2.1.3 Was „sind“ unendliche Zeichenfolgen?

 

I. - Man kann sich Zeichen in beliebiger Anzahl – in Reihenfolge – in der Zeit gesetzt denken, ohne auch nur eines dieser Zeichen in der Zeit gesetzt zu haben. Die materielle Ausführung bringt – das haben wir vorhin schon festgestellt – gegenüber einer bloß gedanklichen Realisierung nichts an zusätzlicher Erkenntnis oder an zusätzlichem bzw. verändertem – materiellem  – Sein mit sich. Die Zeichen als solche, die wir uns gesetzt denken, sind – in der ihnen eigenen Identität und Realität – selbst nicht Gegenstand dieser Aktion, sondern nur Mittel zum Zweck der Produktion von Zeichenfolgen. Wie diese Zeichen aussehen, ist dabei ohne jede Bedeutung. Den Zeichen kommt in diesem Zusammenhang einzig und allein die Aufgabe zu, Material für ein Reihenbildungsverfahren abzugeben, nachdem aus nichts auch keine Reihenfolge gebildet werden kann; dazu ist Reihenfolge – auch als Phänomen – einfach von einer viel zu stark ausgeprägten Individualität. Dieses Phänomen läßt sich dementsprechend auch nicht – einmal – formalisieren, so wie in der Mathematik  – nun einmal – formalisiert wird. Davon wird noch die Rede sein. Es mag in der Mathematik – aus formalen Gründen – mit leeren Mengen operiert werden; mit leeren Reihenfolgen kann offenbar nicht einmal formal etwas angefangen werden. Es wird jedenfalls nicht gemacht. Die leere Reihenfolge ist in der Mathematik und für die Mathematik kein Begriff. Reihenbildung gibt es in der Mathematik immer nur als konkrete Reihenfolge am konkret (vor-)gegebenen Material. Das gilt natürlich für die Darstellung der die natürlichen Zahlen darstellenden Zeichenfolgen. Das dazu benötigte Material gibt man sich am besten in Form und Gestalt einfach zu reproduzierender Zeichen vor. Gefragt sind in diesen Dingen einfache Schriftzeichen, und d.h., Zeichen, die jederzeit auch auf einem Blatt Papier unter Verwendung einfacher Schreib-Utensilien festgehalten werden können.

In der Formgebung der verwendeten Zeichen bietet sich dann natürlich ein wenig kunstvolles Äußeres an. In der Auswahl der Zahlzeichen wird dem auch Rechnung getragen, wobei die einzelnen Zeichen sich in einem Umfang ein charakteristisches Äußeres  zu bewahren haben, das jedes Zeichen deutlich von jedem anderen unterschieden sein läßt. Ähnlich verhält es sich mit den Buchstaben eines Alphabetes. Keines dieser Zeichen erfährt dabei – wo und wann immer es auch Verwendung findet – als Zeichen irgendeine Veränderung. Das hat nichts damit zu tun, daß es die verschiedensten Schrifttypen bzw. – noch kürzer – Schriften gibt. Hier hat man durchaus auch die Auswahl. Sobald ausgewählt wurde, ist man auf die betreffende Schrift aber auch festgelegt. Es empfiehlt sich tunlichst, innerhalb ein und desselben Schriftstückes auch nur mit einem Schrifttyp zu arbeiten. Die Buchstaben des Alphabetes sind – so gesehen – unveränderliche Konstanten einer Sprache. Dasselbe gilt für die Zahlzeichen in der Mathematik. Es gibt keine mathematische Operation, die an diesen Zeichen etwas verändern könnte oder auch nur etwas verändern wollte.

