2.3.5 Theoriebildung und Modellbildung

 

I. - Man kann die ganze Analysis entwickeln, ohne sagen zu müssen, wie reelle Zahlen – konkret-materiell – aussehen. Man wird deswegen beispielsweise einem Beweis des Satzes von der Existenz der Quadratwurzel[66] auch nicht ansehen können, daß dieser Satz allgemein nur im Körper der reellen Zahlen, nicht aber auch im Körper der rationalen Zahlen gilt. Es ist in so einem Beweis unterschiedslos immer nur von reellen Zahlen die Rede. In eine axiomatische Begründung geht diese Unterscheidung zwischen reellen und rationalen Zahlen – wie gesagt – nicht ein. Auch die natürlichen bzw. ganzen Zahlen kommen in dieser Begründung nicht vor. Hat das aber zu bedeuten, daß diese Begründung der reellen Zahlen und mit ihr die nachfolgende Entwicklung der Mathematik sich völlig unabhängig von diesen klassischen Zahlbereichen gestalten würde oder auch nur gestalten könnte? Offensichtlich nicht. So wäre ohne natürliche Zahlen keine Definition von Folgen reeller Zahlen mehr möglich, und ohne solche Folgen könnte Mathematik nicht mehr das sein, was sie – letztlich – ist: Analyse der reellen Zahlen nämlich.

Nun könnte man sich natürlich auch wieder fragen, inwieweit eine Begründung natürlicher Zahlen möglich ist, die sich ähnlich formal geben könnte, und d.h. die von dem zu abstrahieren suchte, wie wir uns für gewöhnlich natürliche Zahlen (vor-)geben, in Form und Gestalt einer bestimmten – materiellen – Darstellung als systematisch entwickelter Zeichenfolgen nämlich. Von Darstellungsfragen wird in der Mathematik – auch was die natürlichen Zahlen anbelangt – bekanntlich vollständig abstrahiert. Das mag von daher auch begründet sein, als keine Darstellung natürlicher Zahlen einfach mit diesen Zahlen selbst identifiziert werden könnte. Kann das aber bedeuten – und damit wäre diese Frage von den reellen Zahlen auf die natürlichen Zahlen zurückgeführt – daß eine Theorie der natürlichen Zahlen völlig unabhängig von allen Darstellungsfragen dieser Zahlen entwickelt werden könnte. Ist eine Begründung der natürlichen Zahlen möglich, die ihrerseits nicht in einem System der Darstellung dieser Zahlen begründet und gegründet wäre?

 Voraussetzung dazu wäre, daß die Darstellung dieser Zahlen etwas ist, was der „Realität“ dieser Zahlen nur äußerlich anhaftet. Wenn dem nicht so ist, könnte eine Abstraktion von Darstellung in der Begründung dieser Zahlen auch nur mit einer Reduktion in der Realität bzw. Intelligibilität dieser Zahlen einhergehen. Eine solche Begründung würde der Realität dieser Zahlen dann nur noch eingeschränkt gerecht werden. Das schließt natürlich nicht aus, daß man sich mit diesen Zahlen auch formal beschäftigen könnte, und was allgemeine Eigenschaften dieser natürlichen Zahlen betrifft, wird man sich damit auch nur formal beschäftigen können. Die Frage ist nur, inwieweit durch so einen Formalismus Realitäten begründet sein können, die nicht durch ein System bzw. ein Verfahren explizit-materieller Darstellung immer schon begründet bzw. realisiert sind. Kann es – anders formuliert – sein, daß Begründungen nicht nur in Abhängigkeit von dem zu Begründenden erfolgen, sondern daß dieses zu Begründende seinerseits in einer gewissen Abhängigkeit von der ihm gegebenen Begründung steht? Kann es beispielsweise sein, daß die Realität „Menge der natürlichen Zahlen“ abhängig ist von der Begründung, die man dieser Realität gibt? Kann es sein, daß die ganze Mathematik davon abhängig ist, welches Modell bzw. welche Vorstellung der Menge der natürlichen Zahlen man der Entwicklung der Mathematik zugrunde legt? Kann es – noch einmal anders gefragt – sein, daß wir es in der Menge der natürlichen Zahlen mit einer variablen Größe zu tun haben, die in ihrer Identität davon abhängig wäre, welche Begründung wir dieser Menge zuteil werden lassen?

