2.1.4 Die Entwicklung von Unendlichem

 

 I. – Die Vorstellung unendlicher Folgen als sich in – unendlicher – Entwicklung befindender Folgen ist jedenfalls nicht die Vorstellung unendlicher Folgen so wie wir ihr in der Mathematik begegnen. Das ist nicht die Behandlung, die unendliche Folgen in der Mathematik erfahren. Folgen werden dort vielmehr als abgeschlossenen in dem Sinne behandelt, daß es diesbezüglich nichts mehr zu entwickeln gibt, weil – per Gesetz der Serie – bereits alles entwickelt ist, was es zu entwickeln gilt. Unendliche Folgen werden dieser Vorstellung zufolge nicht erst noch, sie sind bereits. Wenn man will, kann man sich gleichwohl diese Folgen als noch in der Entwicklung befindliche Folgen denken. Es ist dies nur keine Entwicklung, die diese Folge erst noch entwickeln würde. Es ist dies vielmehr eine Entwicklung, die entwickelt, was immer schon entwickelt ist. Diese Diskussion hatten wir auch schon einmal. Wie sich dabei gezeigt hat, kann man diese beiden gegensätzlichen – zeitbezogenen – Vorstellungen nicht mit der – physikalischen – Zeit, in der wir uns bewegen, in Einklang bringen. Gefragt ist dabei nach einer Zeit, in der noch werden kann, was immer schon ist.

Das ist gegenüber der uns allein möglichen Zeiterfahrung eine ganz andere Zeitvorstellung, die dabei zu entwickeln ist. In der Mathematik wird von diesem Zeitproblem abstrahiert, wie in dieser Disziplin auch von allem abgesehen wird, was mit Zeit zu tun hat. Unendliche Folgen liegen dann genauso wie alles andere auch, immer schon vollständig gesetzt vor. Das ist gerade, was solche Folgen betrifft, auch eine absolute Notwendigkeit, soll an der Möglichkeit solcher Folgen auch festgehalten werden können. Eine Zeitabhängigkeit im Aufbau einer solchen Folge könnte nur bedeuten, daß es zu solchen Folgen niemals kommen könnte, unabhängig davon, ob die Zeit selbst eine unendliche ist oder nicht. Das ist einfach auch das Problem, das man bei unendlichen Folgen hat, daß man nämlich, solange sie nicht vollständig vorliegen, auch nicht sagen kann, ob es sich um eine unendliche oder doch nur um eine endliche Folge handelt. Solange sich eine Folge in der Produktion befindet, muß diese Frage offen bleiben. Sollte es nun so sein, daß unendliche Folgen auch nur unendliche Folgen sein können, wenn sie sich auch immer in Produktion befinden, so würde das bedeuten, daß es auch keine unendliche Folgen geben kann, weil das, was noch in Produktion ist, noch nicht „ist“, sondern – allenfalls – erst „wird“.

Was sich noch in Produktion befindet, das wird erst, das ist noch nicht, und es kann erst dann geworden sein, wenn dessen Produktion beendet ist. Kann diese Produktion nicht beendet werden, findet das mit dem Werden des zu Produzierenden auch kein Ende, und d.h., dieses zu Produzierende wird auch nicht und „ist“ demzufolge auch niemals. Aus dem Verfahren zur systematischen Produktion von Zeichenfolgen beliebiger Länge und Zusammensetzung könnten damit auch dann keine unendlichen Zeichenfolgen hervorgehen, wenn wir diesesVerfahren – was dieses in der Form allerdings nicht tut, weil es systembedingt auf mehr als einem Zeichen aufbaut – immer nur ein und dasselbe Zeichen setzen ließe.

An diesem einfache(re-)n Beispiel waren unsere Überlegungen bislang auch orientiert. In dem einen wie in dem anderen Fall können wir uns einfach – ohne unser Zutun – vollständig vollzogen denken, wozu wir aus eigenen Kräften nur zu geringen – endlichen – Teilen fähig wären. Die Frage ist nur, was in diesem Zusammenhang „vollständig“ bedeutet. Offensichtlich kann damit nur gemeint sein, daß auch alles an Zeichen gesetzt ist, was an Zeichen gesetzt sein soll bzw. gesetzt sein kann. Wie aber kann so etwas sein, wo doch diesem Verfahren zur Aufgabe gesetzt ist, dieses eine Zeichen – ergänzend – immer wieder aufs neue zu setzen? Dieses Verfahren läßt sich naturgemäß – prozessual – nicht abschließen. Damit bleibt dieses Verfahren in seinem Vollzug notwendig immer auch unvollständig. Wenn man in der Mathematik gleichwohl keine Probleme damit hat, sich dieses Verfahren immer schon als vollständig vollzogen zu denken, dann liegt das offenbar daran, daß es dazu auch keine Alternative gibt, sobald wir dieses Verfahren seine Umsetzung auch sich selbst überlassen. Dann läßt sich einfach keine Grenze festsetzen, bis zu der alles an zu produzierenden bzw. bereits produzierten Folgen diesem Verfahren – gerade – überlassen sein kann, während alles weitere erst noch produziert werden müßte.