Mathematische Operationen dienen dort, wo sie möglich sind, und d.h., wo Zahlen in konkreter Darstellung vorliegen, der Umordnung bzw. Neuformation von Zeichenfolgen, so wie sie allgemein der Darstellung natürlicher Zahlen dienen. Die einzelnen Zeichen sind als Zeichen selbst – wie gesagt – nicht Gegenstand so einer Operation. Sofern ein Zeichen auch nach erfolgter Operation noch Verwendung findet, und d.h., sofern so ein Zeichen im Ergebnis einer Operation – weiter – in Erscheinung tritt, tut es dies in genau derselben Weise, in der es dies auch zuvor, und d.h., bevor diese Operation ausgeführt wurde, getan hat. Man kann dazu auch so sagen, daß materiell in der Mathematik nichts bewegt wird. Die Zeichen, die dort Verwendung finden, finden diese Verwendung einzig und allein über ihre äußere Form und Gestalt, unabhängig davon, ob wir diese Zeichen explizit-materiell setzen oder uns nur implizit-ideell  gesetzt denken. Diese Zeichen werden in dieser ihrer Form und Gestalt weder verändert, bzw. als verändert gedacht, noch werden sie in der materiellen Ausstattung, die sie in aufgezeichneter Form natürlich schon auch besitzen, bearbeitet bzw. als bearbeitet gedacht. Alle verwendeten Zeichen bleiben – der Intention nach – völlig unverändert, nur daß sie eine andere räumliche Verteilung erfahren. Das ist nun zwar bei jeder physikalischen Aktion auch nicht anders, nur daß es dort immer ein materiell verfaßtes Objekt ist, das in dieser seiner materiellen Verfassung Gegenstand einer solchen Bewegung ist.

Das aber kann man bei unseren Zeichenbewegungen in der Ausführung mathematischer Operationen so nicht sagen. Bei den Zeichen, die dabei bewegt werden, interessiert nur die Form und Gestalt, und auch diese Form und Gestalt können wir uns – schon auch – nach Belieben vorgeben. Es stünde uns dabei natürlich auch frei, uns bestimmte materielle Dinge zum Vorbild zu nehmen. Es bietet sich nur nicht an, dabei mit diesen Dingen selbst auch umgehen zu wollen, und d.h. Zahldarstellung anhand der explizit-materiellen Vorführung dieser Dinge betreiben zu wollen. Man müßte ja diese Dinge die uns zu Zahldarstellungen dienen – abgesehen davon, daß auf diese Weise nur Zahldarstellungen möglich waren, die in ihren „Zeichenfolgen“ diese Dinge nur einmal enthalten – immer mit sich führen, um sich entsprechend auch verständigen zu können.

Wir hatten diese Diskussion schon einmal, als es darum ging, den sprachsetzenden bzw. intelligenzbegründenden Charakter von Polynom-Darstellungen natürlicher Zahlen gegenüber einer Form von Darstellung dieser Zahlen, die in ihren Zeichenfolgen mit nur einem Zeichen auszukommen sucht, zu begründen. Sprache, so haben wir festgestellt, fängt dort an, wo über Dinge gesprochen werden kann, ohne diese Dinge selbst auch zum Einsatz bringen zu müssen. Ein solcher Einsatz liegt – wie gesehen – allerdings vor, wenn jede natürliche Zahl – verstanden als endliche Summe von Einsen – der Anzahl dieser Einsen entsprechend durch entsprechend viele in Reihe gesetzten Exemplare des diese Eins darstellen sollenden Zeichens darzustellen ist. Also, das ist eine Form von Darstellung, der eine im engeren Sinne sprachliche Komponente fehlt. Um uns in dem mitteilen zu können, was wir an Zahl mitgeteilt haben wollen, müßten immer die entsprechend vielen Zeichen gesetzt werden, wobei alles, – und das ist entscheidend – was dabei an Information "rüberkommt", bzw. "rüberkommen"  kann, in einzig und allein der Anzahl gesetzter Zeichen besteht. Erschwerend kommt dabei noch hinzu, daß diese Anzahl nicht anders kommuniziert werden kann als durch das wiederholte explizit-materielle Setzen dieses einen Zeichens. Beziffert – und allein darauf käme es schließlich auch an – ist dadurch diese Anzahl nicht. Die jeweilige Zahl wird einfach nur demonstriert, und nicht eigentlich in Sprache übersetzt. Die gesprochen-sprachliche Übersetzung einer solchen Zeichenfolge könnte in diesem System von Darstellung auch nur so aussehen, daß das entsprechende Zahlwort entsprechend oft auch gesagt wird. So etwas kann allerdings nicht als Zahlwort einer Sprache gelten. Es würde dieses eine Zahlwort einfach entsprechend oft wiederholt. Das aber haben wir so bei keinem (Zahl-)wort einer Sprache.

