Teil II

 

Der Mechanismus der Darstellung der Menge der natürlichen Zahlen

 

Kapitel 1

 

Die Unendlichkeit von Unendlichem

 

 

2.1.1 Wie wird aus Endlichem Unendliches?

 

I. - Die Menge der natürlichen Zahlen gilt deswegen als eine unendliche Menge, weil der Mechanismus, der uns diese Zahlen darstellen läßt, bzw. der diese Zahlen schon immer dargestellt hat, ein nicht-abbrechender Mechanismus ist. Die dabei produzierten Zeichenfolgen, von denen eine jede eine ganz bestimmte natürliche Zahl darstellt, lassen sich immer weiter fortentwickeln. In der allgemeinen Darstellung von Mathematik und d.h. im allgemeinen Formalismus von Mathematik wird von diesem Mechanismus und der dadurch begründeten Darstellung der natürlichen Zahlen allerdings abstrahiert. In diesem allgemeinen Formalismus finden natürliche Zahlen – wie im übrigen jede andere mathematische Größe auch – ihre Darstellung in den Buchstaben des Alphabetes. Sie finden auf diese Weise eine abstrakte Darstellung, und d.h., eine Darstellung, die von konkreten Zahlenwerten abstrahiert. Wenn es um die Feststellung allgemeiner Eigenschaften der natürlichen Zahlen geht, ist dies – wie gesehen – auch die einzig angemessene Form der Darstellung.

Es ist dies auch die einzig angemessene Form der Darstellung was die Konstruktion unendlicher Folgen angeht. Eine solche Konstruktion nimmt – die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen vorausgesetzt – notwendig die Form einer allgemeinen Abbildungsvorschrift an, in die die natürlichen Zahlen über das allgemeine, abstrakte Symbol n eingehen. Generell bedient sich der allgemeine mathematische Formalismus in der Darstellung der einzelnen mathematischen Größen einer einfachen Darstellung. Es ist dies ein – ungeschriebenes – Gesetz dieses Formalismus. So kann in der Interpretation solcher formalistischer Darstellungen a priori ausgeschlossen werden, daß die enge räumliche Kombination zweier abstrakter Zeichen jemals der nicht-operativen Darstellung einer einzigen mathematischen Größe dienen könnte. Jedes dieser Zeichen stellt vielmehr eine mathematische Realität bzw. Identität für sich dar, was dann notwendig auch zur Folge hat, daß die Kombinationen solcher Zeichen von einer operativen Natur sind.

Konventionsgemäß sind Zeichen in enger räumlicher Anbindung als Produkt zu lesen. Auf das Setzen eines Multiplikationspunktes kann dann verzichtet werden. Eine solche Konvention kann es natürlich nur für eine einzige mathematische Operation geben. Jede andere Operation muß durch das entsprechende Operationszeichen bezeichnet werden, auch wenn sie auf einer formalen, abstrakten Ebene selbst nicht ausgeführt, sondern im Ergebnis allenfalls auch wieder nur in abstrakter Weise angedeutet werden kann. Das schmälert allerdings nicht die Möglichkeit der Entwicklung von Mathematik. Es gibt nichts an allgemeiner mathematischer Erkenntnis, dem sich nicht auf dieser allgemeinen abstrakten Ebene Ausdruck verleihen ließe. Das gilt natürlich nicht für die konkrete Umsetzung solcher allgemeiner Erkenntnisse. Also, daß 2 + 3 = 5 ist, das weiß man natürlich auch nur, weil man weiß, was 2, was 3, was 5 ist und was es heißt, 2 und 3 zu addieren. Diese Erkenntnis läßt sich natürlich immer nur konkret, und d.h. unter Verwendung genau dieser konkreten Zahlen 2, 3 und 5, nicht aber auch abstrakt unter Verwendung von ihrem –Zahlenwert nach – unbestimmten Symbolen Ausdruck verleihen. Abstrakt kann nur das zur Darstellung kommen, was allgemein für alle natürlichen Zahlen gilt.

