2.3.2 Die Konstruktion rationaler Zahlen

 

I. - An eine Auflösung des einzelnen Bruches, und d.h. an eine Durchführung der Division der beiden ganzen Zahlen, die so einen Bruch begründen, ist weder in der einen noch in der anderen Definitionsvariante der Menge der rationalen Zahlen gedacht. Insofern könnte man die ganze Konstruktion rationaler Zahlen für einen billigen Trick halten. Es ist jedenfalls eine sehr bequeme Lösung, die auf diese Weise dem Problem der in der Menge der ganzen Zahlen nur beschränkt durchführbaren Division gegeben wird. Die Frage ist nur, inwieweit so etwas auch als Lösung gelten kann. Man könnte genauso gut sagen, es würde damit nur so getan, als wäre dieses Problem gelöst. Schließlich wird bei dieser Konstruktion nur der Quotient aus den beiden Zahlen, die man dividiert haben möchte, gebildet, und dieser Quotient zu einer „Zahl“ in der Erweiterungsmenge „Menge der rationalen Zahlen“ erklärt. So wie die Division in dieser Erweiterungsmenge dann festgelegt ist, ist auch sichergestellt, daß in dieser Menge die Division unbeschränkt ausführbar ist, und d.h., daß Quotienten aus ganzen Zahlen als rationale Zahl betrachtet auch dividiert werden können, und d.h. ihrerseits einen Quotienten aus ganzen Zahlen zum Ergebnis haben:

 Das sagen uns einfach die Rechenregeln für Brüche, unabhängig davon, welche Einführung bzw. Begründung die rationalen Zahlen erfahren. Man kann das ganze Projekt „rationale Zahlen“ also auch ganz formal angehen. So wie sie definiert sind, muß man diese Zahlen nicht unbedingt auch als Quotienten auffassen. Man muß rationale Zahlen nicht unbedingt als Brüche schreiben, und wenn man es dennoch tut, so ist damit noch nicht notwendig gesagt, daß dieser Bruch auch so zu lesen ist, wie Brüche aus konkreten ganzen Zahlen – üblicherweise – auch gelesen werden, als Quotient nämlich, der, wenn er ausgeführt ist, und d.h., wenn die beiden ganzen Zahlen dividiert sind, einen endlichen oder periodisch-unendlichen Bruch zum Ergebnis hat, wobei es sich dabei auch um eine ganz gewöhnliche ganze Zahl handeln kann.

Man muß rationalen Zahlen nicht notwendig diese Deutung geben, um rationale Zahlen in ihren Eigenschaften vollständig beschreiben zu können. Das Konzept, das diesen Zahlen zugrunde liegt, ist ein allgemein-algebraisches. Man kann in solchen „abstrakten Brüchen“ a/b einfach auch nur die Menge aller geordneten Paare (a, b) von Elementen aus einer vorgegebenen Menge sehen. Handelt es sich bei dieser Menge um einen Integritätsring S,[57] dann läßt sich diese Menge „abstrakter Brüche“ zu einem Körper K machen. Zugleich gibt es dann auch einen injektiven Homomorphismus von unserem Integritätsring S in diesen Körper K. Das ganze Verfahren funktioniert natürlich auch, wenn S bereits Unterring des Körpers K ist. Der Körper der Brüche von S in K ist dann definiert als der kleinste S umfassende Teilkörper T von K.[58]

Dann kann man im übrigen auch genau angeben, wie dieser Teilkörper T in allen seinen Elementen („Brüchen“) aussieht. Dieser Teilkörper besteht genau aus den Elementen , wobei a und b aus K sind mit .[59] Eine solche Charakterisierung bzw. Spezifizierung ist natürlich nur möglich, wenn der Integritätsring S bereits in einem Körper liegt. Auch eine Aussage wie die, wonach der Körper der Brüche der kleinste S umfassende Teilkörper T von K ist, läßt sich sinnvollerweise nur unter dieser Voraussetzung treffen. Erfolgt diese Erweiterung eines Integritätsringes zu einem Körper von „Brüchen“ dagegen nicht unter dem „Deckmantel“ eines bereits gegebenen Körpers, in dem unser Integritätsring als Unterring enthalten ist, dann kann man diese Brüche nicht aus bestimmten Operationen mit bestimmten Elementen dieses Integritätsringes hervorgehen lassen.

