganzen Zahlen wäre nicht möglich, wenn es nicht auch möglich wäre, das den – neu eingeführten – negativen ganzen Zahlen vorangestellte Minuszeichen in einer Weise in die auf der Menge der natürlichen Zahlen gegebenen Verknüpfungen einzubinden, daß diese Verknüpfungen sich in natürlicher Weise auf die Menge der ganzen Zahlen fortsetzen. Auch die Erweiterung der Menge der ganzen Zahlen zur Menge der rationalen Zahlen per Quotientenbildung hätte wenig Sinn, wenn sich alle diese Quotienten nicht auch auflösen ließen. So etwas ließe sich dann auch nicht gut als Erweiterung „verkaufen“.

Das Problem der in bestimmten Zahlenmengen nur beschränkt ausführbaren Operationen kann jedenfalls nicht dadurch gelöst werden, daß man die – davon betroffenen – Zahlenpaare einschließlich Operationszeichen einfach so stehen läßt. Die Zahl 3 kann durch die Zahl 4 in der Menge der ganzen Zahlen nicht deswegen geteilt werden, weil man diese Menge um eine „Zahl“  ergänzt. Immerhin könnte – wenn man sich allgemein auf eine solche „Darstellung“ ganzer Zahlen und ihrer Quotienten verständigt – die so erhaltene Erweiterung der Menge der ganzen Zahlen zu einem Körper erklärt werden. Man dürfte dann aber auch Divisionen ganzer Zahlen dort nicht ausführen, wo sie – tatsächlich – ausgeführt werden könnten, und man müßte zudem jede ganze Zahl p als Quotient  auffassen.

Auf dieser Erweiterungsmenge lassen sich dann auch alle elementaren Operationen in einer Weise festsetzen, die sich – beschränkt auf ganze Zahlen ,  – mit den entsprechenden, auf der Menge der ganzen Zahlen bereits gegebenen Verknüpfungen „decken“. Damit wäre von dieser Erweiterungsmenge auch alles an Voraussetzungen erfüllt, was von so einer Menge an Voraussetzungen erfüllt sein muß, damit sie Erweiterung einer bereits gegebenen Menge sein kann. Die Frage nach einem Modell dieser Menge erübrigt sich dann. Das System, in dem diese Menge ihre Darstellung findet, gereichte dieser Menge zugleich auch zum Modell, wenn sich die Frage nach so einem Modell unter diesen Umständen den auch noch stellen könnte. Die Realität ersetzt jedes Modell. Die Realität ist sich selbst am besten Modell. Bei den rationalen Zahlen stellt sich diese Frage ihrer Darstellung – im Modell – ihrer eindeutigen konstruktiven Entfaltung aus den ganzen Zahlen (heraus) wegen einfach genausowenig wie bei den ganzen Zahlen, die sich in gleicher Weise konstruktiv aus den natürlichen Zahlen heraus entwickeln (lassen).

Diese Frage stellt sich uns zunächst nur bei den natürlichen Zahlen, und sie stellt sich uns  bei den reellen Zahlen. Diese Frage stellt sich uns bezüglich beider Zahlbereiche aus unterschiedlichen Gründen. Was die natürlichen Zahlen anbelangt, so stellt sich uns diese Frage deswegen, weil mit den natürlichen Zahlen alles anfängt, und dieselben deswegen auch nicht als konstruktive Erweiterung einer anderen, noch ursprünglicheren Zahlenmenge angesehen werden können. Was die reellen Zahlen anbelangt, so stellt sich uns diese Frage deswegen, weil es dieses konstruktive Element, das uns die Menge der reellen Zahlen einfach als konstruktive Erweiterung der Menge der rationalen Zahlen verstehen ließe, nicht gibt. Dann allerdings entfällt auch die Möglichkeit, den reellen Zahlen eine diesem konstruktiven Element folgende operative Darstellung zu geben, so wie das mit den rationalen Zahlen als Quotienten ganzer Zahlen noch möglich ist. Was dürfen wir uns dann aber unter einer nicht-rationalen reellen Zahl vorstellen? Wie lassen sich solche Zahlen darstellen? So lange diese Fragen nicht beantwortet sind, und d.h. so lange die Menge der reellen Zahl nicht in einem – materiell – konkretisierten System (oder auch Modell) vorliegt, hat so eine Erweiterung – wie immer diese auch „vorgenommen“ sein mag – nur hypothetischen Charakter.