Allgemein gilt beispielsweise, daß in einer Summe die Summanden vertauscht werden dürfen, ohne daß sich dadurch am Ergebnis der Summe etwas ändern würde. Also, wenn a + b = c ist, dann ist auch b + a = c, unabhängig davon, welches die natürliche Zahl a und welches die natürliche Zahl b sein möge. Abhängig von der Auswahl für a und b ist natürlich die Zahl c als Summe von a und b. Diesen Summenwert c von der Auswahl für a und b unabhängig sein lassen wollen hieße, diesen Summenwert einfach ganz nach Belieben festsetzen zu können. Damit aber würde eine solche Operation ohne jede strukturelle Bedeutung für eine Menge sein. Es wäre damit keine Beziehung begründet, die von den Elementen einer Menge selbst getragen wäre. Insbesondere könnte eine solche „Beziehung“ nicht dazu verwandt werden, eine Menge über ihre Strukturen in ihrer mathematischen Identität zu bestimmen. Nur diese Strukturen sind im übrigen auch dem allgemeinen, abstrakten mathematischen Formalismus zugänglich. Das haben schließlich aber auch Strukturen so an sich, daß sie die Beziehungen zwischen den Elementen einer Menge allgemein regeln. Struktur betrifft immer die Menge als ganzes. Man kann nicht von der Struktur reden, die zwischen zwei Elementen einer Menge bestünde. Zwei solche Elemente können allenfalls in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen, und auch diese Beziehung kann wieder nur so gedacht werden, daß sie – grundsätzlich jedenfalls – auch anderen Elementen offensteht. Beziehungen lassen sich nur allgemein formulieren. In der Formulierung bzw. Festsetzung von Beziehung wird auf Bezugspunkte notwendig nur abstrakt Bezug genommen. Es wird dann einfach allgemein formuliert, indem gesagt wird, daß zwei – beliebige – Elemente a, b einer Menge in einer bestimmten Beziehung stehen, falls... Diese Bedingung muß natürlich so formuliert sein, daß für jedes – geordnete – Paar von Elementen aufgrund dieser Bedingung entschieden werden kann, ob diese Elemente in der betreffenden Beziehung stehen oder nicht.

Gegenüber dem, was durch eine Beziehung in Beziehung gebracht ist, stellen Beziehungen Begriffe zweiter Ordnung dar. Die in der Mathematik am häufigsten anzutreffende Beziehung ist die Kleiner-gleich-Beziehung „£“. Die Menge der reellen Zahlen steht in so einer Beziehung vermöge und vermittels der Anordnungsaxiome.[34] Erfaßt ist davon die ganze Menge der reellen Zahlen, was Beziehungen allgemein so nicht zur Voraussetzung haben. Als „£ -  Relation“ auf einer Menge gilt jede reflexive, antisymmetrische und transitive Relation. £ - Relationen werden auch Ordnungsrelationen genannt, und ist von so einer Relation – so wie bei den reellen Zahlen – die ganze Menge erfaßt, dann spricht man von so einer Ordnungsrelation auch genauer noch als von einer (linearen) Anordnung. Daß von dieser Anordnung die ganze Menge der reellen Zahlen erfaßt ist, ist natürlich rein konstruktionsbedingt, dienen doch die Anordnungsaxiome der Begründung der reellen Zahlen, und da kann natürlich nicht selektiert werden, solange diese Zahlen nicht vorliegen, und solange sie nicht vollständig begründet sind, liegen diese Zahlen auch nicht vor. Notwendig beziehen sich die einzelnen Verfahrensschritte in der Begründung der reellen Zahlen immer auf das Ganze dieser Zahlen.

 

II. - Im abstrakten mathematischen Formalismus gilt die unendliche Menge der natürlichen Zahlen insgesamt als eine in allen ihren Elementen durch einfache Zeichen dargestellte Menge. In diesem Formalismus wird ganz allgemein von konkreter Darstellung abstrahiert, und damit wird auch von zusammengesetzter Darstellung abstrahiert, so wie wir sie in jedem System von Polynom-Darstellung der natürlichen Zahlen haben. Man kann bei der „Verwendung“ natürlicher Zahlen im allgemeinen mathematischen Formalismus allerdings nicht von einer Darstellung natürlicher Zahlen im engeren Sinne reden. Von Zahlen ist in diesem Formalismus immer nur abstrakt und allgemein im Zusammenhang allgemeiner struktureller Beziehungen in Zahlenmengen die Rede. Auf konkrete Zahlen – in dann notwendig auch konkreter Darstellung – ist dabei kein Bezug zu nehmen. Allgemeines läßt sich auch nur allgemein zum Ausdruck bringen. Also wird man in der Formulierung allgemeiner Eigenschaften von Zahlen kein Material verwenden, das bereits der Darstellung konkreter Zahlen dient.