Die auf einer Menge definierten Operationen führen – ganz allgemein – nicht über diese Menge hinaus. Also kann auf diesem Wege auch keine Erweiterung einer Menge herbeigeführt werden. Will man so eine Erweiterung dennoch aus den Elementen einer Menge heraus vornehmen, so kann man das nur, indem man den Verknüpfungen, die dabei – materiell – notwendig auch zwischen einzelnen Elementen unserer Menge herzustellen sind  (dadurch daß man einfach alle Elemente unverändert läßt, kann sicherlich keine Erweiterung stattfinden) ein gänzlich „operationsneutrales“ Aussehen gibt. Wenn also die Elemente unseres „Körpers der Brüche“ die übliche Bruchschreibweise erfahren, so darf diese Schreibweise nicht im Sinne eines Quotienten aus dem Zähler und Nenner so eines Bruches verstanden werden. In Ringen – auch in Integritätsringen – ist im allgemeinen keine Division erklärt. In Ringen gilt im allgemeinen nicht das Divisionsaxiom, das eine solche Division allein erklären könnte. Ringe, in denen auch das Divisionsaxiom gilt, sind – per definitionem – Körper. Das Divisionsaxiom gilt, wenn es zu je zwei Elementen a, b genau ein Element c gibt, so daß ac = b ist. Diese Gleichung kann man dann nach c in der Form  auflösen, und dafür ist auch die „Bruchschreibweise“ b/a gebräuchlich.

Diese Schreibweise ist dann also auch definiert. Sie ist im übrigen natürlich auch motiviert von der allgemeinen Praxis des „Bruchrechnens“, die eine Praxis des Rechnens im Körper  der Körper der Brüche des Integritätsringes  in  bzw. in jedem  enthaltenden Körper ist. Die Menge der ganzen Zahlen  ist ein Integritätsring mit dem Körper der rationalen Zahlen  als dazugehörigem Körper der Brüche. Referenzkörper bei der Konstruktion dieses Körpers kann dabei der Körper  selbst oder jeder andere Körper, der  enthält, sein. Gedacht ist dabei natürlich an den Körper der reellen bzw. komplexen Zahlen R bzw. . Die Frage dabei ist natürlich die, wie wir zu diesem Körper R finden. Der Schritt von den reellen zu den komplexen Zahlen ist dann ein rein konstruktiver bzw. ein rein algebraischer. Über diesen Schritt kann uns die Algebra vollkommen aufklären. Nichts zu sagen hat uns diese Algebra dagegen was den Übergang von den rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen betrifft. Das ist keine algebraische sondern eine topologische – eine den Zusammenhang der reellen Zahlen betreffende – Angelegenheit.

 

II. - Diese Konstruktion, die uns von den ganzen zu den rationalen Zahlen führt, kann natürlich nicht noch einmal angewandt werden, um zu einem den Körper der rationalen Zahlen als – echten – Teilkörper enthaltenden Körper zu finden. Wir könnten damit über den einmal erreichten Körper von Brüchen nicht hinausfinden, nachdem Körper bezüglich der in ihnen definierten Verknüpfungen abgeschlossen sind, auch wenn so ein Körper nur Teilkörper eines größeren Körpers sein sollte. Das funktioniert also nicht. Es funktioniert dieses Verfahren im übrigen auch nicht, wenn ein Integritätsring S nicht auch schon Unterring eines Körper K ist. Man kann dann zwar „abstrakte Brüche“  mit Elementen a, b aus diesem Ring bilden; es sind diese Brüche – operativ – dadurch allerdings nicht „erklärt“. Wir können so einen Bruch  jedenfalls nicht als Lösung der Gleichung b×x = a verstehen. In allgemeinen Integritätsringen, und d.h. in Integritätsringen, die nicht zugleich auch Körper sind, hat so eine Gleichung keine Lösung. Man kann auf dieser Menge „abstrakter Brüche“ allerdings alles an operativen Elementen definieren und konstruieren, was notwendig ist, um diese Menge zu einem Körper werden zu lassen.

