1.3.3 Die Produktion von Unendlichem

 

I. - Eine Darstellung der Menge der natürlichen Zahlen, die sich nur zweier Zeichen bedient, läßt uns in systematischer Weise alle diese Zahlen nach der Anzahl ordnen, in der eines der beiden Zeichen in den Darstellungen der einzelnen Zahlen als endlicher Zeichenfolgen in Erscheinung tritt. Die Möglichkeit dazu ist uns einfach dadurch eröffnet, daß bei Verwendung von bloß zwei Zeichen, alles an Darstellung einer Zahl, das nicht durch das eine Zeichen abgedeckt ist, dann notwendig vom anderen Zeichen gestellt wird. Die Gesamtdarstellung aller natürlicher Zahlen bewegt sich dabei zwischen – ausschlußweise – zwei Extrem-Darstellungen, den beiden Darstellungen nämlich, die ausschließlich aus dem einen Zeichen bzw. ausschließlich aus dem anderen Zeichen bestehen. Wie dabei vorzugehen ist, das wurde an anderer Stelle ausführlich beschrieben.

Gemeint sind dabei die Ausführungen zu den 0-1-Folgen in ....Es ging dabei um die systematische Entwicklung bzw. Erfassung aller möglichen unendlichen Bruchentwicklungen. Wir sind dazu von der unendlichen 0-Folge ausgegangen und haben ein – einfach strukturiertes – Verfahren zur systematischen und sukzessiven Auffüllung dieser Folge mit Einsen entwickelt. Wenn man alle diese Folgen nach der jeweils letzten gesetzten Eins abbrechen läßt, dann ist eine vollständige Produktion der natürlichen Zahlen Bestandteil dieses Verfahrens. Anders käme man auf diesem Wege an alle natürlichen Zahlen auch nicht heran. Es gäbe einfach keine – endliche – Schranke nach oben (was die Anzahl möglicher zusetzender Zeichen betrifft), unterhalb derer sich das ganze Geschehen "Produktion der natürlichen Zahlen" abspielen könnte. Dieses Geschehen braucht schon die ganze, dem Verfahren insgesamt zugrundeliegende unendliche Plattform. Ausgangspunkt des Verfahrens könnte genausogut auch die – reine – 1-Folge sein. Dann würden eben Einsen durch Nullen ersetzt. Formal macht das keinen Unterschied
    Wir wissen allerdings auch, daß es in jedem System der Darstellung natürlicher Zahlen immer auch auf die Reihenfolge der einem solchen System vorzugebenden bzw. aufzugebenden Zeichenmenge ankommt. Also müßte auch bei Verwendung von nur zwei Zeichen eine Reihenfolge zwischen diesen beiden Zeichen festgelegt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Festlegung ergibt sich in diesem Fall aber auch daraus, daß in diesem Verfahren ausschließlich mit unendlichen Zeichenfolgen gearbeitet wird, natürliche Zahlen aber ausschließlich ihre Darstellung – für gewöhnlich – in endlichen Zeichenfolgen finden. Deswegen auch muß in diesem Verfahren mit derjenigen Folge angefangen werden, die ausschließlich aus dem ersten dieser beiden Zeichen – der Null nämlich – besteht, weil eine mit Null besetzte Position  einer Zeichenfolge sich mit keinem eigenen Beitrag in die durch diese Zeichenfolge dargestellte Zahl einbringt. Diese Null dient innerhalb einer Zeichenfolge nur dazu, diejenigen Zeichen, die sich positiv in eine Zeichenfolge einbringen, auch richtig zu positionieren. Insbesondere können unendlich viele dieser Nullen einer endlichen Zeichenfolge folgen, ohne daß die dadurch dargestellte natürliche Zahl eine andere würde. In der Praxis werden solche Nullen natürlich nicht gesetzt. Immerhin läßt sich so jede natürliche Zahl auch durch eine unendliche Zeichenfolge dargestellt denken. Unendlich viele, auf eine letzte Eins folgende Nullen können in der Darstellung natürlicher Zahlen unberücksichtigt bleiben; unendlich viele Einsen können es nicht.

