2.2.2 Die Abzählbarkeit des kartesischen Produktes
I. – In eine konstruktive „innere“ Beziehung zu den Elementen abzuzählender Mengen können die natürlichen Zahlen nur über eine mathematisch-operative Abbildungsvorschrift, mit der Menge der natürlichen Zahlen als Definitionsbereich und der abzuzählenden Menge als Bild(-bereich) treten. Es kann dann nur nach einer allgemeinen Vorschrift abgebildet sein, die uns sagt, was mit der einzelnen natürlichen Zahl zu tun ist, damit wir zu dem dieser Zahl zuzuordnendem Bildelement finden. Es muß gesagt werden, welche mathematischen Operationen uns von der einzelnen natürlichen Zahl zu den einzelnen Bildpunkten führen. Das ist die einzige Möglichkeit, in der auf einer operativ-mathematischen Ebene Mengen abgezählt werden können. Eine Zuordnung von natürlicher Zahl zu Bildelement kann auf dieser Ebene nur so erfolgen, daß man in die Produktion der Bildelemente einsteigt. Die Auswahl dieser Elemente erfolgt über deren Produktion, und d.h., die Auswahl wird durch diese Produktion ersetzt. Es gibt einfach kein mathematisch-konstruktives Verfahren, das uns eine Auswahl von Elementen unabhängig von deren Produktion vornehmen ließe. Es kann von keiner Abbildung erwartet werden, daß sie uns die Elemente der Bildmenge unabhängig von der Produktion dieser Elemente identifizieren hilft, auf daß diesen Elementen anschließend noch im einzelnen Elemente einer anderen Menge zugeordnet werden mögen.
Diese Zweiteilung haben wir zwar generell bei allen Abbildungen, sie kann von einer Abbildung allerdings auch nur in einem einzigen Abbildungsvorgang vollzogen werden. Die bloße Identifizierung der Elemente einer Menge hat auch nicht unbedingt etwas mit Abbildung zu tun. Identifizierungen dienen allgemein nur dazu, daß man weiß, womit man es zu tun hat. Jede Identifizierung ist insofern eine ganz konkrete Angelegenheit. Identifizierungen können nicht abstrakt erfolgen. Identifiziert werden kann nur solches, das auch über eine eigene, unverwechselbare Identität verfügt. Die Identifizierung erfolgt dann so, daß man diese Identität in dem, was sie von allen anderen Identitäten unterscheidet, herausstellt. Es gilt dann einfach auf das unverwechselbar Charakteristische der einzelnen Identität Bezug zu nehmen.
Welche Möglichkeiten sind uns diesbezüglich nun in mathematischen Angelegenheiten geboten? Was können die Elemente der Mengen, mit denen man in diesen Angelegenheiten befaßt ist, Charakteristisches an sich haben, das uns die einzelnen Elemente deutlich voneinander unterscheiden, und d.h., auch identifizieren läßt? Im allgemeinen mathematischen Formalismus ist von Mengen und ihren Elementen nur abstrakt die Rede, und d.h., es sind dort die einzelnen Elemente einer Menge gerade nicht identifiziert. In diesem Formalismus ist von den Elementen einer Menge nur in allgemeinen Symbolen die Rede. Es ist mit keinem dieser Symbole ein konkret identifiziertes Element gemeint; jedes Element der betreffenden Menge kann sich in diesen Symbolen vielmehr in gleicher Weise wiederfinden. Es geht in diesem allgemeinen Formalismus eben nicht um das einzelne Element, sondern um die allgemeinen Beziehungen zwischen den Elementen einer Menge.
Es geht dabei nicht um die besonderen Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen, sondern um Beziehungen, die für alle Elemente der betreffenden Menge in gleicher Weise gelten. Auch in diesen Beziehungen wird also von den Bezugspunkten abstrahiert. Gleichwohl können diese Beziehungen nicht einfach mit völlig willkürlichen Zuordnungen verwechselt werden, so wie sie – wie gesehen – beim Abzählen von Mengen praktiziert werden dürfen. Dort kommt es bekanntlich nicht darauf an, wie die natürlichen Zahlen den Elementen der abzuzählenden Menge zugeordnet werden, es zählt allein, daß eine solche Zuordnung vorgenommen wird bzw. vorgenommen werden kann. Die Beziehung zwischen Punkt und Bildpunkt ist damit eine reine äußerliche. Diese Punkte gehen in die Beziehung nicht selbst auch ein. Das ist natürlich bei den Beziehungen, wie sie in der formal-mathematischen Analyse bzw. Begründung von Mengen behandelt werden, ganz anders. Dort wird zwar auch von den Bezugspunkten in ihrer konkreten mathematischen Identität abstrahiert; es sind – was immer wir uns an konkreten Bezugspunkten auch in so eine Beziehung gesetzt denken mögen – diese Bezugspunkte der dadurch bzw. damit realisierten konkreten Beziehung aber wesentlich.