In einer axiomatischen Begründung der reellen Zahlen wird – wie gesagt – in einer ursprünglichen Weise nicht zwischen den einzelnen klassischen Zahlbereichen unterschieden. Es geht aus dieser Begründung im übrigen auch nicht hervor, daß bzw. wie die Menge der natürlichen Zahlen in einer natürlichen Weise zu einer Teilmenge der Menge der reellen Zahlen erklärt werden kann. Daß diese natürlichen Zahlen in einer ursprünglichen bzw. – mehr noch – in einer für die reellen Zahlen geradezu auch existentiellen Weise diesen  reellen Zahlen zugehören, das läßt sich der Begründung dieser Zahlen jedenfalls nicht entnehmen. Es kommen diese natürlichen Zahlen in dieser Begründung schließlich auch nicht vor. Insbesondere kann der Begründung der reellen Zahlen damit auch keine Begründung der natürlichen Zahlen entnommen werden. Man kann die natürlichen Zahlen in natürlicher Weise als Teilmenge der reellen Zahlen auffassen, indem man sich die natürlichen Zahlen in der an anderer Stelle ausführlich beschriebenen Art und Weise in die reellen Zahlen eingebettet denkt. Man geht dabei von einer Vorstellung der Menge der natürlichen Zahlen aus, die uns alle diese Zahlen durch fortgesetzte Addition der 1 „erzeugt“ sein läßt, und d.h., die uns jede natürliche Zahl als Summe einer ganz bestimmten Anzahl von Einsen verstehen läßt.

So werden allgemein natürliche Zahlen auch verstanden und realisiert. Es ist dies allerdings keine Vorstellung, die auch der Begründung der natürlichen Zahlen dienen könnte. Von der – axiomatischen – Begründung einer Menge erwartet man, daß sie die Strukturen dieser Menge in einem Umfang beschreibt bzw. bestimmt, der von dieser Beschreibung – ihrer mathematischen Identität nach – alle Mengen bis auf eine einzige ausgenommen bleiben läßt. Mengen sind bekanntlich dann mathematisch nicht zu unterscheiden bzw. sie sind in einem mathematischen Sinne identisch, wenn beide Mengen von derselben Struktur sind, und d.h., wenn sich beide Mengen isomorph aufeinander abbilden lassen. Die Einbettung der natürlichen Zahlen in die Menge der reellen Zahlen ist ein Beispiel für eine solche Isomorphie.[67] Man kann isomorphe Mengen mathematisch nicht voneinander unterscheiden; Isomorphe Mengen sind von derselben mathematischen Identität. Es kommt bei mathematischer Identität also nicht auf die konkrete Darstellung an. Wäre dem nicht so, würde durch jedes System von Polynom-Darstellung der natürlichen Zahlen eine andere – vollständige – Menge von natürlichen Zahlen begründet. So aber sind in ihren Strukturen, und d.h. auch in ihrer mathematischen Identität alle diese Darstellungen Darstellungen ein und derselben Menge, nachdem alle diese Darstellungen aus ein und demselben Verfahren hervorgehen.

 

II. - In ihrer mathematischen Identität ist die Menge der natürlichen Zahlen durch dieses Verfahren eindeutig bestimmt. Es gibt keine anderen natürlichen Zahlen als die, die aus diesem Verfahren hervorgehen. In einer ganz ursprünglichen Weise ist die Menge der natürlichen Zahlen durch dieses Verfahren begründet. Ursprünglicher noch als durch ihre authentische Produktion läßt sich eine Menge auch nicht begründen. Durch diese Produktion ist eine Menge dann auch in ihren Strukturen eindeutig bestimmt, wenn auch nicht schon eindeutig beschrieben. So wie das Verfahren zur Produktion der Menge der natürlichen Zahlen funktioniert, ist auf dieser Menge weder Addition noch Multiplikation erklärt. Die Produktion einer Menge kann bekanntlich nur den Elementen einer Menge gelten. So lange so eine Menge nicht produziert ist, können auf dieser Menge auch keine allgemeinen Verknüpfungen definiert sein.