Die einfache Wiederholung eines Wortes stellt keine syntaktisch zulässige Wortverbindung dar. Es läßt sich damit kein Inhalt verbinden, der über das hinaus ginge, was uns mit der einfachen Ausführung eines Wortes bereits mitgeteilt wäre. Wortwiederholungen sind für das, was Worte bedeuten, ohne jede Bedeutung. Das gilt für die Semantik einer Sprache, und in der Syntax einer Sprache sind Wortwiederholungen ohnehin nicht vorgesehen. Das gilt im übrigen auch für den allgemeinen Formalismus in der Mathematik, der – wie gesehen – ein dem Grundsatz „ein Zeichen für eine mathematische Größe“ folgender Formalismus ist. In der Sprache dieses Formalismus können die verschiedene mathematische Größen darstellenden einfachen Zeichen dann auch nicht unverbunden nebeneinander zu stehen kommen. Eine solche Verbindung wäre in dieser Sprache nicht erklärt, wenn man einmal von der Konvention des fakultativen Multiplikationspunktes absieht, der uns eine Multiplikation überall dort angedeutet denken läßt, wo zwei Zeichen ohne eigene operative Verbindung nebeneinander zu liegen kommen.

Die bloße Aneinanderreihung von Zahlzeichen stellt also keine kommunikative Form der Darstellung von Zahlen dar, wenn die Tatsache, daß diese Zeichen alle in eine Reihenfolge gebracht sind, für die Bedeutung, die die einzelnen Zeichen für die Reihenfolge als Ganzes haben, ohne jede Bedeutung ist. In einem System, in dem jede natürliche Zahl ihre Darstellung durch eine entsprechende Anzahl von in Reihenfolge gesetzten Einsen etwa findet, hat die Reihenfolge, in der diese Einsen gesetzt sind, und hat die Tatsache, daß diese Einsen in Reihenfolge gesetzt sind, für diese Einsen und das, was sie zur Darstellung der solcherart dargestellten natürlichen Zahl beitragen, keinerlei Bedeutung. Die Anordnung bzw. Ansammlung könnte genauso gut auch eine andere sein. Sofern nur sichergestellt ist, daß alles, was an Einsen der Darstellung einer natürlichen Zahl dienen soll, dieser Darstellung auch sicher zugeordnet werden kann, ist dieser Darstellung auch nichts hinzuzufügen. Allerdings kann auf diese Darstellung dann auch nur so verwiesen werden, daß alle diese Zeichen – ob mündlich oder schriftlich – im einzelnen auch reproduziert werden. Es gibt mit anderen Worten für die dadurch dargestellte Zahl kein Zahlwort, das uns von einer solchen explizit-materiellen Reproduktion unabhängig machen könnte. Über solche Darstellungen kann man sich nur vermittels dieser Darstellungen selbst verständigen, Darstellungen, die – wie gesagt – nicht sprachfähig sind.  Man kann nicht über diese Darstellungen, sondern immer nur durch diese Darstellungen sprechen. Allerdings nicht mehr Unter Sprache im engeren und eigentlichen Sinne fällt diese Form der Kommunikation natürlich nicht – mehr.