Die Situation mit den beliebig ergänzbaren Nullen gibt es auch in jedem System von b-al-Brüchen. Alle endlichen b-al-Brüche können auf diese Weise zu unendlichen Brüchen ergänzt werden, und d.h. zu Brüchen, die in ihrer Bruchkomponente aus einer unendlichen Zeichenfolge bestehen. Solche Brüche gibt es aber nicht nur in Form und Gestalt unendlich vieler fakultativ gesetzter bzw. als gesetzt gedachter Nullen. Es gibt sie – der Theorie nach – auch in positiv besetzter Form und Gestalt, wobei so eine Besetzung schon auch immer wieder durch Nullen unterbrochen sein darf. Die ganze Entwicklung darf nur nicht in eine reine „Nullfolge“ ausarten. Alle irrationalen Zahlen finden beispielsweise und insbesondere ihre Darstellung in solchen „echten“ unendlichen nicht-periodischen Brüchen.

Nun können auch natürliche Zahlen in ihrer Darstellung als endliche Zeichenfolgen durch ständiges Ergänzen weiterer Zeichen zu immer größeren Zeichenfolgen und mithin auch zu immer größeren, durch diese Zeichenfolgen dargestellten natürlichen Zahlen fortentwickelt werden. Im Unterschied zu den unendlichen Bruch-Komponenten in unendlichen b-al-Brüchen verfügt keine dieser solcherart fortentwickelten natürlichen Zahlen in ihrer Darstellung über eine unendliche Zeichenfolge. Also, wenn immer nur Zeichen für Zeichen und Zeichen an Zeichen gesetzt wird, dann bekommt man – vorausgesetzt das Verfahren bricht auch nicht ab – sicherlich eine nicht-endende Folge von immer größeren endlichen Zeichenfolgen. Bekommt man dadurch aber auch eine unendliche Zeichenfolge, und d.h. eine Zeichenfolge von bzw. mit unendlich vielen Zeichen? Das ist die Frage. Sobald eine solche Zeichenfolge im Vollzug dieses Verfahrens erreicht wäre, wäre natürlich das Verfahren – soweit es der Darstellung natürlicher Zahlen dient – beendet. Sofern das Verfahren nicht auch insgesamt dadurch beendet wäre, könnte es nur noch der Produktion – weiterer – unendlicher Zeichenfolgen dienen.

Diese Situation kann – wie wir wissen – nun aber gerade nicht eintreten. Es gibt in der Fortentwicklung endlicher Folgen diese Arbeitsteilung nicht, daß zuerst alle endlichen Folgen produziert würden, auf daß sich das Verfahren dann ganz der Produktion einer – oder seien es auch mehrerer – unendlicher Folgen widmen könne. Das Unendliche an einer unendlichen (Zeichen-)Folge besteht darin, daß das mit dem Setzen von Zeichen an Zeichen kein Ende findet. Effektiv produziert werden im Vollzug dieses Verfahrens damit ausschließlich endliche Zeichenfolgen. Solange das Verfahren läuft, dient es der Produktion endlicher Zeichenfolgen von immer größerer Länge und d.h., Anzahl von Zeichen. Es gibt keinen Zeitpunkt im Vollzug dieses Verfahrens, an dem abgebrochen werden könnte, weil bereits eine unendliche Zeichenfolge erreicht wäre. Wie kann aus Endlichem dann aber Unendliches werden? Wie läßt sich der Übergang von Endlichem zu Unendlichem denken?

Was ist an unendlichen Zeichenfolgen unendlich bzw. wodurch werden endliche Zeichenfolgen zu unendlichen Zeichenfolgen? Diese Frage stellt sich deswegen auch, weil das Verfahren zur Produktion bzw. Darstellung der Menge der unendlich vielen natürlichen Zahlen natürlich auch ein unendliches ist, ohne daß in dieses Verfahren unendliche Zeichenfolgen zu Zwecken der Darstellung natürlicher Zahlen einbezogen wären. Das würde also bedeuten, daß sich auf dem beschriebenen Wege – auf dem Wege der fortgesetzten Erweiterung von Zahlzeichenfolgen nämlich – bereits unendlich viele endliche Zeichenfolgen einstellen, noch bevor eine unendliche Zeichenfolge erreicht ist. Man benötigt keine unendlichen Zeichenfolgen, um über dieses Verfahren unendlich viele verschiedene Zeichenfolgen hervorbringen zu können.