Ein diesbezüglich dankbares Material sind die Buchstaben des Alphabetes, nachdem diese nicht auch als Zahlzeichen bei allgemeiner Zahldarstellung Verwendung finden. Der allgemeine mathematische Formalismus ist eine Zeichensprache, die in ihren nicht-operativen Elementen aus demselben Repertoire schöpft, aus dem sich auch die natürlichen Sprachen bedienen. Der Bedarf an Zeichen bei allgemeinen, abstrakt-formalen mathematischen Überlegungen ist immer nur ein endlicher. Anders könnte solchen Überlegungen kein – materieller – Ausdruck verliehen werden, nachdem wir – in der Zeit – immer nur endlich viele Zeichen setzen können, egal wieviel Zeit wir uns dafür nehmen. Im allgemeinen werden dafür weit weniger Zeichen benötigt, als das Alphabet an Zeichen bereit hält. Im übrigen auch kann in der Verwendung dieser Zeichen durch Indizes – hochgestellt oder tiefgestellt – oder sonstige „Verzierungen“ weiter differenziert werden. Auf keinen Fall wird im allgemeinen mathematischen Formalismus jedoch von dem Grundsatz „ein Zeichen für eine mathematische Größe“ abgewichen. Damit ist die Zeichensprache des allgemeinen mathematischen Formalismus eine gegenständliche-materielle und keine sprachlich-kommunikative. Das findet – wie gesagt – einfach auch darin seinen Ausdruck, daß von jedem der Zeichen dieser Zeichensprache gesagt werden muß, was damit bezeichnet sein soll. Diese Zeichen können uns das nicht von sich aus sagen.

Wenn es darum gehen sollte, mit dem Buchstaben des Alphabetes, die unendliche Menge natürlicher Zahlen darzustellen, dann käme man bei konsequent betriebener Einzel-Darstellung sehr schnell an ein Ende. Bei einer konsequenten „Ein-Zeichen-für-eine-Zahl-Strategie“  müßten immer neue Zeichen „nachgelegt“ werden, damit auch immer weiter weitere natürliche Zahlen „bedient“ werden können. Es geht in diesem System von Darstellung offenbar nur darum, auch ausreichend viele Zeichen für immer noch mehr natürliche Zahlen zur Verfügung zu haben. Die Frage ist: Reichen dafür einfache Zeichen aus, und wenn ja, reicht es dazu aus, daß nach jedem Zeichen immer noch ein weiteres Zeichen gefunden und gesetzt werden kann? Man darf nicht vergessen, daß es in dieser Frage um die Darstellung einer unendlichen Menge geht, zu der dann notwendig auch unendlich viele Zeichen benötigt werden. Die Frage ist dann einfach die, ob die Möglichkeit, immer wieder aufs neue neue Zeichen zu setzen, eine nicht nur notwendige, sondern auch zureichende Bedingung für die dadurch zu produzierende unendliche Zeichenmenge ist. Fest steht jedenfalls, daß mit jedem neu gesetzten Zeichen die Menge bereits gesetzter Zeichen immer nur um ein weiteres Zeichen ergänzt und so in ihrer Endlichkeit nicht verändert wird. Die Frage ist, wie auf diesem Wege eine unendliche Zeichenmenge aufgebaut werden könne.

Genau dieselbe Frage hat sich uns im Zusammenhang der – mechanischen – Darstellung natürlicher Zahlen durch Zahlzeichenfolgen in den verschiedensten Systemen von Polynom-Darstellung gestellt. Die Frage ist einfach die, wo in so einem Verfahren ständiger Fortentwicklung von Zeichenfolgen der Schritt von Endlichem zu Unendlichem vollzogen wird. Man kann dieser Frage – und diese Feststellung hat uns auch zu unseren Überlegungen über die allgemeine abstrakte Darstellung natürlicher Zahlen im allgemeinen Formalismus der Mathematik geführt – nicht dadurch ausweichen, daß man jede natürliche Zahl durch ein einfaches Zeichen dargestellt sein lassen will. Es wird dann zur Darstellung natürlicher Zahlen von keinen Zeichenfolgen Gebrauch gemacht, man kann sich dafür aber alle diese einzelnen Zeichen zu einer Zeichenfolge zusammengeführt denken, die dann genauso wie die Zeichenfolgen zur Darstellung einzelner natürlicher Zahlen immer wieder um weitere Zeichen ergänzt würde. Man könnte sich dann – auch darauf wurde schon hingewiesen – sogar auf die Ergänzung von jeweils ein und demselben Zeichen verständigen, was uns wieder auf das System reiner „Ein-Zeichen-Folgen“ zurückführen würde.