Für den allgemeinen mathematischen Formalismus ist das auch ausreichend. Mehr kann man von diesem Formalismus auch nicht erwarten. Man kann von diesem Formalismus nicht erwarten, daß er so einen Bruch  „aufzulösen“ vermöchte. In diesem Formalismus nämlich ist die Schreibweise a/b ohne operative Qualität. Demzufolge ist in so einem Bruch auch nichts aufzulösen, weil sich hinter dieser Schreibweise keinerlei mathematische Operation verbirgt. So wie diese Brüche abstrakt-formal eingeführt sind, sind sie nicht als Quotienten eingeführt. Das können sie auch nicht, liegen doch dafür die Voraussetzungen in einem Integritätsring im allgemeinen nicht vor. Daran ändert sich aber auch nichts dadurch, daß die Menge dieser Brüche zu einem Körper erklärt werden kann. Dann kann zwar in diesem Körper ohne jede Einschränkung – die Division durch das 0-Element allein ausgenommen – dividiert werden; diese Division ist dann allerdings eine Division von Brüchen, die auch wieder einen Bruch zum Ergebnis hat, und nicht etwa die Division von Zähler und Nenner eines Bruches, die zur Auflösung des Bruches in der Weise führen würde, daß der Bruch a/b zweier – einfacher – Elemente a, b einem dritten Element c gleichgesetzt werden könnte. Es gibt diese – einfachen – Elemente in dieser Form in einem Körper der Brüche nicht.

Die Division in einem Körper der Brüche führt also nicht zur Auflösung von Brüchen.  Genau das erwarten wir aber, wenn wir den Integritätsring  zu einem Körper erweitern wollen, in dem dann auch unbeschränkt dividiert werden kann. Natürlich soll dann auch dividiert werden können, und d.h. es sollen Brüche durch eine einzige Zahl ersetzt werden können. Die Division soll dann nicht nur durch abstrakte Bruchbildung angedeutet, sondern auch effektiv ausgeführt werden können. Wie aber kann man dabei vorgehen, und wie können die „Zahlen“ aussehen, die so eine Division zum Ergebnis hat? Es müssen dafür auch neue, zusätzliche Zahlen aufgeboten sein, nachdem die Tatsache, daß eine mathematische Operation in einer Menge nur beschränkt ausführbar ist, immer auch bedeutet, daß uns für eine unbeschränkte Ausführung dieser Operation in dieser Menge auch das notwendige Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht. Ließe sich jedem Quotienten zweier ganzer Zahlen in einer durch diese Zahlen selbst begründeten Weise genau eine – weitere – ganze Zahl zuordnen, dann wäre die Division auf dieser Menge der ganzen Zahlen auch uneingeschränkt ausführbar. Es bestünde dann auch keinerlei Anlaß, nach einer Erweiterungsmenge zu suchen, in der dieser Unzulänglichkeit der Menge der ganzen Zahlen abgeholfen wäre.