 

III. -Von den verschiedenen Möglichkeiten der „Definition“ der Menge der reellen Zahlen war schon die Rede. Keiner dieser Definitionen läßt sich auch ein System der Darstellung dieser Zahlen entnehmen. Wenn beispielsweise gesagt wird, daß in  Cauchy-Folgen konvergieren, so ist damit nichts darüber gesagt, wie man sich so einen Grenzwert konkret als Zahl dargestellt denken kann, falls dieser Grenzwert nicht-rational sein sollte. Inwieweit ist ein solches Axiom dann aber auch geeignet, eine Erweiterung der Menge der rationalen Zahlen zu begründen? Diese Frage stellt sich insbesondere deswegen, weil in diesem Axiom nicht etwa nur von rationalen Cauchy-Folgen die Rede ist. Gemeint sind damit vielmehr ganz allgemein reelle Cauchy-Folgen. Es ist also nicht so, daß durch dieses Axiom die Menge der rationalen Zahlen eine „Vervollständigung“ in dem Sinne erfahren würde, daß diese Menge um die Grenzwerte aller ihrer rationalen Cauchy-Folgen ergänzt würde.

Das wäre auch nicht sonderlich sinnvoll. Man hätte sich dann zu fragen, wie das mit Cauchy-Folgen ist, die sich – in Teilen oder auch zur Gänze – aus solchen Grenzwerten zusammensetzen. Natürlich möchte man dann haben, daß auch solche Cauchy-Folgen wieder konvergieren. Insofern kann eine umfassende Vervollständigung der Menge der rationalen Zahlen bezüglich der Konvergenz von Cauchy-Folgen nur so erfolgen, daß gesagt wird, in – der Erweiterungsmenge –  jede Cauchy-Folge einfach für konvergent erklärt. Damit würde aber bereits vorausgesetzt, was mit dieser Konstruktion erst gesetzt sein soll, die Menge der reellen Zahlen nämlich. Ausgehend von der Menge der rationalen Zahlen könnte eine solche Erweiterung aber auch nur in der Form vorgenommen werden, daß man diese Menge rationaler Zahlen um die „Grenzwerte“ der Cauchy-Folgen dieser Mengen auch dort ergänzt wo solche Folgen in dieser Menge nicht auch konvergieren. In einer etwas modifizierten Form geht man auch genau davon bei der vorzugsweise praktizierten Konstruktion eines Modell der Menge der reellen Zahlen aus. Man macht sich dabei einfach eine „topologische“ Eigenschaft der rationalen Zahlen zunutze, wonach diese Zahlen im Körper der reellen Zahlen „dicht“ liegen.

Gemeint ist damit, daß zwischen je zwei rationalen Zahlen irrationale Zahlen liegen, wie umgekehrt zwischen beliebigen reellen Zahlen immer auch noch rationale Zahlen liegen. Dicht in R liegen somit nicht nur die rationalen sondern auch die irrationalen Zahlen. Allgemein heißt eine Teilmenge M eines topologischen Raumes X dicht in X wenn die abgeschlossene Hülle  gleich X ist, und d.h., wenn jeder Punkt von X, der nicht zu M gehört, ein Häufungspunkt von M ist. Häufungspunkt von M in X heißt ein Punkt x von X definitionsgemäß wiederum dann, wenn in jeder Umgebung von x mindestens ein von x verschiedener Punkt aus M liegt. Daß  dicht in  liegt, hat dann nichts anderes zu bedeuten, als daß jede reelle Zahl Häufungspunkt rationaler Zahlen ist, wenn wir uns den Körper der reellen Zahlen mit der gewöhnlichen Topologie offener Intervale ausgestattet denken.

In der Entwicklung der Analysis, in der man ohne die allgemeine topologische Terminologie auszukommen hat, ist von Häufungspunkten nur im Zusammenhang mit Folgen die Rede. Häufungspunkt einer Folge  ist eine reelle Zahl x definitionsgemäß genau dann, wenn es zu jedem e > 0 unendlich viele Indizes n gibt, so daß  Ein Häufungspunkt x liegt einfach vor, wenn eine Folge immer wieder zu diesem Punkt „zurückkehrt“ und dabei – sofern sie diesen Punkt dann nicht immer wieder selbst auch annimmt – sich diesem Punkt auch immer mehr nähert.

Im Gegensatz zu Grenzwerten, können Häufungspunkte selbst auch Bestandteil einer Folge sein. So hat beispielsweise die Folge  die beiden Häufungspunkte 1 und 0. Denkt man sich die Folgenglieder, die einen Häufungspunkt zu einem Häufungspunkt machen, aus einer Folge herausgenommen, dann lassen sich Häufungspunkte von Folgen auch als Grenzwerte konvergenter Teilfolgen beschreiben. Als Häufungspunkt rationaler Zahlen läßt sich – als unmittelbare Folge auch der Dichte von  in  – jede reelle Zahl auch als Limes einer Folge rationaler Zahlen darstellen. Zur Konstruktion so einer Folge braucht man sich nur aus jeder  -Umgebung der betreffenden reellen Zahl eine rationale Zahl xn ausgewählt zu denken. Die Folge  rationaler Zahl konvergiert dann notwendig gegen die vorgegebene reelle Zahl x.