Eine solche – variable - Grenze gäbe es nur dann, wenn dieses Verfahren in seinem Vollzug in den Zeitablauf eingebunden wäre. Dann könnte man den Produktionsverlauf in Abhängigkeit von der Zeit genau verfolgen und immer auch genau sagen, wie weit diese Produktion gerade gediehen ist. Dann könnte man aber auch sicher sein, daß es zu keiner unendlichen Folge reicht. In den Zeitablauf integriert kann nichts Unendliches entstehen, selbst wenn die Zeit eine unendliche in dem Sinne sein sollte, daß Zeit kein Ende hat. Das gilt – dann – natürlich auch für die Zeit selbst, die in ihren eigenen Zeitablauf integriert ist, und die unabhängig davon, wie lange sie andauert, auf jeden Fall eine endliche ist. Für die Zeit in ihrem Zeitablauf gilt ohne Einschränkung das, was vorhin allgemein zum Sein vom Unendlichem und seinem Werden gesagt wurde. Solange die Produktion läuft, ist Unendliches noch nicht, sondern „wird“ – allenfalls – erst. Dazu darf aber auch die Produktion – von Zeit – nicht aufhören: Damit aber könnte unendliche Zeit auch niemals „sein“. Zu seiner solchen Unendlichkeit genügt es nicht, daß Zeit immer andauern würde; es bedarf dazu auch einer Form von Abschluß, und damit kann eine Größe wie Zeit, die in der Zeit, mit der Zeit und durch die Zeit erst wird, nicht dienen. Es steht dem allerdings nichts entgegen, sich Zeiteinheiten in beliebiger Anzahl – auf einmal – gesetzt denken, genauso wie wir uns ein beliebiges Zeichen beliebig oft zur Konstruktion einer Zeichenfolge beliebiger Länge gesetzt denken können. Dafür benötigt man auch keine Zeit; das läßt sich in einem Augenblick denken. Natürlich ist die Zeit, die wir uns dabei über diese Zeiteinheiten gesetzt denken, damit selbst nicht auch gesetzt und d.h., produziert. Die Zeit ist dadurch nicht mehr und nicht weniger geworden.

Daraus läßt sich schließen, daß beim Übergang von Endlichem zu Unendlichem Zeit notwendig transzendiert wird. Weiter läßt sich daraus auch schließen, daß es in der Zeit Aktual-Unendliches nicht geben kann. Wir brauchen zu Unendlichem den Abschluß; damit aber kann uns keine Zeit dienen, die immer erst noch wird. Diese Form von Abschluß kann allerdings auch nur als eine Leistung einer dazu befähigten Intelligenz gedacht und vollzogen werden. Die Mechanismen als solche, auf die wir uns dabei zu stützen haben, können diesen Abschluß nicht selbst auch setzen. Diese Mechanismen können auf sich gestellt nicht mehr tun, als das, was auch die Zeit von sich alleine nur tun zu tun vermag, nämlich Element für Element in einer nicht-endenden Reihenfolge von Elementen zu setzen. Daraus allein wird allerdings noch keine unendliche Folge solcher Elemente. Dazu bedarf es dann schon einer Form von Synthese, und d.h., auch einer Form von Abschluß, die das verfahrensimmanente, nicht-endende Setzen von Element für Element transzendiert.