Nun weiß man aber, daß – so wie die Division ganzer Zahlen definiert ist – diese Division ganzer Zahlen für bestimmte geordnete Paare solcher Zahlen eben nicht definiert ist, und d.h., daß es keine ganze Zahl geben kann, die so eine Division zum Ergebnis haben könnte. Also bedarf es in einer Menge, in der die Division ganzer Zahlen unbeschränkt ausführbar sein soll, eines neuen Zahlenmaterials, das uns alle diese Divisionen – im Ergebnis – darstellen läßt. Natürlich muß für dieses zusätzliche Zahlenmaterial dann selbst auch eine Division erklärt sein. Es soll schließlich nicht so sein, daß in dieser Erweiterungsmenge die Division dann zwar für die darin enthaltene Teilmenge der ganzen Zahlen, nicht aber auch für das zusätzliche Zahlenmaterial unbeschränkt ausführbar ist. Der Zweck der ganzen Aktion wäre damit verfehlt. Also, das mit der Division muß dann schon eine in sich geschlossene Veranstaltung in dem Sinne sein, daß jede der Zahlen, die aus der Division zweier Zahlen unserer Erweiterungsmenge hervorgeht, selbst auch wieder in eine Division – ob als Divisior oder Dividend – eingebracht werden kann, ohne daß zu befürchten wäre, daß diese Division in unserer Erweiterungsmenge nicht ausführbar wäre, und d.h., daß das Ergebnis dieser Division nicht seinen ganz natürlichen Ausdruck in Form und Gestalt eines ganz bestimmten Elementes dieser Erweiterungsmenge finden könnte.

Wie läßt sich so etwas aber sicherstellen? Wie läßt sich sicherstellen, daß man auch durch die Division „neu produzierter“ Zahlen nicht aus der Erweiterungsmenge herausfällt? Man darf dabei auch nicht vergessen, daß wir es bereits bei unserer Ausgangsmenge – der Menge der ganzen Zahlen – mit einer unendlichen Menge zu tun haben, und bei der Division zweier Zahlen – genauso wie bei jeder anderen Verknüpfung – in gewisser Weise eine „neue“ Zahl „erzeugt“ wird. Man kann und darf sich dann schon auch fragen, inwieweit sich so etwas noch unter Kontrolle halten läßt. Schließlich läßt sich für diese fortgesetzten Divisionen weder eine natürliche Richtung noch ein natürliches Ende bestimmen. Es kann dabei – auch mit den „neu produzierten“ Zahlen – auf die vielfältigste Weise kombiniert werden. Das ist genauso wie bei einer Topologie, bei der die Bildung von – einer Topologie definitionsgemäß zugehörenden – endlichen Durchschnitten bzw. unendlichen Vereinigungen von – wenn man so will – Ursüprungsmengen sowie auf diesem Wege gebildeten "Erweiterungsmengen".im allgemeinen nicht auch systematisch ausgeschöpft werden kann. .[60] Für gewöhnlich werden Topologien so eingeführt, daß man sagt, von welchem „Typ“ die einer Topologie zugehörenden Mengen sein sollen. Zu überprüfen ist dann, ob dieser „Typ“ von Menge gegenüber endlichen Durchschnitten bzw. unendlichen Vereinigungen von Mengen desselben Typs auch abgeschlossen ist, und d.h., ob solche Durchschnitte bzw. Vereinigungen auch diesem Typ von Mengen zugehören.

So etwas läßt sich abstrakt-formal beweisen. Man zeigt dann einfach, daß sich eine bestimmte Eigenschaft von Mengen notwendig auch auf endliche Durchschnitte bzw. unendliche Vereinigungen solcher Mengen überträgt. Dieser Beweis läßt sich – wie gesagt – ganz abstrakt-formal führen, und man ist dann auch davor sicher, daß aus einer solchen Topologie heraus Mengen entstehen könnten, die diese Durchschnitts- bzw. Vereinigungseigenschaften verlieren würden. Das kann dann nicht mehr passieren. Es kann dann nicht sein, daß Mengen – auf welchem Wege der Bildung endlicher Durchschnitte bzw. unendlicher Vereinigungen wir zu diesen Mengen auch gelangt sind – in ihren endlichen Durchschnitten bzw. unendlichen Vereinigungen auf einmal nicht mehr dem vorgegebenen Typ von Mengen angehören könnten.