Beziehungen zwischen den Elementen einer Menge sind generell auch operative Beziehungen in Form und Gestalt von Verknüpfungen. Innerhalb einer Menge kann auch nicht gut mit Abbildungen gearbeitet werden, wo doch Abbildungen immer auch Abbildungen von einer Menge in eine andere Menge sind. Innerhalb einer Menge kann man also keine Abbildungen veranstalten, es sei denn, es würde zu diesem Zwecke diese Menge in – eigenständig geführte – Teilmengen zerlegt, zwischen denen dann abgebildet werden kann. Es würde auch schon genügen, wenn eine Teilmenge – oder auch die Menge als ganzes – in einer zweiten – identischen – Ausführung der einen Menge zur Seite gestellt würde. Auch dann wären natürlich die Voraussetzungen dafür gegeben, daß abgebildet werden könnte.
Es wären dies auch vergleichsweise recht gute Voraussetzungen, können doch die Operationen, die in dieser Menge definiert sind, auch dazu verwandt werden, Abbildungen zwischen den beiden Exemplaren dieser einen Menge zu formulieren. Das ist im übrigen aber auch die einzige Möglichkeit, in der sich solche Abbildungen einrichten lassen. Es geht bei Abbildungen immer darum, daß jedem Element der einen Menge genau ein Element der anderen Menge zugeordnet wird. Wenn es sich um gänzlich verschiedene Mengen handelte, und d.h., wenn es sich dabei auch nicht um Teilmengen ein- und derselben Menge handelte, dann würde die Definition einer Abbildung zwischen solchen Mengen allerdings zu einem Problem. Das Problem bestünde darin, daß die Elemente der Bildmenge dann nicht einfach auf konstruktivem Wege erreicht werden können. Man kann den einem Punkt des Definitionsbereiches zugeordneten Bildpunkt dann nicht einfach in der Weise festgesetzt haben wollen, daß man diesen Punkt des Definitionsbereiches gewissen mathematischen Operationen unterzieht. Durch solche Operationen käme man aus dem Definitionsbereich nie heraus. Also kann es unter diesen Voraussetzungen auf dieser operativen Ebene zu keinen Abbildungen zwischen beiden Mengen kommen.
Der Begriff und das Konzept „Abbildung“ mag in den Lehrbüchern einführend in einer allgemeinen Form präsentiert werden, die den Eindruck vermittelt, als ob die Mengen, zwischen den abgebildet wird, nichts miteinander zu tun haben bräuchten. Man mag auf diese Weise alles an allgemeiner Terminologie zu diesem Thema ganz gut präsentieren können. Mit konkreten – nicht-trivialen – Beispielen für Abbildungen wird man dabei aber nicht dienen können. Triviale Beispiele für Abbildungen sind die identische und die konstante Abbildung. Trivial sind diese Beispiele deswegen, weil sie ohne jede operative Qualität sind. Bei den genannten Beispielen werden die Elemente einer Menge im einen Fall auf sich selbst, und im anderen Fall immer auf dasselbe Element abgebildet, wobei im ersten Fall der Bildbereich natürlich gleich dem Definitionsbereich der Abbildung zu sein hat. Auch die „Beschränkung“ einer Abbildung auf eine Teilmenge des ursprünglichen Definitionsbereiches ist ein nicht-operatives, triviales Beispiel für eine Abbildung.