Wir haben in der Konstruktion dieser Folgen – wie gesagt – die Auswahl. Sollen verschiedene solcher Folgen  gegen die gleiche vorgegebene Zahl x konvergieren, dann können sie sich allerdings nur um eine – rationale – Nullfolge  voneinander unterscheiden: .Die Grenzwertdefinition bzw. die Definition von Cauchy-Folgen, so wie sie in der Analysis allgemein für Folgen reeller Zahlen gegeben sind, lassen sich auch auf Folgen rationaler Zahlen „einschränken“. Man kann eine Definition rationaler Cauchy-Folgen bzw. eine Definition – in  – konvergenter rationaler Folgen geben, ohne dafür auf reelle Zahlen zurückgreifen zu müssen. Man braucht dazu nur das e > 0 der allgemeinen „reellen“ Definition nur durch ein rationales  zu ersetzen. Das, was mit dem beliebig vorzugebenden (reellen) e > 0 erreicht sein soll, kann ohne jede Einschränkung auch durch rationale   erreicht werden. Das ist einfach auch wieder eine Folge dessen, daß die rationalen Zahlen dicht in  liegen. Deswegen auch kann jedes beliebige reelle e > 0 durch ein rationales r > 0 unterboten werden, und gerade darauf kommt es bei der Grenzwertdefinition an. Es kommt darauf an, daß der Abstand der Folgenglieder zum Grenzwert der Folge jeden beliebig kleinen positiven Wert unterschreitet, und das tut er, wenn er jeden beliebig kleinen positiven rationalen Wert unterschreitet.

Rationale Cauchy-Folgen bzw. rationale Nullfolgen lassen sich mit anderen Worten „intrinsic“ definieren. Man braucht dazu keine reellen Zahlen. Kann daraus allerdings gefolgert werden, daß sich mit Hilfe dieser intrinsic gegebenen Definition rationaler Nullfolgen bzw. rationaler Cauchy-Folgen die Menge der reellen Zahl „extrinsic“ begründen läßt?

Die in der Literatur dabei verfolgte Idee ist die, daß man in der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen eine Äquivalenzrelation einführt. Danach sind zwei solcher Cauchy-Folgen äquivalent genau dann, wenn sie sich nur um eine rationale Nullfolge unterscheiden. Die ganze Menge rationaler Cauchy-Folgen zerfällt so in einzelne Äquivalenzklassen. Die Vorstellung ist nun die, daß man jede dieser Äquivalenzklassen genau eine – bestimmte – reelle Zahl darstellen läßt. Ist damit aber auch die Menge der reellen Zahlen im Modell „realisiert“?

Es ist – wie wir sehen werden – sicherlich kein Problem, auf dieser Menge von Äquivalenzklassen eine Addition bzw. Multiplikation einzuführen, die diese Menge zu einen Körper werden läßt. Auch eine lineare Anordnung scheint sich auf dieser Menge in natürlicher Weise anzubieten. Eine Äquivalenzklasse r(n) ist dann kleiner als eine andere Äquivalenzklasse r`, wenn es Repräsentanten  bzw.  aus diesen Äquivalenzklassen sowie ein  gibt, so daß  für alle . Man müßte dann aber auch nachweisen können, daß es zu zwei beliebigen Äquivalenzklassen immer auch solche Repräsentanten gibt. Trivialerweise sind solche Repräsentanten jedenfalls nicht gegeben. Man darf dabei auch nicht vergessen, daß man sich – rationale – Cauchy-Folgen bzw. Nullfolgen nicht einfach beliebig vorgeben kann. Wir brauchen dazu in jedem Fall die Abbildungsvorschrift bzw. das Gesetz der Serie. An unendlichen Folgen läßt sich insofern auch nicht manipulieren.

Eine Ordnungsrelation – wie beschrieben – ist auf der Menge rationaler Cauchy-Folgen nichtsdestoweniger nur dann gegeben, wenn die Eigenschaft Cauchy-Folge zu sein, allein schon die Vergleichbarkeit je zweier solcher Folgen sicherstellt. Man kann so etwas dann nicht von konkreten Abbildungsvorschriften abhängig machen, auch wenn es die einzelne Cauchy-Folge nur gegen eine solche Vorschrift gibt. Das ganze wäre dann einfach eine Abstraktionsstufe höher abzuhandeln, und sie läßt sich darauf auch abhandeln.[84]

 



[84] Siehe dazu A. Oberschelp, Aufbau des Zahlensystems, S. 128 ff.