 

II. - Aus einem laufenden Verfahren heraus kann über die Endlichkeit oder Unendlichkeit des dabei Produzierten bzw. zu Produzierenden nicht entschieden werden. Soll dabei Unendliches produziert sein, dann müssen dazu nicht nur die Voraussetzungen vorliegen, dann muß auch realisiert sein, daß diese Voraussetzungen vorliegen, und daß diese Voraussetzungen vorliegen, das läßt sich nur von dem her feststellen, wofür diese Voraussetzungen – in zureichender Weise – Voraussetzungen sind. Also, wenn wir nach den Voraussetzungen für das Vorliegen von Unendlichkeit fragen, dann können wir das nur aus einer realisierten Vorstellung von Unendlichkeit heraus tun. Die Vorstellung als solche muß natürlich eine wirkliche Vorstellung sein; sie darf sich nicht etwa erst noch in einer bestimmten Form von Entwicklung befinden. Unendlichkeit mag etwas sein, was untrennbar mit Prozeß und Entwicklung zu tun hat; als Vorstellung von Unendlichkeit kann diese aber nun etwas in sich Feststehendes sein. Sie wird – wie jede andere Vorstellung auch – eine Entwicklung durchlaufen, bis sie zu einer Vorstellung gereift ist. Ist sie das, ist diese Vorstellung als solche abgeschlossen und als solche dieser Entwicklung nicht weiter unterworfen. Sobald etwas ist, kann es nicht weiter „werden“, und solange es wird, „ist“ es noch nicht. Auch Unendliches kann als Unendliches nur als solches gedacht werden, das schon ist und nicht erst noch wird. Dazu allerdings bedarf es bei einer Größe, die – wie das bei Folgen allgemein so ist – auf Entwicklung angelegt ist, eines Abschlusses dieser Entwicklung, und dieser Abschluß kann naturgemäß von dieser Entwicklung selbst nicht gesetzt werden, wenn diese Entwicklung – konstruktionsgemäß – ohne einen solchen Abschluß ist. Der Abschluß besteht – verfahrensbezogen – in diesen Fällen darin, daß kein Abschluß vorliegt.

Dem menschlichen Geist ist es offenbar nicht fremd, auch so etwas noch unter der Vorstellung „Abschluß“ einzuordnen. Abgeschlossen ist so etwas in ihrer Nicht-Abgeschlossenheit. Diese Form von Abschluß will allerdings auch erst einmal realisiert sein. Aus der Perspektive des laufenden Produktionsverfahrens, und d.h., aus der Perspektive des Sich-In-Produktion-Befindlichen kann die Vorstellung eines Abschlusses des ganzen Verfahrens naturgemäß nicht entwickelt werden. So etwas läßt sich nur aus einer übergeordneten Perspektive des „Schon-Alles-Produziert-Habens“ des ganzen Verfahrens realisieren. Diese Realisierung besteht darin, daß wir uns diese Gesamt-Produktion in dem dieser Produktion zugrundeliegenden Gesetz der Serie vorweg genommen denken. Alles, was dabei an Produktion stattfindet, ist nichts anderes als die gesetzmäßige Umsetzung dessen, was diesem Verfahren vorgegeben bzw. aufgegeben ist. In diesem Sinne ist dies schon auch eine abgeschlossene Angelegenheit. Diese Abgeschlossenheit ist einfach in diesem bzw. durch dieses Gesetz der Serie begründet, das uns über die Vielzahl der Produktionsschritte bei der Umsetzung desselben einfach hinwegsehen läßt. In diesem Gesetz findet sich vollständig zusammengefaßt, was in der expliziten – materiellen - Ausführung notwendig unvollständig bleibt.

Wir setzen uns, wenn wir so eine unendliche Folge per Gesetz der Serie als vollständig gesetzt denken, über den Vollzug dieses Gesetzes in seiner Ausführung Zeichen für Zeichen einfach hinweg. Mit diesem Vollzug wären wir notwendig in den Zeitablauf verwiesen, ohne – wie wir wissen – Aussicht darauf, auf diesem Wege jemals an Unendliches heranreichen zu können. Der Schritt von Endlichem zu Unendlichem könnte auf diese Weise niemals vollzogen werden. Wie aber wird dieser Schritt vollzogen, wenn wir uns eine unendliche Folge per Gesetz „vollständig“ ausgeführt denken, wo doch bei dieser Ausführung auch nicht an anderes gedacht werden kann, als das, was zu tun wäre, wenn wir diese Folge Zeichen für Zeichen auszuführen gedächten? Liegt dies nur daran, daß das bei einer gedanklichen Ausführung alles ganz schnell geht, so schnell, daß uns die Zeit nicht mehr daran hindern kann, Unendliches zu erreichen?