Dieser allgemeine Abbildungs-Formalismus und diese allgemeine Abbildungs-Terminologie, so wie sie in einleitenden Teilen von Analysis I–Lehrbüchern insbesondere präsentiert werden, könnte – wie gesagt – den Eindruck erwecken, als ob im folgenden dann auch mit Abbildungen zwischen ganz verschiedenen Mengen gearbeitet würde. Tatsächlich aber dient dieser ganze Formalismus und dient diese ganze Terminologie nur der Konstruktion bzw. Analyse von Abbildungen, die die Menge der reellen Zahlen – oder eine ihrer Teilmengen – sowohl zum Definitions- als auch zum Bildbereich haben. Dann auch ist es möglich, die formal-abstrakte Reflexions-Stufe der allgemeinen Mengenterminologie zu verlassen, und mit konkreten, nicht-trivialen – weil operativen – Beispielen aufzuwarten. Wenn dann als ein – einfaches – Beispiel für eine Abbildung, die Abbildung, die jeder reellen Zahl x ihr Quadrat zuordnet, genannt wird, bekommt das ganze sofort eine andere Qualität.
Dann hat man es auch wirklich mit Beispielen und nicht bloß mit formaler, abstrakter Theorie zu tun. Wir werden dann auch mit einer wirklichen Abbildungsvorschrift bedient, und d.h., einer Vorschrift, die uns sagt, wie wir von jedem Punkt des Definitionsbereiches der Abbildung zu dem diesem Punkt zuzuordnenden Bildpunkt kommen. In dem genannten Beispiel geht das so vonstatten, daß jeder Punkt des Definitionsbereiches mit sich selbst multipliziert wird. Das kann man natürlich auch nur tun, weil es auf der Menge der reellen Zahlen eine Multiplikation gibt, und weil diese Multiplikation den Definitionsbereich auch zum Bildbereich hat. Das muß in diesem Beispiel auch so sein, führt doch die Multiplikation reeller Zahlen nicht über diese Zahlen hinaus. Das ist nun aber keine Besonderheit der Multiplikation, sondern eine Eigenart jeder auf einer Menge definierten Operation.
II. - Operationen, die auf einer Menge nicht ausgeführt werden können, sind auf dieser Menge auch nicht definiert. Das hat dann aber auch zu bedeuten, daß Definitions- und Bildbereich jeder operativen Abbildung notwendig derselben – umfassenden – Menge zugehören. In der Mathematik ist diese umfassende Menge immer ein- und dieselbe: die Menge der reellen Zahlen. Nur auf dieser Menge sind Operationen definiert, die zur Konstruktion von Abbildungen eingesetzt werden können. Daß diese Abbildungen dann nicht über diese Menge der reellen Zahlen auch hinausführen, und d.h., daß diese Abbildungen mit ihrem Bild auch in dieser Menge zu liegen kommen, kann man als eine Einschränkung der an sich – wenn man an den allgemeinen Abbildungsformalismus und die allgemeine Abbildungsterminologie sieht – zumindest weiterreichend gedachten – Möglichkeiten von Abbildungen sehen; wir haben dazu nur keine Alternative. Diese weiterreichenden Möglichkeiten sind nur theoretischer Art; sie lassen sich in der Praxis nicht auch umsetzen.
Das ist einfach auch deswegen nicht möglich, weil in fremde Mengen – operativ – einfach nicht abgebildet werden kann, operativ aber abgebildet werden muß, soll man damit – mathematisch – auch etwas anfangen können. Nicht-operative Abbildungen sind Abbildungen in mehr oder weniger – willkürlicher – Einzelzuordnung. Mit dem einzelnen abzubildenden Element geschieht dann weiter nichts, als daß dieses Element einem Element aus dem Bildbereich zugeordnet wird. Das muß nicht unbedingt rein willkürlich erfolgen. Man kann sich dazu schon auch bestimmte Kriterien zurecht legen. Wie immer diese Kriterien aber auch aussehen mögen, es sind dies Kriterien der Auswahl und keine Kriterien der Konstruktion, und d.h. die Kriterien sind vom Bildbereich und nicht vom Definitionsbereich der Abbildung bestimmt. Das ist bei jeder Auswahl so. Nach den Kriterien, nach denen ausgewählt werden soll, kann grundsätzlich nur in der Menge gesucht werden, aus der auszuwählen ist.