In der Frage des Überganges von endlichen zu unendlichen Zeichenfolgen haben wir uns bisher nämlich ohnehin – der besseren Übersichtlichkeit wegen – auf Zeichenfolgen beschränkt, die sich – in verschiedenster Anzahl – nur aus ein und demselben Zeichen zusammensetzen. In diesem System von Zeichenfolgen gibt es offenbar nur eine einzige unendliche Folge. Die Frage ist, wie wir uns den Übergang von den unendlich vielen endlichen Folgen zu dieser einen unendlichen Folge denken können. Also, fest steht, daß es – wie bereits gesagt – unendliche viele endliche solcher Folgen gibt. Das ist einfach darauf zurückzuführen, daß es bei der Fortschreibung dieser Zeichenfolgen um jeweils ein weiteres Zeichen keine Stelle gibt, an der das Verfahren beendet wäre, einfach weil kein weiteres Zeichen mehr gesetzt werden könnte. Dann aber könnte es auch zu keiner unendlichen Zeichenfolge im Vollzug des Verfahrens mehr kommen. Insofern auch ist die Unendlichkeit der Menge endlicher Zeichenfolgen, so wie sie aus diesem Verfahren hervorgehen, eine notwendige Voraussetzung dafür, daß es – möglicherweise – auch zu einer unendlichen Zeichenfolge in diesem Verfahren kommen kann. Was zeichnet dann aber die Unendlichkeit der einen unendlichen Zeichenfolge gegenüber der Unendlichkeit der unendlich vielen endlichen Zeichenfolgen, aus und wie kommen wir in der Menge dieser endlichen Zeichenfolgen zu unendlich vielen solcher Folgen?

Fest steht jedenfalls, daß das Verfahren in der sukzessiven Ergänzung bereits produzierter Zeichenfolgen um jeweils ein weiteres Zeichen ganz allgemein nur endliche Folgen produziert. Das ist jedenfalls so, solange das Verfahren läuft, und das Verfahren läuft, solange noch keine unendliche Folge erreicht ist. Endliche Folgen erfahren in diesem Verfahren immer wieder eine Fortsetzung, eine – genauer – endliche Fortsetzung. Daran ändert sich auch das ganze Verfahren über nichts. Heißt das, daß in diesem Verfahren bzw. durch dieses Verfahren ausschließlich endliche Zeichenfolgen produziert werden? Daß dieses Verfahren nicht abbricht, würde allein das schon hinreichen, die Menge produzierter Zeichenfolgen eine unendliche sein bzw. werden zu lassen? Dazu muß das Verfahren aber auch immer fortgeführt werden. Ein Abbruch – an welcher Stelle auch immer – würde sowohl der Menge produzierter Folgen als auch der dabei erreichten Länge in den einzelnen Folgen ein – endliches – Ende bereiten. Abgebrochen werden kann in diesem Verfahren nur in der laufenden Produktion endlicher Folgen.

Es läßt sich in dem ganzen Verfahren kein Punkt ausfindig machen, von dem man sagen könnte, von nun an würde das Verfahren der Produktion einer unendlichen Folge dienen. Das kann deswegen nicht sein, weil dann die zuvor produzierte Folge keine endliche Folge sein dürfte. Eine endliche Folge konnte auch wieder nur eine endliche Fortsetzung erfahren. Eine unendliche Folge kann diese zuvor produzierte Folge aber auch nicht sein, nachdem in einem linearen Verfahren, und d.h., in einem Verfahren, das sich einem sukzessiven Nacheinander in der Fortentwicklung von Zeichenfolgen um immer weitere Zeichen verpflichtet weiß, die Produktion – von höchstens einer – unendlichen Zeichenfolge allenfalls am „Ende“ so eines Verfahrens stehen kann. Nach der Produktion einer unendlichen Zeichenfolge kann es nicht noch auch zur Produktion endlicher bzw. weiterer unendlicher Folgen kommen. Jede unendliche Folge nimmt mit anderen Worten so ein Verfahren ganz für sich in Anspruch. Es steht allerdings dem nichts entgegen, der Produktion einer unendlichen Folge – innerhalb ein- und desselben linearen Verfahrens – die Produktion endlicher Folgen in beliebiger endlicher Anzahl vorzuschalten. Das wäre also kein Problem, vorausgesetzt, wir haben so eine unendliche Folge zum Nachschalten auch zur Verfügung.