Das kann dann nicht sein. Wir werden im allgemeinen aber auch nicht erwarten können, daß das ganze Mengensystem einer Topologie in allen ihr zugehörigen Elementen auch bestimmt bzw. rekonstruiert werden könnte. Es muß sich bei diesem Mengensystem auch nicht notwendig um eine abzählbare Menge von Mengen handeln. So ist durch die Potenzmenge einer Menge, und d.h. durch die Menge aller Teilmengen einer Menge auf dieser Menge auch eine Topologie definiert, und die Potenzmengen unendlicher Mengen gelten als nicht-abzählbare Mengen. Man kann die Mengen einer solchen Potenzmenge mit anderen Worten nicht der Reihe nach aufzählen. Mit dem Körper von Brüchen eines Integritätsringes können wir das schon, vorausgesetzt dieser Integritätsring ist – wie beispielsweise und insbesondere der Integritätsring der ganzen Zahlen – selbst – abzählbar. Wir haben für diesen Körper der Brüche eine Konstruktionsvorschrift, und diese Vorschrift stellt zusammen mit den Verknüpfungen, so wie sie für jeden Körper zu veranschlagen sind, auch sicher, daß man durch Division von Brüchen, unabhängig davon, wie wir zu diesen Brüchen gekommen sind, selbst auch wieder nur zu solchen Brüchen finden kann. Der Bruch  dividiert durch den Bruch  wird dann einfach zu dem Bruch . Auf diese Weise kann man natürlich nicht aus dem System von Brüchen herausfallen, unabhängig davon, ob diese Brüche einem übergeordneten Körper entnommen sind, oder der abstrakt-formalen Erweiterung eines Integritätsringes entstammen.

Beide Konstruktionsvarianten unterscheiden sich allerdings grundlegend darin, daß die Brüche, die einem gegebenen Körper entnommen sind, in diesem Körper auch ihre Auflösung in der Weise finden, daß so ein Bruch auch genau einem – einfachen – Element dieses Körpers entspricht, und d.h. diesem Element gleichgesetzt werden kann. Das ist einfach auch der Inhalt des Divisionsaxioms, das uns sagt, daß in einem Körper jede Gleichung der Form  für  genau eine Lösung, nämlich  besitzt. Natürlich ist dabei an die Division von b durch a gedacht, so wie sie uns aus dem Umgang mit Zahlen verschiedenster Art geläufig ist.

Wie wir wissen, können in der axiomatischen Begründung mathematischer Größen verschiedene Wege beschritten werden. In den allgemeinen Körperaxiomen, so wie sie uns aus der Begründung der reellen Zahlen bekannt sind, ist von Division ebensowenig wie von Subtraktion die Rede. Die Division bzw. Subtraktion, die es beide natürlich in einem Körper schon auch gibt, ist in den allgemeinen Körperaxiomen in den Axiomen der Existenz des Inversen bzw. der Existenz des Negativen verpackt. Die Division einer Zahl a durch eine Zahl b kommt dann der Multiplikation dieser Zahl a mit dem Inversen von b –  – gleich, während die Subtraktion einer Zahl b von einer Zahl a der Addition des Negativen von b zu a  –  – gleichzusetzen ist.

Man kann in der Definition eines Körpers aber auch den Weg über Ringe bzw. – zuvor schon – Gruppen[61] gehen. Dieser Weg wird in den Lehrbüchern der Algebra beschritten, nachdem dort in natürlicher Weise mit den algebraischen Größen angefangen wird, die über die einfachste algebraische Struktur verfügen, und das sind nun einmal Gruppen. Also fängt man damit an und schreitet dann zu algebraischen Objekten mit zunehmend komplexerer Struktur fort. Dieser Weg führt dann über das Konzept eines Ringes zum Begriff des Körper. Die Definition eines Körpers fällt dann natürlich anders aus als wenn gleich mit Körpern angefangen würde. Man kann (bzw. braucht) in der Definition eines Körpers dann einfach nur auf das Bezug (zu)nehmen, was Ringen gegenüber Körpern noch fehlt, und d.h. man charakterisiert Körper einfach als Ringe mit besonderen Eigenschaften. Körper sind dann beispielsweise Ringe, in denen auch das Divisionsaxiom gilt. Es ist dies allerdings nicht die einzige Möglichkeit, Körper über Ringe zu definieren, nachdem es auch mehr als eine Möglichkeit der Definition von Ringen gibt.