Auswahl muß nicht unbedingt auch etwas mit Abbildung zu tun haben. In der nicht-mathematischen Praxis ist das sicherlich auch die häufigere Form der Auswahl. Nur beim Abzählen – endlicher – Mengen nimmt in dieser Praxis auch Auswahl die Form einer Abbildung an. Die einzelnen Elemente der abzuzählenden Menge werden – imaginär – mit natürlichen Zahlen ausgestattet. Bei kleineren Mengen wird man dabei ganz willkürlich vorgehen können; bei größeren Mengen hingegen empfiehlt es sich, diese Zuordnung einer bestimmten Ordnung folgend vorzunehmen. Wie diese Zuordnung auch vorgenommen wird, sie wird nicht so vorgenommen, daß mit der einzelnen natürlichen Zahl nur Bestimmtes gemacht werden müßte, um zu wissen, welches Element der abzuzählenden Menge mit dieser natürlichen Zahl ausgestattet sein soll. Dazu müßte dieses Element gleich dem Ergebnis dieser mit den einzelnen natürlichen Zahlen ausgeführten Operationen sein. Anders kann auf einer operativen mathematischen Ebene auch nicht abgezählt werden. Einzig und allein die natürlichen Zahlen zählen sich vermöge der – nicht-operativen – identischen Abbildung selbst ab. Ansonsten kommen – in einem operativ-mathematischen Sinne – als abzählbare Mengen nur Mengen in Betracht, die innerhalb der „operativen Reichweite“ der natürlichen Zahlen liegen.
Das wäre jedenfalls eine notwendige, wenn nicht notwendig auch zureichende Bedingung für die Abzählbarkeit einer Menge. Die rationalen Zahlen beispielsweise liegen zweifelsohne innerhalb der operativen Reichweite der natürlichen Zahlen; dennoch können sie nicht auch operativ abgezählt werden. Es gibt keine allgemeine Abbildungsvorschrift, die die Menge der natürlichen Zahlen bijektiv auf die Menge der rationalen Zahlen abzubilden vermöchte. Das ist deswegen so, weil die Konstruktionsvorschrift für diese Menge der rationalen Zahlen uns jede einzelne dieser Zahlen nicht nur einmal sondern unendlich oft anzubieten hat. Rationale Zahlen sind Äquivalenzklassen mit der Äquivalenzrelation mit Damit müßte eigentlich in einer auf diesem Wege zu leistenden Gesamtdarstellung der Menge der rationalen Zahlen jeweils ausgewählt werden. Von den unendlich vielen Möglichkeiten, in diesem konstruktiven Verfahren eine jede rationale Zahl zur Darstellung zu bringen, sollten – und müssen – wir uns auch für eine einzige, und d. h. für jeweils einen Repräsentanten aus einer jeden Äquivalenzklasse entscheiden. Für diese Entscheidung läßt sich aber auch ein einheitliches Kriterium angeben.
Zur Auswahl kommt natürlicher- wie auch zweckmäßigerweise jeweils daß teilerfremde Exemplare unter den unendlich vielen Darstellungen einer jeder rationalen Zahl. Diese Vielzahl der Darstellungen resultiert bekanntlich daraus, daß Brüche, so wie sie der Darstellung rationaler Zahlen dienen, nach Belieben erweitert, und d.h. in Zähler und Nenner mit jeder beliebigen natürlichen Zahl multipliziert werden können, ohne daß dies am (Zahlen-)wert rationaler Zahlen etwas ändern könnte. Umgekehrt gilt das auch, und d.h. Erweiterungen – ob nun zuvor explizit ausgeführt oder im Bruch bereits implizit enthalten – können auch rückgängig gemacht werden, und dann gibt es im Gegensatz zu Erweiterungen, die – der unendlich vielen natürlichen Zahlen wegen immer wieder aufs neue auch vorgenommen werden können – in jedem Fall auch eine letzte Kürzung, unabhängig davon, wie großzügig oder wie kleinlich wir uns in diesen fortlaufenden Kürzungen geben. Dadurch, daß man durch den größten gemeinsamen Teiler von Nenner und Zähler kürzt, kann man allen Kürzungen auch mit einer einzigen Kürzung ein Ende setzen.
Das geht bei Erweiterungen so auch wieder nicht. Es gibt unendlich viele natürliche Zahlen aber keine größte natürliche Zahl. Also kann mit dieser größten natürlichen Zahl auch nicht erweitert werden, auf daß auch das mit den Erweiterungen ein Ende haben möge. Wollte man dieses Ende durch Erweitern mit dem Unendlichkeits-Symbol „ “ herbeiführen, dann sind zwar die beiden Multiplikationen in Zähler und Nenner definiert bzw. es gibt eine Konvention dazu wie sich das widerspruchsfrei definiert denken und praktizieren läßt. nicht aber der dabei entstehende Quotient . Außerdem finden sich auf diese Weise die Unterschiede zwischen den einzelnen rationalen Zahlen eingeebnet. Es wäre die ganze Menge dieser Zahlen auf diesen einen unzulässigen Quotienten zurückgeführt.