Von dem dynamisch-prozessualen Nacheinander der einzelnen Folgen­glieder kann – das wissen wir – in der Produktion einer Folge – wie diese auch immer vonstatten gehen mag – nicht abstrahiert werden. Damit ist diese Produktion notwendig mit einer zeitlichen Komponente behaftet, und zwar einer Komponente die dem realen physikalischen Zeitverständnis folgt. Eine Folge wäre keine Folge, wenn in ihr die einzelnen Folgenglieder nicht einer genauen Reihenfolge folgen würden. Damit steht jedes Folgenglied in einer zeitlichen Priorität zum nächstfolgenden Folgenglied in der Reihenfolge aller dieser Folgenglieder. Von diesem Element zeitlicher Abfolge in der Reihenfolge einer Folge kann auch dann nicht abstrahiert werden, wenn wir uns eine Folge – per Gesetz der Serie – in einem einzigen Augenblick zur Gänze als vollständig gesetzt denken.

Allgemein ist es bei Abbildungen zwischen Mengen so, daß das Bild aus der Gesamtheit der einzelnen Bildpunkte besteht. Auch diese Bildpunkte müssen im einzelnen produziert sein, damit auch das Bild als Ganzes vorliegen kann. Bei Abbildungen haben wir im allgemeinen allerdings keine – natürliche – Reihenfolge, in der man sich die einzelnen Bildpunkte realisiert denken könnte. Dazu müßte der Definitionsbereich schon – von Natur aus – in eine Reihenfolge gebracht sein, damit sich diese Reihefolge – per Abbildung – einfach auch auf das Bild übertragen würde. Eine Reihenfolge ist bei Abbildungen allgemein allerdings in der Weise insinuiert, als immer nur ein Punkt zur Abbildung gebracht werden kann. Abbildungen können immer nur mit einem Punkt des Definitionsbereiches befaßt sein.

Mit Abbildung gemeint ist grundsätzlich punktweise Abbildung. Das gehört so einfach zur Definition von Abbildung. Daß diesbezüglich keine Mißverständnisse aufkommen können, ist einfach auch durch die Form der Abbildungsvorschrift gewährleistet, die in jedem Fall so konstruiert ist, daß sie nur eine – unabhängige – Variable enthält. Für diese Variable können dann wahlweise die Punkte des Definitionsbereiches eingesetzt und deren Bildpunkte errechnet werden. Zwei Punkte des Definitionsbereiches können dabei nicht zugleich zur Abbildung kommen. Bei Abbildungen aus höher-dimensionalen Räumen heraus besteht jeder Punkt des Definitionsbereiches allerdings aus ebenso vielen Komponenten, wie der betreffende Raum Dimensionen hat. Je nachdem, wie viele Dimensionen der Bildraum hat, zerfällt die ganze Abbildung in entsprechend viele „Teil“-Abbildungen. Im Idealfall findet bei gleicher Dimension von Urbild- und Bildraum  jede Komponente eine von allen anderen Komponenten unabhängig Behandlung in einer „Teil“-Abbildung, die jeweils genau eine Komponente bzw. Koordinate der einzelnen Bildpunkte abdeckt. Ein Beispiel dafür wäre die Abbildung

.Eine Abbildung zwischen n-dimensionalen Räumen kann also in der Weise „entflochten“ sein, daß die ganze Abbildung in n „ein-dimensionale Teilabbildungen“ zerfällt. Die einfachste Abbildung dieser Form ist die identische Abbildung vom n-fachen kartesischen Produkt einer Menge in diese Menge selbst. Nimmt man als „Basismenge“ so eines Produktes die Menge der reellen Zahlen, dann bestehen „entflochtene“ Abbildungen der beschriebenen Art einfach aus n reellen Abbildungen bzw. Funktionen.

 