 

II. - Der Umgang mit Folgen wäre notwendig auf endliche Folgen beschränkt, wenn man sich über Folgen nur dadurch verständigen könnte, daß sie in allen ihren Folgengliedern immer auch explizit-materiell (re-)konstruiert werden. Unendliche Folgen wären dann kein möglicher Gegenstand der Kommunikation, und mit ihnen wäre auch der Mathematik die Grundlage entzogen. Von unendlichen Folgen kann allerdings auch nur – das wissen wir – in Verbindung mit einem Gesetz der Serie die Rede sein, das uns in nicht-abbrechender Folge immer weitere Folgenglieder beschert. Für gewöhnlich nimmt dieses Gesetz der Serie die Form einer Abbildungsvorschrift von der Menge der natürlichen Zahlen in die Menge der reellen oder auch komplexen Zahlen an. Auf diese Weise ist natürlich die Unendlichkeit der (Bild-)Folge sichergestellt, gilt doch die Menge der natürlichen Zahlen als eine unendliche Menge, und gilt weiterhin auch, daß es bei unendlichen Folgen nicht auf die Verschiedenheit der Folgenglieder ankommt. Diese Folgenglieder könnten gut und gerne auch alle gleich sein, so wie wir das bei allen konstanten Folgen auch haben.Jede reelle bzw. komplexe Zahl oder – allgemeiner noch – jedes Element einer Menge ist so gesehen für eine unendliche Folge gut.

Die Unendlichkeit von Folgen ist also immer eine den natürlichen Zahlen entlehnte Unendlichkeit. Wer einen Zugang zu dem Phänomen Unendlichkeit finden will, wird sich deswegen zu allererst an die natürlichen Zahlen und deren Unendlichkeit zu halten haben. Als unendlich Menge sind die natürlichen Zahlen deswegen anzusehen, weil sie in ihrer Darstellung aus einem Verfahren hervorgehen, das das diesem Verfahren anvertraute Material zu Zeichen- folgen von unbegrenzter Länge bzw. Zusammensetzung verbindet. Die unendliche Menge natürlicher Zahlen gibt es auch nur, weil es diese Verfahren gibt. Für die Produktion von Unendlichem bedarf es einfach eines Gesetzes der Serie, und wo dieses Gesetz nicht einfach die Form einer Abbildung mit einer in Reihenfolge geordneten unendlichen Menge als Definitionsbereich annehmen kann, weil eine solche Menge noch nicht vorliegt, kann die Produktion einer solcher Menge auch nur über ein Verfahren erfolgen, das endlich viele vorgegebene Zeichen in systematischer Weise zu Zeichenfolgen verschiedenster Länge und verschiedenster Zusammensetzung verbindet bzw. fortschreibt.

Es gibt dazu keine Alternative. Man kann eine unendliche Menge in allen ihren unendlich vielen Elementen nicht einzeln durch einfaches Zeichen darstellen wollen. Für so etwas gäbe es einfach kein Gesetz der Serie, und so ein Gesetz benötigen wir bei der Produktion unendlicher Mengen nun einmal. Es darf dabei auch nicht vergessen werden, daß wir diese Produktion aus einer angenommenen Situation heraus vorzunehmen haben, in der uns noch nichts dergleichen wie Unendliches zur Verfügung steht, so daß uns jede Möglichkeit der Ableitung der zu konstruierenden Unendlichkeit aus einer bereits gegebenen Unendlichkeit heraus verwehrt bleibt. Insbesondere ist uns nicht die Möglichkeit eines Auswahlverfahrens geboten, das uns einer festen Regel folgend einer vorgegebenen unendlichen Menge in unbegrenzter Anzahl Element für Element entnehmen ließe. Insofern hat unsere Aufgabe etwas von einer (Neu-)Schöpfung an sich.

Die Produktion einer unendlichen Menge kann man nur einem Verfahren überlassen, das dies in selbständiger und selbsttätiger Weise zu tun vermag, ohne daß wir dafür noch anderes zu tun hätten, als dieses Verfahren dies einfach tun zu lassen. Wir haben so ein Verfahren in Form und Gestalt der systematischen Produktion der die natürlichen Zahlen darstellenden Zeichenfolgen vorliegen. Das, was dieses Verfahren zu produzieren vermag, ist eine unendliche Menge in dem Sinne, daß diese Produktion keine Zeichenfolge zu ihrer letzten Zeichenfolge hat. Es gibt in dieser Produktion also keine Zeichenfolge, der nicht noch eine weitere – endliche – Zeichenfolge folgen würde.