Gegenteiliges behaupten wollen hieße, daß es natürliche Zahlen gäbe, die in einem System von Polynom-Darstellung dieser Zahlen durch unendliche Zeichenfolgen darzustellen wären. Das aber ist definitionsgemäß durch jedes solche System von Darstellung gerade ausgeschlossen. Natürliche Zahlen sind gerade jene Zahlen, die in einem solchen System eine Darstellung durch endliche Zeichenfolgen finden. Das ist im übrigen aber auch in einem System von Darstellung, das sich – nicht wie Polynom-Darstellung mehrerer,  sondern – nur eines Zeichens bedient, nicht anders. In so einem System unterscheiden sich und können sich die einzelnen Darstellungen auch nur unterscheiden in der Anzahl, in der dieses eine Zeichen in einer Zeichenfolge gesetzt ist. In diesem System allein werden Zeichenfolgen auch wirklich durch sukzessives zusätzliches Setzen jeweils eines weiteren Zeichens – so wie wir uns die Produktion unendlicher Zeichenfolgen natürlicherweise auch vorstellen – fortgeschrieben.

Bekanntlich läuft das in jedem System von Polynom-Darstellung etwas anders. Dort stehen immer auch mehrere Zeichen zur Verfügung, und diese Zeichen werden dann auch eingesetzt, um eine möglichst große Vielfalt an Zeichenfolgen bei möglichst geringer Länge derselben zu erreichen. Es wird in diesem System also nach allen Regeln der Kunst kombiniert, bevor – anzahlbezogen – auf neue, zusätzliche Stellen resp. Zeichen ausgewichen wird. In diesem System geschieht also einiges, bevor eine Zeichenfolge durch ein ergänzendes Zeichen fortgeschrieben wird. Nichtsdestoweniger findet diese Fortentwicklung auch in diesem System immer wieder statt. Auch in diesem System sind der Länge von Zeichenfolgen nach oben hin keine Grenzen gesetzt. Allerdings schlägt sich die besondere Konstruktions- bzw. Kombinationstechnik im Aufbau der Folgen in diesem System entsprechend auch im Unendlichem wider. Diese Konstruktions- bzw. Kombinationstechnik setzt sich auch ins Unendliche hinein fort und zeitigt dort ihren ganz besonderen Effekt. Darauf wird noch im Detail einzugehen sein. Bei Zeichenfolgen, die immer wieder mit ein- und demselben Zeichen fortgeschrieben werden, läuft dagegen auch im Unendlichen alles „regulär“. Auch das gilt es noch  zu präzisieren.

 

II. - Das ist im Augenblick auch nicht das Thema. Die Frage, die uns im Augenblick beschäftigt, ist die, inwieweit die dieses Verfahren in gewisser Weise abschließende unendliche Folge auch diejenige Folge ist, die die Menge aller in diesem Verfahren produzierten Folgen auch erst zu einer unendlichen Menge macht. Ist – anders gefragt – die Menge aller Zeichenfolgen, die aus beliebig – in jedem Fall aber nur endlich – vielen Zeichen besteht, eine nur endliche Menge? Was wäre dann aber mit den natürlichen Zahlen, finden diese Zahlen doch – definitionsgemäß sozusagen – in jedem System von Polynom-Darstellung ihre Darstellung durch – nur – endliche Zeichenfolgen? Könnte die Menge dieser Zahlen weiter noch eine unendliche Menge genannt werden? Was könnte man sich umgekehrt aber unter einer natürlichen Zahl vorstellen, die ihre Darstellung in einem solchen System durch eine unendliche Zeichenfolge fände? Könnte man sich darunter auch etwas vorstellen? Die Frage wäre allgemeiner noch die: Was „ist“ eine unendliche Zeichenfolge?

Beschränken wir uns in unseren Überlegungen weiterhin auf diejenige Folge von Zeichenfolgen, die sich sukzessive aus der Erweiterung um immer wieder ein und dasselbe Zeichen aufbauen. Diese Folge kommt unseren Überlegungen insofern entgegen, als sie von einer recht einfachen Struktur ist, auch wenn – wie wir wissen – diese Folge der Darstellung natürlicher Zahlen nicht zur Darstellung dienen kann. Das sollte nicht vergessen werden, wenn darauf auch nicht immer auch hingewiesen wird. Die ganze vorliegende Arbeit dient insbesondere auch dem Nachweis dafür, daß dieses System von Darstellung den natürlichen Zahlen nicht auch zum Modell gereicht. Bis dieser Nachweis erbracht ist – und wichtige Überlegungen dazu werden im Augenblick auch geführt – tun wir so als ob der Modellcharakter dieses Systems zu Recht bestünde.