III. - Die Menge der reellen Zahlen ist eine nicht-abzählbare Menge.[35] Damit kann das Bild einer Abbildung die diese reellen Zahlen zum Definitionsbereich hat nicht nur nicht in der Weise erstellt werden, daß – explizit-materiell – Punkt für Punkt abgebildet würde – das ist bei unendlichen Mengen generell (schon) nicht (mehr) möglich; es kann diese Abbildung auch keinem Gesetz der Serie überlassen bleiben, nachdem ein solches Gesetz notwendig zur Voraussetzung hätte, daß der Definitionsbereich ein abzählbarer Bereich ist. Das Gesetz der Serie bestünde dann einfach darin, daß entsprechend der durch diese Abzählbarkeit begründeten Reihenfolge des Definitions­bereiches abgebildet würde. Zum Gesetz der Serie des Bildbereiches – so die Abbildung auch eine injektive ist – würde auf diese Weise jede Abbildungsvorschrift werden. Wir hätten dann einfach eine Folge mit den reellen Zahlen als Definitionsbereich vorliegen. Jede reelle Funktion bzw. Abbildung wäre zugleich auch Folge. Der Begriff der Funktion bzw. Abbildung würde im Begriff der Folge aufgehen. Folgen bilden ab, und sie – ihre Bijektivität vorausgesetzt – zählen ab. Sie begründen im Bildbereich nicht – notwendig – auch ein Gesetz der Serie. Wir dürfen das – reguläre – Abbildungsgeschehen in der – etablierten – Mathematik nicht mit der Situation in der Produktion der die natürlichen Zahlen darstellenden Zeichenfolgen verwechseln. Bei letzterer wird – im mathematischen Sinne – nicht abgebildet. Es stünden zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Zahlen zur Verfügung,  die zu Abbildungen irgendwelcher Art herangezogen werden könnten. Dafür wissen wir in diesem Fall, wie eine jede dieser Folgen aus der ihr im System aller dieser Folgen vorausliegenden Folge hervorgeht. Bei regulären Abbildungen haben wir das – schon – auch, nur daß wir dazu den Umweg über den, einem Folgenglied zugrundeliegenden Urbildpunkt gehen müssen. Um welchen Punkt es sich dabei handelt, das müßte man dann aber auch wissen. Das sieht man einem Folgenglied – im Gegensatz zu unseren die natürlichen Zahlen darstellenden Zeichenfolgen – im allgemeinen nicht an. Die Mathematik zerbricht sich auch nicht darüber den Kopf, welcher – direkte – Zusammenhang zwischen den Gliedern einer Folge besteht bzw. bestehen könnte. Das ist für die Mathematik kein Thema, auch wenn es nicht ganz uninteressant scheint. Jede Reihenordnung, in die so eine Menge gebracht ist, haftet dieser Menge dann nur äußerlich an, sie wird von der Menge nicht selbst auch getragen.

 Daß sich eine Menge abzählen läßt, begründet also noch kein Gesetz der Serie in den Elementen der abgezählten Menge selbst, wie sich insbesondere auch in der Frage der Abzählbarkeit der Menge der rationalen Zahlen zeigen wird. Den Elementen dieser Menge läßt sich mit anderen Worten nicht entnehmen, wo sie innerhalb der Reihenfolge aller Elemente dieser Menge, einer Menge, in der sie natürlicherweise abgezählt werden, weil sie auch nur so abgezählt werden können, stehen. Keines dieser Elemente kann uns dann auch sagen, welches Element ihm in der Reihenfolge aller dieser Elemente folgt, bzw. vorausgeht. 

Bei allen geometrischen Abzählverfahren ist das dir Regel. Bei allen diesen Verfahren wird einfach ein Streckenzug konstruiert, der alle Elemente der abzuzählenden Elemente – linear – miteinander verbindet. Bei mathematischen Abzählverfahren müssen bzw. können wir uns diese Information über die Abbildungs- bzw. Abzählvorschrift rekonstruieren, wobei es auch dafür kein förmliches Verfahren gibt. Direkt entnommen werden können die diesbezüglichen Informationen nur einer Menge, die sich selbst Gesetz der Serie ist, und das ist sich nur jede einem – jede dem – System von Polynom-Darstellung der natürlichen Zahlen zugrundeliegende Menge von Zeichenfolgen. Von jeder in einem solchen System produzierten Zeichenfolge können wir sofort sagen, wo sie im System aller dieser Folgen positioniert ist, und welches die dieser dabei folgende bzw. vorausliegende Zeichenfolge ist. Den Elementen einer beliebigen Folge lassen sich solche Informationen – im allgemeinen nicht entnehmen. Man sieht den einzelnen Folgengliedern nicht an, wo sie innerhalb der Folge stehen bzw. wie es anschließend mit der Folge weitergeht, und wie es vor diesem Folgenglied – zuletzt – weitergegangen ist. Um den einzelnen Folgengliedern das entnehmen zu können, müßte man diese schon mit dem – natürlichen – Index versehen, der angibt, welche natürliche Zahl auf dieses eine Folgenglied abgebildet wurde.