 

III. - In der Analysis spielen Gruppen und Ringe so gut wie keine Rolle. An Körper hat man es in der – reellen – Analysis auch nur mit einem einzigen, dafür aber um so gewichtigeren zu tun: dem Körper der reellen Zahlen   nämlich. Der Körper  der rationalen Zahlen spielt in der systematischen Entwicklung der Mathematik, so wie wir ihr in den Analysis-Lehrbüchern begegnen, – formal – keine konstitutive Rolle. (Real tut er es allerdings dergestalt, daß die Motivation für die Einführung des Vollständigkeitsaxioms sich aus der in   nur beschränkt ausführbaren Division ableitet. Demonstriert wird das in den Lehrbüchern exemplarisch immer an der Quadratwurzel aus 2: . Die Begründung des Körpers  der rellen Zahlen und mit ihm die Begründung der Mathematik als solcher steht ganz am Anfang der systematischen Entwicklung von Mathematik. Deswegen wird in der Mathematik bzw. wird in der Analysis auch mit den Körperaxiomen – unterteilt in die Axiome der Addition, die Axiome der Multiplikation und das Distributivgesetz – begonnen. Von der Division ist dabei – wie gesagt – nicht die Rede. Sie findet sich im Axiom von der „Existenz des Inversen“ integriert. In Körpern kann allgemein deswegen dividiert werden, weil es in Körpern zu jedem Element x auch ein bzw. – besser – das inverse Element  gibt, also das Element, das mit x multipliziert die 1 des Körpers ergibt.

Das Inverse eines Elementes ist genauso wie das Einselement durch die Körperaxiome eindeutig bestimmt. Das Axiom von der „Existenz des Inversen“ ist äquivalent mit der allgemeinen Lösbarkeit der Gleichung , und dieses wiederum bedeutet nichts anders als daß in Körpern allgemein, und d. h. unbeschränkt  dividiert werden kann. Der Quotient b durch a zweier Zahlen ist allgemein definiert als diejenige Zahl, die mit a multipliziert b ergibt. Völlig zurecht wird deswegen die allgemeine Lösbarkeit der Gleichung  in Körpern als Divisionsaxiom bezeichnet. In Körpern finden – wie gesagt – Brüche  immer schon ihre Auflösung, und d.h. läßt sich – effektiv-materiell – a durch b auch dividieren.[62]

 Bei der Konstruktion eines Körpers der Brüche eines Integritätsringes, der nicht bereits in einen Körper integriert ist, hat man das so nicht. Dort sind die Brüche einfach nur Symbol. Man kann dann zwar Brüche durch Brüche dividieren, man kann – im allgemeinen – die Brüche selbst aber nicht auflösen, und d.h. man kann den Zähler so eines Bruches nicht durch dessen Nenner dividieren. Das gibt diese Konstruktion nicht her. Dieses verdient deswegen festgehalten zu werden, weil der konstruktive Aufbau der reellen Zahlen von den natürlichen über die ganzen und die rationalen Zahlen hin zu den reellen Zahlen im Verfahrensschritt von den ganzen zu den rationalen Zahlen genau der Situation einer abstrakt-formalen Erweiterung des Integritätsringes „Menge der ganzen Zahlen“ zum Körper der Brüche dieses Integritätsringes entspricht. Diese Erweiterung erfolgt gewissermaßen in den leeren Raum hinein. Im Gegensatz dazu kann den axiomatisch begründeten reellen Zahlen der Körper der rationalen Zahlen einfach als Körper der Brüche des in diesen reellen Zahlen enthaltenen Integritätsringes  entnommen werden. Es muß dazu zuvor nur die Menge der natürlichen Zahlen in die Menge der reellen Zahlen eingebettet werden. Dann kann sofort auch zu den ganzen Zahlen und von diesen wiederum zu den Körpern der Brüche dieser ganzen Zahlen übergegangen werden.