Eine Strukturbeschreibung kann erst dann erfolgen, wenn eine Menge auch vollständig vorliegt. Man kann sich eine Menge auch nicht gut operativ erzeugt denken, wenn dabei immer wieder erst auch für das entsprechende Zahlenmaterial, und d.h. die entsprechende Darstellung der jeweils neu erzeugten Zahl zu sorgen wäre. Man kann einer Verknüpfung nicht zugleich auch die Aufgabe von Zahldarstellung übertragen wollen. Man kann eine Verknüpfung nicht auch für die Darstellung ihres Ergebnisses sorgen lassen. Eine Menge läßt sich auf diesem Wege nur begründen, wenn sich das alles innerhalb einer bereits begründeten bzw. etablierten Menge abspielt. Ist erst einmal die natürliche Eins mit der reellen Eins identifiziert, dann kann man beispielsweise die Menge der natürlichen Zahlen einfach aus der fortgesetzten Addition der – reellen – Eins zu sich selbst bzw. zu dem jeweils gerade erreichtem Ergebnis hervorgehen lassen. Für das Ergebnis aller dieser Operationen ist in der Menge der reellen Zahlen dann – formal – immer schon gesorgt. Das kann man also tun, wenn man die reellen Zahlen schon begründet hat, und dann scheint dies auch die einzig sinnvolle Weise zu sein, in der sich das tun läßt.

Die Frage ist nur, mit welcher Darstellung uns die Menge der reellen Zahlen dabei in den einzelnen natürlichen Zahlen dienen kann. Natürlich möchte man nicht nur um die Möglichkeit der Ausführung bestimmter Operationen wissen, man möchte diese Operationen gegebenenfalls auch ausgeführt haben können, und dann stellt sich natürlich die Frage nach der Darstellung des Ergebnisses so einer Ausführung. Diese Frage stellt sich bezüglich jeder in der Menge der reellen Zahlen möglichen Operation. Daß in dieser Menge alles mögliche an Operationen unbeschränkt ausführbar ist, damit kann uns nicht gedient sein, wenn so eine Ausführung dann doch wieder daran scheitern sollte, daß uns nicht das entsprechende Zahlen- bzw. Zeichenmaterial zur Verfügung steht, mit dem das Ergebnis so einer Ausführung zur Darstellung gebracht bzw. auch erst herbeigeführt werden könnte. Man kann so etwas nicht einfach nur formal festsetzen wollen. Daß beispielsweise Subtraktion und Division in der Menge der natürlichen Zahlen nur beschränkt ausführbar sind, das hat, wie gesagt, mit dem System der Darstellung dieser Zahlen zu tun, die für bestimmte – geordnete – Paare natürlicher Zahlen einfach kein Zahlenmaterial zur Darstellung des „Ergebnisses“ der Subtraktion bzw. Division dieser Zahlen bereit hält. Das gilt unabhängig davon, welchen – konkreten – (Zeichen-)materials sich so eine Darstellung bedient.

Das System der Darstellung, und d.h. das Verfahren, das dieses Material zu einer unendlichen Serie von endlichen Zeichenfolgen formt, ist in jedem Fall das- bzw. derselbe, und das genügt. Alle algebraischen Operationen auf dieser Menge definieren sich allein über die Reihenfolge dieser Zeichenfolgen, wobei jede Zeichenfolge über die Position, die sie in dieser Reihenfolge einnimmt, mit – bezogen auf das genannte Verfahren der fortgesetzten Addition der Eins – der Anzahl der Verfahrensschritte identifiziert wird, die gesetzt werden müssen, damit man bei dieser einen Zeichenfolge ankommt. Jede dieser Zeichenfolgen wird also mit der dieser Anzahl entsprechenden Summe von Einsen identifiziert. Zwei Zahlen miteinander addieren bedeutet dann einfach, von der einen Zahl ausgehend in der Reihenfolge aller dieser Zeichenfolgen um die durch die zu addierende Zahl bezifferte Anzahl von Verfahrensschritten in der Reihenfolge dieser Zeichenfolgen fortzuschreiten.