Unsere Frage ist also die, in welcher Beziehung die diese Folgen insgesamt in gewisser Weise abschließende unendliche Folge zu allen im Vollzug des ganzen Verfahrens produzierten endlichen Folgen steht. Unsere Frage war insbesondere auch die, inwieweit diese Menge von endlichen Folgen möglicherweise keine unendliche, sondern auch nur eine endliche ist. Fest steht jedenfalls, daß das Verfahren als solches kein unendliches sein könnte, solange diesem die Produktion der dieses Verfahren „abschließenden“ unendlichen Folge verwehrt bliebe. Fest steht auch, daß jede Folge des Systems, die nicht diese eine unendliche Folge ist, eine endliche Folge mit einer genau bestimmten Anzahl von Zeichen ist.

Unendliche Folgen gibt es in diesem System – und gerade diese Eigenschaft macht sie für unsere Überlegungen auch so interessant – nur eine. Der Übergang von Endlichem zu Unendlichem vollzieht sich in diesem Fall auf jeden Fall linear. Es kommt dabei zu keinerlei Zerfalls- bzw. Verzweigungsprozessen. Das spielt sich alles innerhalb einer Folge ab. Wie darf man sich das mit diesem Übergang aber genauer vorstellen? Endliches und Unendliches schließen sich – definitionsgemäß schon auch – aus. Das würde dann auf einen abrupten, einen punktuellen Übergang von Endlichem zu Unendlichem in der Produktion aller Zeichenfolgen des betreffenden Systems schließen lassen. Die Schnittstelle zwischen Endlichem und Unendlichem wäre genau unterhalb dieser einen unendlichen Folge angesiedelt. Damit – so möchte man meinen – ist diese Schnittstelle auch eindeutig markiert. Dem könnte nur unter der Bedingung widersprochen werden, daß sich Endliches von Unendlichem nicht genau unterscheiden ließe. Davon kann aber – wie gesagt – keine Rede sein. Es gibt zumindest eine präzise Regelung dafür, was eine endliche Folge ist, und das sollte genügen, um Endliches von dem dazu komplementären Unendlichen abgrenzen bzw. unterscheiden zu können. Endlich ist eine Zeichenfolge genau dann, wenn es in ihr ein letztes Zeichen gibt, auf das kein weiteres Zeichen folgt.

Es ist dies ein Kriterium, das uns jederzeit eine Folge auf ihre mögliche Endlichkeit hin überprüfen lassen können sollte. Jedenfalls bei „fertigen“ Folgen sollte das kein Problem sein. Fertige Zeichenfolgen werden andererseits allein dadurch, daß sie fertig sind, schon als endliche Folgen ausgewiesen. Fertig sein in unserem Sinne meint, daß nichts mehr hinzukommt, und damit wäre das zuletzt gesetzte Zeichen dasjenige Zeichen der Folge, dem kein weiteres Zeichen mehr folgt. Die Folge wäre damit als eine endliche Folge nachgewiesen. Ein Problem könnte es lediglich bei noch nicht fertigen Folgen geben. Bei solchen Folgen, bei Folgen also, die sich noch in der Entwicklung bzw. Produktion befinden, bleibt – solange die Produktion läuft – zunächst noch offen, ob es sich dabei um eine endliche oder womöglich sogar auch unendliche Folge handelt. Solange das Verfahren läuft, wird man diese Frage auch nicht entscheiden können, es sei denn, es liegen zuverlässige Informationen darüber vor, wie der Ausgang des Verfahrens ist. Weiß man, daß das Verfahren an einer Stelle abbricht, dann weiß man zugleich auch, daß die aktuell produzierte Folge „nur“ eine endliche Folge ist bzw. sein wird. Ist dagegen sicher ausgeschlossen, daß diese Situation jemals eintreten könnte, dann wäre diese Folge damit zugleich als eine unendliche Folge nachgewiesen. Heißt das nun aber, daß unendliche Folgen notwendig unfertige Folgen sind, und wenn ja, ist diese Unfertigkeit auch eine zureichende Bedingung für Unendlichkeit? Und was hat es für diese Unfertigkeit zu bedeuten, daß sie nur als dauerhaft nachgewiesene Unfertigkeit auch von einer eine Unendlichkeit begründenden Fertigkeit sein kann? Wird von dieser Unfertigkeit dazu nicht vorausgesetzt, daß sie in dieser Unfertigkeit auch fertig sein kann bzw. immer schon fertig ist? Kann eine solcherart qualifizierte Unfertigkeit noch Unfertigkeit genannt werden? Kann man in einer Unfertigkeit fertig sein?