Das ist im übrigen auch notwendige Voraussetzung dafür, daß an Unendliches im Zusammenhang mit diesem Verfahren gedacht werden kann. Was die Anzahl der in diesem Verfahren produzierten endlichen Zeichenfolgen betrifft, so ist das offenbar auch eine zureichende Voraussetzung dafür, daß diese Anzahl eine unendliche ist, wenn mit unendlich einfach gemeint ist, daß es in der Reihenfolge aller dieser Zeichenfolgen keine letzte Folge gibt. Ist das aber auch eine zureichende Voraussetzung dafür, daß es in diesem Verfahren zur Produktion unendlicher Zeichenfolgen kommt? Reicht es dafür hin, daß immer nur Zeichen an Zeichen gesetzt wird? Genügt es dazu, daß das Verfahren auch immer andauert? Werden wir dann am „Ende“ des Verfahrens auch mit einer – oder auch mehreren – unendlichen Folge bedient? Man muß dabei auch wirklich auf das Ende des Verfahrens sehen, weil – solange das Verfahren läuft – wir von diesem Verfahren immer nur mit Endlichem bedient sein können. Das ist einfach das Dilemma, in dem wir uns mit dieser Vorstellung von Unendlichkeit befinden. Wir können diese Unendlichkeit von dem dieselbe produzierenden Verfahren nicht abkoppeln; damit aber bleiben wir – was die dabei produzierten Folgen betrifft – fest der Endlichkeit dieses Verfahrens verbunden. Im laufenden Verfahren selbst werden keine unendlichen Folgen produziert. Produziert werden könnte so etwas allenfalls am „Ende“ des Verfahrens. Dazu dürfte das Verfahren aber auch nicht beendet werden bzw. sein. Wird bzw. ist es nicht beendet, befind- en wir uns weiterhin im Verfahrensablauf, und dieser Verfahrensablauf produziert – wie wir wissen – nur Endliches.

 

III. - Die Frage, inwieweit aus diesem Verfahren Unendliches hervorgehen könne, hängt ganz davon ab, inwieweit dieses Verfahren mit einem Abschluß in Verbindung gebracht werden kann. Die Fortdauer des Verfahrens allein tut es nicht, auch wenn nachgewiesen werden könnte, daß diese Fortdauer eine ununterbrochene ist bzw. sein wird. Im Fortgang des Verfahrens befinden wir uns aktuell immer nur in der Produktion von Endlichem, unabhängig davon, wie weit wir in dieser Produktion auch schon gediehen sind bzw. wie lange diese Produktion schon läuft. Von diesem Produktionsfaktor kann auch nicht bei Produktionen abstrahiert werden, die in ihrem Produktionsgebaren zeitunabhängig sind. Das ist so bei dem – für uns im Augenblick ohnehin ausschließlich untersuchten – Verfahren zur Darstellung natürlicher Zahlen per systematisch entwickelter bzw. fortgeschriebener Zeichenfolgen. Produziert müssen in jedem System von Polynom-Darstellung natürlicher Zahlen die diese Zahlen darstellenden Zeichenfolgen schon auch, auch wenn wir selbst dabei nichts zu tun haben, und uns dabei im übrigen ohnehin auch nur in der Reproduktion endlich vieler dieser Folgen dienlich machen könnten.