Nachdem diese Serie von Zeichenfolgen eine nicht-endliche ist, ist klar, daß diese Addition in dieser Menge von Zeichenfolgen auch unbeschränkt ausführbar ist. Entsprechendes gilt für die Multiplikation. Bei Subtraktionen dagegen hat man sich von der Zeichenfolge aus, von der subtrahiert werden soll, um genau so viele Zeichen nach „rückwärts“ zu bewegen, wie von der zu subtrahierenden Zeichenfolge angegeben ist. Ist die zu subtrahierende Zahl m größer als die Zahl n, von der subtrahiert werden soll, weil nämlich die m repräsentierende Zeichenfolge in der Serie aller dieser Zeichenfolgen nach der die Zahl n repräsentierenden Reihenfolge zu liegen kommt, dann ist klar, daß so eine Subtraktion in der Menge bzw. Reihenfolge dieser Zeichenfolgen nicht mehr ausgeführt werden kann.

 

III. - Eine Reihenfolge, die – wie unsere Serie von Zeichenfolgen – über einen Anfang verfügt, läßt sich immer auch nur bis zu diesem Anfang zurückverfolgen. Müßte zur Ausführung bestimmter mathematischer Operationen noch weiter zurückgegangen werden, kann das nur bedeuten, daß so eine Operation in dieser Serie von Zeichenfolgen nicht ausführbar ist. Man müßte diese unendliche Reihenfolge von Zeichenfolgen zuvor schon auch in der anderen Richtung zu einer unendlichen Folge von Zeichenfolgen erweitert haben, damit in dieser beidseitig unendlichen Serie von Zeichenfolgen dann auch unbeschränkt subtrahiert werden kann. Diese Erweiterung sieht – wie wir wissen – so aus, daß dieselbe Serie von Zeichenfolgen – nach einem dazwischen geschalteten Nullpunkt – in der anderen Richtung noch einmal gesetzt wird, nicht ohne dabei jede Zeichenfolge auch mit einem Minuszeichen zu versehen.

Dieses Minuszeichen ist – formal – mit dem Subtraktionszeichen identisch. In der – einfachen – Verbindung mit einer natürlichen Zahl ist dadurch aber einfach nur eine negative ganze Zahl definiert. Als Ergebnis einer Subtraktion natürlicher Zahlen zeigt uns so eine Zahl dem Betrag nach, und d.h. ohne dieses Vorzeichen die Anzahl der Verfahrensschritte an, die nach Erreichen des Nullpunktes noch auszuführen sind, damit auch alles in Abzug gebracht ist, was in Abzug gebracht sein soll. Das scheint auch die einzig sinnvolle Möglichkeit zu sein, die Menge der natürlichen Zahlen so zu erweitern, daß in ihr die Subtraktion auch unbeschränkt ausführbar ist. Man hat sich dann nur noch darauf zu verständigen, daß die Verbindung von Subtraktions- und Minuszeichen einem Pluszeichen gleichkommt, damit in konsistenter Weise die Subtraktion in der Menge der natürlichen Zahlen auf die ganze Menge der ganzen Zahlen ausgedehnt werden kann.