Nun kann von Unfertigkeit offensichtlich immer nur im Hinblick auf das Ziel einer bestimmten Entwicklung bzw. Aktion die Rede sein. Ist diese Entwicklung bzw. Aktion abgeschlossen, dann ist das betreffende Produkt nicht mehr unfertig, sondern fertig. Das ist offensichtlich auch das Ziel jeder Unfertigkeit. Unfertig ist etwas, weil es noch nicht fertig ist, und d.h., weil es auch fertig werden will. Es gibt in diesem Sinne keine gewollte Unfertigkeit. Wie verhält es sich diesbezüglich nun mit unendlichen Folgen, die das nur sein können, wenn ihnen eine konstitutive Unfertigkeit eignet? Diese Folgen dürfen – per definitionem – nicht fertig werden, andernfalls sie keine unendlichen Folgen sein könnten. Besteht in so einem Fall das Ziel der ganzen Unfertigkeit dann darin, nicht fertig werden zu wollen bzw. fertig werden zu können?

Diese Frage so stellen hieße, von einem Ziel auszugehen, das der Unfertigkeit ein Ende bereiten könnte, das gerade deswegen aber nicht angestrebt wird. Ist das die Situation, wie wir sie  bei unendlichen Folgen vorliegen haben? Entziehen sich unendliche Folgen dadurch einem möglichen Ziel, daß immer wieder aufs neue noch ein Zeichen gesetzt wird? Kann auf diese Weise nichts anderes denn die pure Ziellosigkeit verfolgt werden, und kann diese Ziellosigkeit – erklärtes – Ziel eines solchen Tuns sein? Offensichtlich nicht, wenn man weiß, daß es unendliche Folgen nur gegen ein Gesetz der Serie gibt, und damit jedes solche Folge einem Ziel folgt, dem Ziel nämlich, dieses Gesetz seinem ganzen Inhalt nach zu entfalten. Allerdings kann dies in vollständiger Weise auch nur von dem jeweiligen Gesetz selbst geleistet werden und insofern kann in diesen Dingen nicht zwischen Gesetz und Gesetzesvollzug unterschieden werden. Mit der Formulierung des Gesetzes ist dieses auch schon immer vollzogen bzw. – mehr noch – es ist dieser Vollzug insofern immer auch schon geleistet als auch das Gesetz immer schon ist bzw. gewesen ist.

 Die Mathematik führt als ganzes – wie gesehen – eine Existenz außerhalb aller Zeit, und d.h., sie führt eine Existenz auch vor aller Zeit. Mathematik ist als ganzes eine immer schon fertige Mathematik. Es gibt in dieser Mathematik keine Entwicklungen, die in ihrem Ergebnis dem Ablauf der Zeit überantwortet sein könnten. Was hat das nun für unendliche Folge und ihre wesensnotwendige Unfertigkeit zu bedeuten? Unfertig sind unendliche Folgen auch in der zeitlosen Mathematik insofern, als es kein letztes Glied einer solchen Folge gibt. Das nämlich ist eine Eigenschaft solcher Folgen, die sie unabhängig von aller Zeit teilen. Mit Zeit hat diese Eigenschaft andererseits wieder insofern zu tun, als Folge nur in einem zeitlichen Nacheinander – es mag sich dabei auch nur um ein räumliches Nebeneinander handeln – gedacht werden kann. Bei Folge kann einfach nicht von dem dynamisch-zeitlichen Element des „Eines-nach-dem-Anderen“ abstrahiert werden. Wir haben dieses Zeitmoment also schon auch bei jeder Folge; es kann dieses Moment bei unendlichen Folgen nur nicht unserer Raum-Zeit entnommen sein. Die Frage ist, welcher Zeit dieses Moment entnommen ist, und inwiefern eine unendliche Folge in dieser Zeit dann auch fertig genannt werden kann. Es kann sich bei dieser Zeit nur um die Ewigkeit handeln. Nur dann kann es sein, daß zwischen Gesetz und Gesetzessvollzudg nicht mehr zu unterscheiden ist.