Wenn man einmal vom Vorzeichen absieht, ist jede rationale Zahl – in jedem ihrer Repräsentanten – gleich einem geordneten Paar natürlicher Zahlen. Die Menge der positiven rationalen Zahlen selbst ist dann gleich dem kartesischen Produkt der Menge der natürlichen Zahlen mit sich selbst. Dieses kartesische Produkt läßt sich – operativ – abzählen. Es gibt eine Formel, die die Menge der natürlichen Zahlen bijektiv auf deren kartesisches Produkt mit sich selbst abbildet.[38] Von diesem kartesischen Produkt wird jede rationale Zahl – abgesehen wie gesagt vom Vorzeichen – in allen ihren unendlich vielen Darstellungen erfaßt. Deswegen kann diese Abbildung auch nicht dazu dienen, die Menge der rationalen Zahlen abzuzählen, wenn jede rationale Zahl in der ihr eigenen Äquivalenzklasse auch nur in einem Repräsentanten dieser Klasse berücksichtigt sein soll. Bei diesen rationalen Zahlen handelt es sich nur um eine Teilmenge dieses kartesischen Produktes . Natürlich darf sich in der Darstellung einer (Zahlen-) Menge jede Zahl auch nur einmal dargestellt finden. Damit kann die Abbildung, die das kartesische Produkt abzählt, nicht zugleich auch die darin enthaltene Teilmenge der rationalen Zahlen abzählen (lassen), auch wenn sie das implizite tut.
Man kann so eine Abbildung schließlich auch nicht einfach auf den Bildbereich „rationale Zahlen“ einschränken. Man kann der Abbildung nicht die Punkte wegnehmen wollen, die sie benötigt, um auch abbilden zu können. Einschränken könnte man allenfalls den Definitionsbereich; das aber verbietet sich in diesem Fall deswegen, weil Abbildungen, die Mengen abzählen sollen, definitionsgemäß die ganze Menge der natürlichen Zahlen zum Definitionsbereich haben müssen. Im übrigen wäre es auch ein schwieriges Unterfangen diesen Definitionsbereich so einzugrenzen, daß sich das Bild dieser Abbildung genau mit der Menge der rationalen Zahlen deckt.
III. - Zum Nachweis der Abzählbarkeit der rationalen Zahlen brauchen wir diese Abbildung im übrigen auch nicht. Das läßt sich – wie gesagt – über die Teilmengen-Beziehung regeln. Teilmengen abzählbarer Mengen sind selbst auch abzählbar.[39] Natürlich kann man diesen Beweis nicht durch Angabe einer allgemeinen Abbildungsvorschrift führen, die für jede nur denkbare Situation dieser Art passend wäre. Es gibt auch kein Konstruktionsverfahren, das uns diese Abbildung im Einzelfall entwickeln ließe, unabhängig davon, ob für die übergeordnete Menge eine solche Vorschrift vorliegt oder nicht. Es könnte uns so eine Vorschrift nicht viel nützen, nachdem diese nicht einfach auch auf die abzuzählende Teilmenge übertragbar ist. Zum Beweis des Satzes, daß Teilmengen abzählbarer Mengen auch wieder abzählbar sind, genügt es ohne Einschränkung der Allgemeinheit, diese Behauptung für Teilmengen der Menge der natürlichen Zahlen zu beweisen. Wie Teilmengen der Menge der natürlichen Zahlen abzuzählen sind, das aber ist klar: Wir gehen diese Teilmenge einfach der Reihenfolge nach, in der sich deren Elemente in die – lückenlose – Reihenfolge aller natürlichen Zahlen einreihen, "durch".