Die Notwendigkeit, der ganzen Serie natürlicher Zahlen eine Null voranzustellen, punktsymmetrisch zu der sich dann die Menge der natürlichen Zahlen auf der einen, und die Menge der negativen ganzen Zahlen auf der anderen Seite verhält, ergibt sich einfach daraus, daß Addition und Subtraktion zueinander inverse Operationen sein sollen, und d.h., daß die Subtraktion einer Zahl b von einer Zahl a und anschließende Addition von b zu a – b wieder die Zahl a zum Ergebnis haben soll. Dieser Bedingung könnte ohne eine solche zusätzliche Zahl Null bei Subtraktion einer natürlichen Zahl von sich selbst nicht mehr Genüge getan werden bzw. sein. So wie Addition und Subtraktion definiert sind, gibt es in der Menge der ganzen Zahlen keine Zahl, die uns als Ergebnis der Subtraktion  dienen könnte, wenn die anschließende Addition von a zu  wieder zu a zurückführen sollte. Nachdem vom inversen Charakter von Addition und Subtraktion nicht gut abgesehen werden kann, würde das bedeuten, daß die Subtraktion einer natürlichen oder – allgemeiner – ganzen Zahl von sich selbst in dieser Menge ganzer Zahlen nicht definiert wäre. Es würde in dieser Menge einfach an dem dafür notwendigen Zahlenmaterial fehlen.

Das wäre die Begründung für ein notwendiges Element Null in der Menge der ganzen Zahlen, wenn man von einer systematischen konkreten Darstellung der Elemente dieser Menge absieht, so wie man das allgemein bei axiomatischer Begründung einer Menge hat. Eine solche Begründung dient uns in keinem Fall zugleich auch mit einer konkreten Darstellung der betreffenden Menge. Das haben wir bei der Begründung der natürlichen Zahlen durch die Peano-Axiome nicht, und das haben wir auch nicht bei der Begründung der reellen Zahlen vermittels der Körperaxiome, der Anordnungsaxiome sowie des Vollständigkeitsaxioms. Von den natürlichen Zahlen wissen wir natürlich auch so bzw. wir glauben zumindest davon zu wissen, wie eine Darstellung dieser Zahlen aussieht. Wir wissen von diesen natürlichen Zahlen aber auch, daß das System der Darstellung dieser Zahlen notwendig nur ein und dasselbe sein kann. Damit ist dieses System von Darstellung für unser intuitives Verständnis dieses Systems notwendig Teil der Realität „Menge der natürlichen Zahlen“. Das überträgt sich dann entsprechend auch auf die – konstruktiv – aus dieser Menge hervorgehende Menge der ganzen Zahlen.

In ihrer Darstellung unterscheiden sich ganze negative Zahlen von positiven natürlichen Zahlen nur durch das Vorzeichen. Ähnlich verhält es sich mit den rationalen Zahlen, die ihrerseits aus einer konstruktiven Erweiterung der Menge der ganzen Zahlen hervorgehen. So wie vorhin Addition und Subtraktion auf der Menge der ganzen Zahlen beschrieben bzw. definiert wurden, wird im allgemeinen auf dieser Menge nicht auch addiert bzw. subtrahiert. Man muß bei der Addition bzw. Subtraktion ganzer Zahlen die Reihenfolge dieser Zahlen nicht rekonstruieren, um auch das Ergebnis einer Addition bzw. Subtraktion feststellen zu können. Es gibt dafür einen Algorithmus, der uns die zu addierenden bzw. subtrahierenden Zahlen einfach untereinander schreiben und Position für Position berechnen läßt. Zum Subtraktionsalgorithmus wäre allerdings zu sagen, daß von diesem vorausgesetzt wird, daß die zu subtrahierende Zahl kleiner als die Zahl, von der subtrahiert wird, ist. Eine Einschränkung der allgemeinen Reichweite dieses Algorithmuses ist damit allerdings nicht verbunden, gilt doch die allgemeine Formel, wonach  für  allgemeine  ist. Man subtrahiert dann einfach immer nur die kleinere von der größeren Zahl und versieht das Ergebnis gegebenenfalls mit einem Minuszeichen. Im übrigen läßt sich im Subtraktionsalgoritmus auch variieren. Das läßt sich, was diese Verknüpfung anbelangt, verschieden einrichten. So gesehen, und d. h. algorithmisch betrachtet, wäre die Subtraktion die anspruchsvoller Operation unter den Grundrechnungsarten.