Mit der Vorgabe des – im übrigen frei wählbaren – Materials, auf das dieser Mechanismus immer auch angewiesen ist und der weiteren Vorgabe, dieser Mechanismus möge auf dieses Material auch wirken, ist – augenblicklich gewissermaßen – alles, was dieser Mechanismus an Zeichenfolgen zu produzieren vermag, auch schon – vollständig – produziert. Das läßt sich auch nicht anders denken. Es gibt kein Kriterium, das uns irgendeine Grenze feststellen ließe, bis zu der hin alles gerade produziert wäre, während alles darüberhinaus – erst – noch der Produktion entgegensehen würde. Wir haben in dieser Frage nur die eine Alternative: Entweder wir stellen uns auf den Standpunkt, das die Bereitstellung von Material und Mechanismus alleine noch nichts bewirkt und daraus folglich auch keine Zeichenfolgen hervorgehen können, oder wir sind der Meinung, diese Bereitstellung allein läßt auch schon Zeichenfolgen produziert sein und dann ist – mangels natürlich gezogener Grenzen – notwendig auch alles an Folgen produziert, was man sich nur an Folgen produziert denken kann. Die Frage ist: Gehören dazu auch unendliche Zeichenfolgen, und d.h., Folgen, die kein letztes Zeichen enthalten? Können solche Folgen überhaupt abschließend gesetzt sein, wo doch diese Folgen kein letztes Zeichen enthalten und die Produktion dieser Folgen –verfahrens- bzw. naturgemäß – eine Produktion Zeichen für Zeichen zu sein hat?

Von diesem dynamisch-prozessualen Element von Folgenbildung kann – im Verfahrensablauf – selbst dann nicht abstrahiert werden, wenn wir uns eine Folge – per Gesetz der Serie– auf einmal gesetzt denken können. So ein Gesetz ist jedenfalls nicht dazu geeignet, die einzelnen Folgenglieder unabhängig von der Reihenfolge, in der sie natürlicherweise diesem Gesetz folgend folgen, zu setzen. Schließt so etwas aber nicht gerade aus, daß eine Folge, die konstruktionsgemäß keinen Abschluß kennt, als abgeschlossen betrachtet werden könnte? Mit abgeschlossen gemeint sein kann nur, daß kein weiteres Zeichen mehr zu setzen ist, weil bereits alles an Zeichen gesetzt ist, was an Zeichen zu setzen ist bzw. gesetzt werden kann. Das haben wir bei unendlichen Folgen nun aber gerade nicht. Kann es dann womöglich sein, daß es solche unendliche Folgen nicht gibt, einfach weil solche Folgen nie fertig sein dürfen, als in der Entwicklung sich befindende Folgen aber keine unendliche Folgen sein können? Läßt sich dieser Konflikt auflösen?

In der mathematischen Vorstellungswelt besteht dieser Konflikt nicht, einfach weil man sich dort mit dem Wissen darüber, daß das mit der Fortschreibung einer Folge nie aufhört, zufrieden gibt, um dieser Folge – definitionsgemäß – den Status einer unendlichen Folge verleihen zu können. Die Frage, wie das mit dem – notwendig – fehlenden Abschluß ist bzw. wie man sich den Übergang von Endlichem zu Unendlichem denken kann, stellt man sich dann auch nicht. Offensichtlich braucht man das auch nicht, um erfolgreich Mathematik betreiben zu können. Es wäre allerdings auch verfehlt zu meinen, diese Fragen wäre ohne jede mathematische Bedeutung. Also, wenn sich herausstellen sollte, daß es keine unendlichen Zeichenfolgen gibt, einfach weil solche Folgen immer nur als in der Entwicklung sich befindende Folgen gedacht werden  können, und solange sie sich in der Entwicklung befinden, diese Folgen auch keine unendlichen Folgen sein können, dann würde das bedeuten, daß in der Mathematik mit nicht-existenten Größen operiert würde. Bei der Bedeutung, die diese Größen für die Mathematik haben, würde das auch bedeuten, daß die – ganze – Mathematik eine ziemlich imaginäre bzw. fiktive Veranstaltung wäre. In der Realität kommt man einfach nicht über endliche Zeichenfolgen hinaus, auch wenn der Größe dieser Endlichkeit, und d. h. der Anzahl gesetzter Zeichen dabei nach oben keine Grenze gesetzt ist. Eine Form von Unendlichkeit wäre das auch. Wir werden dabei nur nicht auch mit unendlichen Zeichenfolgen bedient (werden können). Dazu reicht diese Form von Unendlichkeit keineswegs hin. Die Frage ist dann allerdings die, wie unendlich diese Form von Unendlichkeit denn eigentlich ist. Alles hängt an der Beantwortung dieser Frage.