Bekanntlich versteht man unter einer Folge reeller Zahlen eine Abbildung von den natürlichen in die reellen Zahlen. Die natürlichen Zahlen aber wissen wir in jedem System von Polynom-Darstellung dieser Zahlen im einzelnen – genau in die (natürliche) Reihenfolge aller dieser Zahlen einzuordnen inkl. aller Informationen darüber, wie es mit dieser Reihenfolge weiter geht und zuvor bereits weitergegangen ist. Das ist – wie gesagt – aber auch die einzige – in Reihenfolge geordnete – Menge, die uns in allen ihren Elementen mit entsprechenden Informationen dienen kann. Sobald diese Reihenfolge über eine Abbildung mit den natürlichen Zahlen als Definitionsbereich und d. h. über Folgen eine Folge hergestellt wird, liegt so eine Information im allgemeinen nicht mehr vor, weil es sie dann – im allgemeinen – auch nicht mehr gibt. Wie die Glieder einer Folge operativ zusammenhängen, wenn sie denn auch derart zusammenhängen, interessiert die Mathematik nicht. Wir dürfen davon ausgehen, daß es diesen Zusammenhang – abgesehen einmal von rekursiven definierten Folgen – nicht gibt. In rekursiv definierten Folgen leitet sich bekanntlich jedes Folgenglied aus den Folgengliedern zuvor ab. Dafür sieht man einem solchen Folgenglied aber noch weniger als jedem Element einer regulär definierten Folge an, wo es innerhalb einer Folge als ganzer steht. Diesbezügliche Rekonstruktionsbestrebungen gestalten sich dann noch etwas aufwendiger. Es kann gut sein, daß man die Folge ganz von vorne aufnehmen muß, um die genaue Position so eines Folgengliedes im Ganzen der Folge bestimmen zu können. Sehr viel nachhaltiger als wir das bei einfachen Folgen haben, schleppt dabei jedes Folgenglied alles, was an Folge zuvor war, mit sich mit. Die Abhängigkeit eines Folgengliedes von der ihr natürlicherweise in der Reihenfolge aller Folgen- glieder zugeordneten bzw. zugehörigen natürlichen Zahl, der natürlichen Zahl also, die uns sagt, um das wievielte Folgenglied es sich handelt, findet sich dabei zunehmend verdeckt. 

Diese Verbindung zwischen den einzelnen Gliedern einer – regulär – definierten Folge besteht darin, daß wir von einem Folgenglied zum nächstfolgenden in der ganzen Serie von Folgengliedern dadurch gelangen, daß wir die der Produktion der ganzen Folge dienende Abbildungsvorschrift auf die der zuletzt beanspruchten natürlichen Zahl folgende natürliche Zahl anwenden. Dadurch wird schon auch eine Form des „inneren“ Zusammenhangs zwischen allen Gliedern der solcherart produzierten Folge hergestellt. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn den einzelnen Folgengliedern in einer bestimmten – aber frei wählbaren – Reihenfolge natürliche Zahlen einfach nur angeheftet würden. Allerdings ist dieses Anheften – wie gesehen – auch bei einer durch eine Abbildungsvorschrift begründeten Folge von Nutzen, wenn es darum geht, in begleitender Weise anzumerken, welche natürliche Zahl welchem Folgenglied zugrundeliegt. Den einzelnen Folgengliedern sieht man so etwas – wie gesagt – im allgemeinen nicht einfach an. Die natürlichen Zahlen gehen in eine Folge, die aus einer Abbildung mit den natürlichen Zahlen als Definitionsbereich hervorgeht, also in ganz anderer Weise ein, als sie dies bei einem „einfachen“ Abzählverfahren  jemals tun könnten.

 

 



[35] Als abzählbar gilt eine Menge M definitionsgemäß dann, wenn es eine surjektive Abbildung von der Menge der natürlichen Zahlen auf die Menge M gibt. Nachdem demzufolge endliche Menge von Definitions wegen auch abzählbare Menge sind, beschränkt man sich in der Literatur in der Definition von Abzählbarkeit zumeist auf unendliche Mengen und kann dann auch die Injektivität – also insgesamt auch Bijektivität – der abzählenden Abbildung zur Bedingung für Abzählbarkeit machen. Man spricht dann auch von abzählbar- unendlichen Mengen als zur Menge der natürlichen Zahlen numerisch äquivalenten Mengen (siehe dazu beispielsweise N.B. Haaser, J.A. Sullivan, Real Analysis, p.14; „5.1. Definition: Sets A and B are said to be numerically equivalent or to have the same cardinal number if there exists a one-to-one function from A onto B .... If the set A is numerically equivalent to the set N of all positive integers, then A is said to be countably infinite).