Formal läßt sich dieses Verfahren durch eine rekursiv definierte Funktion beschreiben. Man kann sich fragen, inwieweit ein solches Verfahren den strengen Anforderungen genügt, die wir für alles Unendliche geltend gemacht haben. Die Frage ist, inwieweit so ein Rekursionsverfahren, das immer erst darauf zu sehen hat, was an Restmenge nach jedem Verfahrensschritt noch übrig ist, um daraus nach dem als nächstes zu berücksichtigenden Element zu suchen, in dieser Suche auch völlig zeitunabhängig gedacht werden kann, so wie wir das von jedem unendlichen Verfahren vorauszusetzen haben, soll dieses Verfahren auch zu dem jedem unendlichen Verfahren notwendigen Abschluß finden können. Das ist die Frage. Da ist nicht einfach nur ein Mechanismus am Werk, bei dem nicht eigentlich mehr etwas zu tun ist, weil alles immer schon getan ist; da wird vielmehr ein Verfahren inszeniert, bei dem immer wieder darauf gesehen werden muß, was als nächstes zu tun ist. Beide Vorgehensweisen unterscheiden sich durchaus.
Die Frage ist, ob diese Unterschiede hinreichen, dem rekursiven Vorgehen den Charakter eines unendlichen Verfahrens zu nehmen. Es sieht jedenfalls ganz danach aus, auch wenn auch für dieses rekursive Vorgehen gilt, daß von ihm nichts hervorgebracht wird, was nicht schon immer vollzogen ist. Die Bildpunkte der einzelnen natürlichen Zahlen gehen aus keiner operativen Behandlung dieser Zahlen hervor; sie werden vielmehr der Reihe nach vergeben, so wie sie der Größe nach geordnet sind. Das ist ein Kriterium, nach dem eine Auswahl immer gut erfolgen kann, so denn auch die Voraussetzungen dafür vorliegen. Bei Teilmengen der Menge der natürlichen oder auch ganzen Zahlen sind diese Voraussetzungen immer auch gegeben; bei Teilmengen der Menge der rationalen bzw. reellen Zahlen liegen diese Voraussetzungen dagegen im allgemeinen nicht vor.
Weder die rationalen noch die reellen Zahlen kann man so wie die natürlichen oder ganzen Zahlen – vollständig – einfach der Reihe nach ordnen. Damit entfällt bei allgemeinen Teilmengen der Menge der rationalen oder reellen Zahlen – und das sind zusammenhängende Teilmengen nach der gewöhnlichen Topologie auf diesen Mengen – diese Möglichkeit der Auswahl bzw. Anordnung. Gleichwohl gelten die rationalen Zahlen – im Gegensatz zu den reellen Zahlen – als abzählbar. Das hat dann gerade zu bedeuten, daß sich alle rationalen Zahlen „durchnumerieren“ lassen. Das lassen sich die – positiven – rationalen Zahlen auch, man muß sie nur richtig anzuordnen wissen. Abgezählt werden die rationalen Zahlen nach dem Cantorschen Diagonalverfahren. Dazu denkt man sich die positiven rationalen Zahlen einfach als Elemente einer unendlichen quadratischen Matrix gesetzt, wobei die beiden natürlichen Zahlen, von der eine jede rationale Zahl bestimmt ist, den Zeilen- bzw. Spaltenindex der einzelnen rationalen Zahl in dieser Matrix bestimmen. In den einzelnen Zeilen stehen dann alle rationalen Zahlen mit jeweils gleichbleibendem Nenner. Abgezählt wird so ein Zahlenschema nach dem andernorts bereits skizzierten Streckenzug.[40]
Das Verfahren ist natürlich kein operativ-mathematisches sondern ein geometrisch-graphisches. Das gibt es bekanntlich auch. Dieses Zahlenschema kann natürlich auch genauso gut mit dem kartesischen Produkt identifiziert werden, und dann muß es bei einem bloß geometrisch-graphischen Verfahren nicht bleiben, dann gibt es auch eine operativ-mathematische Alternative. Abgezählt wird dann zwar auch diagonal; wir haben dafür aber dann eine Abbildungsvorschrift, und d.h. wir können gezielt und getrennt den Bildpunkt einer jeden beliebig herausgegriffenen natürlichen Zahl bestimmen. Bei der geometrisch-graphischen Variante haben wir das nicht, wie bei dieser Variante ohnehin nur der Nachweis erbracht wird, daß sich das ganze Zahlenschema in eine einzige Reihenfolge bringen läßt, ohne diese Reihenfolge selbst auch abzuzählen bzw. "durchzugehen". Da ist schon auch zu unterscheiden. Dem ganzen Verfahren liegt einfach keine Abbildung zugrunde. Zudem wird in diesem Fall jede – positive – rationale Zahl auch in allen ihren unendlich vielen Erweiterungsformen erfaßt.