In diesem Körper finden alle diese Brüche auch ihre Auflösung, und d.h. der Zähler so eines Bruches kann durch den Nenner dividiert werden. Das bedeutet, daß es für jeden solchen Bruch in diesem Körper der Brüche auch eine einfache Darstellung, und d.h. eine Darstellung, die sich nur eines Elementes dieses Körpers zu bedienen hat bzw. zu bedienen braucht, gibt. Im Körper der rationalen Zahlen – und um diesen Körper geht es hier – können Brüche dividiert werden. Als Ergebnis so einer Division finden wir dann entweder zu einer ganzen Zahl oder zu einem endlichen resp. periodisch-unendlichen b-al-Bruch.

In jede Bruchdarstellung gehen immer zwei Elemente des jeweiligen Integritätsringes ein. Aufgelöst, und d. h. Zähler durch Nenner dividiert werden können in Integritätsringen solche Brüche dagegen im allgemeinen nicht, weil diese algebraischen Gebilde im allgemeinen nicht das Divisionsaxiom erfüllen. Das gilt beispielsweise und insbesondere für den Integritätsring  der ganzen Zahlen. Gleichwohl kann man natürlich – abstrakt-formal – die Menge der Brüche  mit   bilden. Man kann diese Menge des weiteren auch zu einem Körper machen. Natürlich kann in diesem Körper dann auch unbeschränkt dividiert werden. Dies gilt dann auch für die Elemente des Integritätsringes, von dem man ausgeht, nachdem sich dieser Integritätsring in natürlicher Weise als Teilmenge des Körpers der Brüche dieses Ringes auffassen läßt. Kann so etwas in der Praxis aber – um auf diese Frage zurückzukommen – die Lösung des Divisionsproblems in Integritätsringen sein? Offensichtlich nicht.

 

 



[57] Ringe sind Mengen mit einer assoziativen und kommutativen Addition sowie einer assoziativen Multiplikation. Die beiden Verknüpfungen sind zudem distributiv. Ein Ring heißt Integritätsring, wenn er – auch bezüglich der Multiplikation – kommutativ und nullteilerfrei ist und ein von Null verschiedenes Einselement besitzt (s.d. Reiffen/Schejer/Vetter, Algebra, die Definitionen auf  S. 94 bzw. 105). Man beachte, daß in der Literatur nicht überall dieselben Anforderungen an Ringe gestellt werden.

[58] ebd. S. 128: Definition: Der Integritätsring S sei Unterring des Körpers K. Der kleinste S umfassende Teilkörper T von K heißt Körper der Brüche von S in K.

[59] ebd. S. 128, Satz 144: Der Integritätsring S sei Unterring des Körpers K. Dann besteht der Körper T der Brüche von S in K aus allen Elementen („Brüchen“) , wobei a und b aus S sind mit b¹0.

[60] Unter einer Topologie auf einer Menge X versteht man eine Menge von Teilmengen dieser Menge, die gegenüber unendlichen Vereinigungen und endlichen Durchschnitten abgeschlossen ist. Des weiteren gehören definitionsgemäß zu einer Topologie immer auch die leere Menge sowie die Menge X selbst.

[61] Eine Gruppe G ist eine Menge mit einer assoziativen Verknüpfung dergestellt, daß es ein  mit e a = a für alle , sowie für jede  ein  mit a-1 a = e gibt. (vgl. Reiffen, Scheja, Vetter, Algebra, die Definition von Gruppe auf Seite 11)

[62] Siehe dazu  O. Forster, Analysis 1, § 2 Körperaxiome, S. 8 ff.