 

III. - Das ist im Augenblick das Problem, das uns beschäftigt. Unendliche Zeichenfolgen sind Folgen, die unendlich viele Zeichen enthalten. Der Definition nach scheint das ganz einfach und klar. Das Problem dabei ist nur, wie man zu diesen unendlich vielen Zeichen kommt, wo doch in so einer Folge immer nur ein Zeichen nach dem anderen kommt, was bedeutet, daß man über endliche Zeichenfolgen nicht hinaus kommt. Der Produktion unendlich vieler endlicher Zeichenfolgen steht dies nicht entgegen. Kommt das aber auch der Produktion einer unendlichen Folge gelegen?

Es kommt ihr sicher entgegen, die Frage ist nur, ob es dies auch in ausreichendem bzw. zureichendem Maße tut. Führt die Produktion unendlich vieler endlicher Zeichenfolgen notwendig auch zur Produktion unendlicher Zeichenfolgen? Ziehen wir weiterhin nur Zeichenfolgen in Betracht, die sich nur aus einem Zeichen zusammensetzen. Dann kann es allenfalls um eine einzige unendliche Zeichenfolge gehen, die aus der ständigen Erweiterung solcher Ein-Zeichen-Folgen, um immer weitere Exemplare dieses einen Zeichens hervorgeht. Des weiteren kann diese eine Zeichenfolge das ganze Verfahren nur abschließen. Solange das Verfahren mit der Produktion endlicher Folgen beschäftigt ist und das ist dieses Verfahren auch, solange das Verfahren läuft kann auch keine unendliche Folge produziert sein.

Es sei darauf hingewiesen, daß wir uns jede um ein weiteres Zeichen ergänzte Zeichenfolge jeweils von ihrem Anfang an zur Gänze neu aufgenommen denken, so daß jede Erweiterung schon auch ihre eigene Folge mit ihrer auch eigenen Länge, und d.h. eigenen Anzahl von – gleichlautenden – Zeichen darstellt. Es gibt unendlich viele solcher Zeichen-folgen. Der Länge dieser Folgen ist nach oben hin keine Grenze gesetzt. Folgt daraus notwendig aber auch, daß  - am „Ende“ – aller diese unendlich vielen endlichen Folgen notwendig eine unendliche Folge steht? Damit wäre das ganze Verfahren natürlich beendet, nachdem unendliche Folgen nicht weiter ergänzt werden können. Nur endliche Folge können immer noch weiter ergänzt werden, und sie können immer noch weiter um unendlich viele Zeichen ergänzt werden. In einer unendlichen Zeichenfolge ist dagegen alles an Zeichen ge-setzt, was man sich – in dem beschriebenen Verfahren – nur an Zeichen gesetzt denken kann