Einen Algorithmus gibt es – wie wir wissen – auch für Multiplikation und Division ganzer Zahlen. Das Interessante an diesem Divisionsalgorithmus ist, daß dieser zu einem Ergebnis auch dann führt, wenn die Division in der Menge der ganzen Zahlen – eigentlich – kein Ergebnis hat, und dort insofern nicht definiert bzw. nicht ausführbar ist. In allen diesen Fällen ist das Ergebnis aus dem allgemeinen Divisionsalgorithmus durch ein Komma unterteilt, wobei es sein kann, daß sich nach dem Komma eine bestimmte endliche Zeichenfolge unendlich oft wiederholt. Es kann also sein, daß dieser Divisionsalgorithmus nicht abbricht. Immerhin läßt sich auch in diesen Fällen sagen, wie das mit diesem Algorithmus in ein und derselben Weise immer wieder weitergeht, und insofern liegt damit auch ein präzises Ergebnis der Division zweier ganzer Zahlen vor. Es ist dies offensichtlich auch das einzige sinnvolle Ergebnis, das sich der Division zweier ganzer Zahlen auch dann noch zuordnen läßt, wenn diese Division in der Menge der ganzen Zahlen selbst ohne Ergebnis ist. Das ist uns einfach aus Kontinuitätsgründen so aufgegeben. Wo ein Verfahren sich in natürlicher Weise über den Bereich hinaus, für den es ursprünglich konzipiert wurde, fortsetzt, sollte man dieses Verfahren sich entsprechend auch fortsetzen lassen, wenn uns dadurch – allein – mit einem Ergebnis gedient ist, mit dem uns dieses Verfahren – beschränkt auf den ursprünglichen Bereich – noch nicht dienen konnte.

Man darf sich in so einer Situation geradezu glücklich schätzen, wenn es so ein Verfahren gibt, das uns in dieser Weise zu Diensten steht. Mit der formalen Definition rationaler Zahlen als Quotienten ganzer Zahlen ist das Divisionsproblem in der Menge der ganzen Zahlen schließlich auch nur formal gelöst. Die Division ganzer Zahlen ist dabei nur dargestellt, nicht aber auch vollzogen. Das aber müßte sein, will man zu einer operationsfreien Darstellung rationaler Zahlen kommen, so wie wir das von Zahldarstellung allgemein auch erwarten. Man würde sich schließlich auch nicht damit zufrieden geben, eine natürliche Zahl als Summe natürlicher Zahlen präsentiert zu bekommen, wenn uns nicht an der Summe als Summe, sondern an der dem Summenwert entsprechenden natürlichen Zahl gelegen ist. Und so möchte man natürlich auch haben, daß einer rationalen Zahl p/q eine operationsfreie Darstellung einfach dadurch gegeben werden kann, daß p durch q dividiert wird.

Das läßt sich – wie wir wissen – auch einrichten. Wir haben damit für alle rationalen Zahlen genauso (gut) eine Möglichkeit der Darstellung in Form und Gestalt einfacher Zeichenfolgen als wir sie auch für natürliche und ganze Zahlen haben. Ist eine rationale Zahl nicht auch natürliche bzw. ganze Zahl, so ist die sie darstellende Zeichenfolge – wie gesagt – zusätzlich durch ein Komma unterteilt, wobei die Folge nach dem Komma auch eine periodisch-unendliche sein kann. Das läßt sich so einfach dem allgemeinen Divisionsalgorithmus ganzer Zahlen entnehmen. Ein Komma ist in diesem Algorithmus zu setzen, sobald feststeht, daß die Division ganzer Zahlen in der Menge dieser Zahlen nicht auch „aufgeht“. Dividiert werden kann natürlich auch durch Zeichenfolgen, die beide bereits durch ein Komma unterteilt sind. Es ist dann allerdings besondere Sorgfalt geboten, was das Setzen des Kommas im Ergebnis so einer Division betrifft.

 



[66] Siehe dazu O. Forster, Analysis 1, S. 34ff: § 6 Quadratwurzeln

[67] Die natürlichen Zahlen sind allerdings ohne eigene algebraische oder anlytische Struktur, so daß von Isomorphie in diesem Zusammenhang nur in übertragenem Sinne die Rede sein kann.