Dieses geometrisch-graphische Abzählverfahren wurde wiederholt auch schon der Kritik unterzogen. Ergänzend wäre dazu – genauso wie in Bezug auf rekursiv definierte Funktionen – nach der zeitlosen Unendlichkeit so eines Verfahrens zu fragen. Rekursiv ist dieses Verfahren nämlich auch insofern, als jeder neue Punkt des Streckenzuges Produkt und Ergebnis aller bisher verbundenen Streckenpunkte ist. Die Linienführung dieses Streckenzuges bestimmt, welcher Punkt als nächstes von dieser Strecke zu erfassen ist. Im Gegensatz zu einem allgemeinen rekursiven Verfahren liegen alle durch diesen Streckenzug zu verbindenden Punkte – aufgrund ihrer räumlichen Anordnung – in der Reihenfolge, in der sie verbunden sein sollen, auch schon vor. Es muß nicht erst noch etwa nach bestimmten Elementen gesucht werden, es müssen diese Elemente vielmehr einfach nur noch miteinander verbunden werden. Der Streckenzug folgt schließlich immer ein und demselben System. Das ist – in etwa –vergleichbar einem Gesetz der Serie, so wie es durch jede Abbildungsvorschrift definiert ist, wenn diese Vorschrift die Menge der natürlichen Zahlen zum Definitionsbereich hat. Genauso wie man sich durch so ein Gesetz der Serie alle natürlichen Zahlen auf einmal auf ihre Bildpunkte abgebildet denken kann, läßt sich so ein Streckenzug in seiner vollkommen regulären Form – und das ist in diesem Fall auch entscheidend – auch auf einmal vollzogen denken. Dabei wird allerdings jede einzelne – positive – rationale Zahl auch in allen ihren unendlich vielen Erweiterungsformen erfaßt. Für den Nachweis der Abzählbarkeit der rationalen Zahlen ist das jedoch ohne Bedeutung, sofern rekursiv definierte Verfahren auch als – reguläre – Abzählverfahren gelten.
Wenn die Menge, die jede einzelne rationale Zahl unendlich oft enthält, abzählbar ist, ist natürlich auch die Menge, die jede dieser Zahlen nur einmal enthält, und d.h., ist die Menge der rationalen Zahlen als Teilmenge dieser einen weitaus größeren Menge – nämlich – natürlich auch wieder abzählbar. Deswegen auch wird in der Frage der Abzählbarkeit der rationalen Zahlen nicht immer darauf geachtet, daß rationale Zahlen dabei nur über ihre Äquivalenzklassen erfaßt werden. Allgemein gilt der Satz, daß das kartesische Produkt zweier abzählbarer Mengen auch wieder abzählbar ist.[41] Die Besonderheit dieses geometrisch-graphischen Abzählverfahren besteht darin, daß in ihm nur auf – räumliche – lineare Anordnung gesehen wird. Insofern werden bzw. sollen dadurch nur die Voraussetzungen geschaffen sein, auch abzählen zu können, wenn auch abgezählt werden möchte. Das könnte dann aber auch nur Element für Element geschehen, und d. h. es könnte nicht geschehen. Man käme damit einfach an kein Ende.
Die einzelne natürliche Zahl hat mit dem ihr zugeordneten bzw. zuzuordnenden Bildpunkt insoweit nichts zu tun. Diese Zuordnung ist rein räumlich bedingt durch die Anordnung, die wir der abzuzählenden Menge geben, und durch die Linienführung, in der wir die Elemente dieser Menge alle miteinander verbinden bzw. uns verbunden denken. Das ist bei einem operativ-mathematischen Abzählverfahren ganz anders. Dort ist es die natürliche Zahl, die in Verbindung mit der Abbildungsvorschrift bestimmt, welches ihr Bildelement in der abzuzählenden Menge sein soll. Priorität unter diesen verschiedenen Abzählverfahren genießt in jedem Fall die operativ-mathematische Alternative dort, wo es eine solche Alternative auch gibt. Es gibt sie nur nicht auch überall diese Alternative, und es gibt sie insbesondere auch nicht für das Diagonalverfahren in seiner allgemeinen Form. Nicht jede Menge, die sich geometrisch-diagonal abzählen läßt, läßt sich auch mathematisch-operativ abzählen. Die Veranschaulichung ersetzt in diesen Fällen den Beweis, und das ist mathematisch nicht legitim.