Umgekehrt aber läßt sich keines der Zeichen einer unendlichen Zeichenfolge denken, daß nicht letztes Zeichen einer der – unendlich – vielen Zeichenfolgen, so wie sie zu dieser einen unendlichen Folge in fortgesetzter Erweiterung führen, wäre. Alle diese unendlich vielen endlichen Zeichenfolgen finden in der einen unendlichen Folge Berücksichtigung, und es finden in dieser einen unendlichen Zeichenfolge ausschließlich solche Zeichenfolgen Berücksichtigung. Jedes Zeichen unserer unendlichen Folge kann – wie gesehen – genau einer endlichen Zeichenfolgen zugeordnet werden. So gesehen kommt diese unendliche Folge der „Summe“ aller dieser endlichen Folgen gleich. Das beantwortet noch nicht unsere Frage, welches die Beziehung der unendlich vielen endlichen Folgen zu dieser einen unendlichen Folge ist. Wir haben diese unendlich vielen endlichen Folgen, und wir haben die eine unendliche Folge. Die Frage ist: Schließen die unendlich vielen endlichen Folgen notwendig mit der einen unendlichen Folge ab? Würden sie das tun, könnte diese eine unendliche Folge dies jedenfalls nicht als Element der Menge aller endlichen Folgen tun. Diese unendliche Folge gehört jedenfalls nicht auch zu den endlichen Folgen. Insofern auch ähnelt diese Situation der des Grenzwertes einer Folge, der auch eine Form von Abschluß einer Folge darstellt, ohne selbst auch Element der Folge zu sein. Grenzwerte haben es so an sich, daß sie nicht erreicht werden können. Folgen nähern sich ihrem Grenzwert nur an, und sie nähern sich diesem Grenzwert auch beliebig nahe an. Als (Folgen-)Wert angenommen wird er von der Folge – ausgenommen allein konstante Folgen – jedoch nicht. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Wie sieht das diesbezüglich mit unserer unendlichen Zeichenfolge in der Beziehung zu ihren endlichen „Teilfolgen“ aus? Eine Annäherung findet offensichtlich auch hier statt. Eine Annäherung auch, die der unendlichen Folge beliebig nahekommt. Bei konvergenten unendlichen Folgen bemißt sich die Annäherung an den Grenzwert nach dem Abstand, den die einzelnen Folgenglieder zu diesem Grenzwert aufweisen. Die Beziehungen unserer endlichen zu der einen unendlichen Folge sind nicht in gleicher Weise durch Abstände geregelt. Die Annäherung dieser unendlichen vielen endlichen Folgen an diese eine unendliche Folge erfolgt nicht durch Verringerung von Abständen, sondern durch Angleichung in der Form. Man kommt so zweifelsohne auch der unendlichen Folge beliebig nahe. Man kann diese Annäherung nur nicht nach der Anzahl von Zeichen beziffern, die noch zu setzen wären, wenn diese Angleichung zur Gänze vollzogen sein soll. Es wären dies in jedem Fall, und d.h., unabhängig davon, wie viele Zeichen schon gesetzt sind, noch unendlich viele Zeichen, die jede endliche Folge von ihrem unendlichen „Grenzwert“ trennen.

Dieser „Grenzwert“ ist erreicht, wenn in der Fortentwicklung einer Zeichenfolge unendlich viele Zeichen gesetzt sind. Dann liegt auch eine unendliche Zeichenfolge vor. Wie kann es dann aber sein, daß es unendliche viele endliche Zeichenfolgen gibt, wo doch in der Konstruktion aller dieser Folgen auch immer nur Zeichen für Zeichen bzw. Zeichen an Zeichen gesetzt wird. Nachdem wir uns diese Folgen vor jedem neuen Verfahrensschritt immer wieder ganz von vorne aufgenommen denken, müßte bei unendlich vielen Verfahrensschritten „am Ende“ doch auch eine unendliche Folge stehen und nicht nur unendlich viele endliche Folgen. Andererseits wissen wir, daß die Ergänzung einer endlichen Zeichenfolge um ein weiteres Zeichen aus dieser Folge keine unendliche Folge werden läßt, unabhängig davon, wie oft wir diesen Schritt vollziehen. Ein Effekt, der sich durch den einzelnen Verfahrensschritt nicht einstellen kann, kann sich auch durch eine Vielzahl solcher Schritte nicht einstellen, sofern nur Schritt für Schritt vorgegangen wird. Also, wenn die Ergänzung eines Zeichens aus einer endlichen Zeichenfolge keine unendliche Folge machen kann, dann kann dies jedenfalls auch nicht durch eine endliche Anzahl solcher Verfahrensschritte erreicht werden. Verhält sich das bei unendlich vielen – einzelnen – Verfahrensschritten aber anders? Was aber sind unendlich viele – einzelne – Verfahrensschritte?

 

 



[34] Diese Anordnungsaxiome besagen, daß es eine ausgezeichnete Teilmenge P – die Menge positiver Elemente  – von R mit folgenden Eigenschaften gibt: 1. Für jedes  gilt genau eine der drei Bezeichnungen  2. Sind    und  so ist auch  und