 

III. – Unsere aktuellen Überlegungen waren von der Frage veranlaßt, was uns daran hindern könne, innerhalb unserer Folge von Zeichenfolgen aus ein und demselben Zeichen – wie beschrieben – einen klaren Trennungsstrich zwischen den vielen endlichen Zeichenfolgen auf der einen Seite, und der einen unendlichen Folge auf der anderen Seite zu ziehen. Deutlich voneinander unterschieden sind die Folgen beider Seiten schließlich. Wir wissen, was eine endliche Folge ist, und wir wissen demzufolge, was sie nicht ist, und d.h., was eine unendliche Folge ist. Was also steht dem entgegen, die eine unendliche Folge exakt von allen anderen endlichen Folgen dieser ganzen Menge von Zeichenfolgen abgrenzen zu können? Eine solche Trennung würde – so wäre man versucht einzuwenden – voraussetzen, daß – nachdem alle diese Folgen in Reihenfolge geordnet sind – es eine letzte endliche Zeichenfolge geben müßte, nach der dieser Schnitt dann zu setzen wäre. Offensichtlich gibt es eine solche letzte – und größte – endliche Zeichenfolge aber gerade nicht. Heißt das umgekehrt aber, daß der Übergang von den unendlich vielen endlichen Folgen zu der einen unendlichen Folge ein fließender ist?

Das aber kann offensichtlich nicht gut sein. Also, eine Folge ist eine endliche oder sie ist eine nicht-endliche, und d.h., eine unendliche Folge. Definitionsgemäß gilt hier das Gesetz von „ausgeschlossenen Dritten“. Wie ist das also dann mit diesem Übergang von den vielen endlichen zu der einen unendlichen Folge? Wo findet dieser Übergang statt, und wie findet er statt? Definitionsgemäß findet dieser Übergang dort statt, wo eine Zeichenfolge aufgenommen wird, die nicht mehr abgebrochen werden kann, weil überall dort, wo abgebrochen werden könnte, zuvor schon einmal abgebrochen worden ist. Wenn vorhin gesagt wurde, daß es keine letzte endliche Zeichenfolge in der ganzen Reihenfolge solcher Folgen gibt, dann bedeutet dies, daß die Menge aller endlichen Zeichenfolgen in der Reihenfolge aller dieser Folgen bereits notwendig eine – sagen wir nicht unendliche sondern – nicht-endliche ist.

 

Das muß auch so sein, kann doch jede endliche Zeichenfolge durch ein weiteres Zeichen zu einer um ein Zeichen größeren endlichen Zeichenfolge ergänzt werden. Durch solche Ergänzungen verlieren endliche Zeichenfolgen also nicht ihre Endlichkeit. Sie würden sie im übrigen auch nicht verlieren, wenn um jeweils gleich mehrere Zeichen ergänzt würde, vorausgesetzt es handelte sich dabei nicht gleich um unendlich viele Zeichen. Bedeutet das aber, daß man auf diesem Wege nie zu einer unendlichen Zeichenfolge kommen könnte? Kommt man zu Unendlichem nur, indem Unendliches gleich zur Gänze gesetzt wird? Wie könnte man sich so etwas aber vorstellen? Unendliche Folgen – das wissen wir – gibt es nur gegen ein Gesetz der Serie und durch so ein Gesetz der Serie ist alles, was von so einem Gesetz gesetzt werden kann, zur Gänze immer auch schon gesetzt, sobald wir es auch nur gesetzt sein lassen wollen bzw. es uns als gesetzt denken . Zugleich ermöglicht uns so ein Gesetz der Serie die Rekonstruktion der Serie Serienglied für Serienglied, und es ermöglicht uns diese Rekonstruktion ausschließlich auch nur Serienglied für Serienglied. Natürlich kommen wir in der explizit-materiellen Rekonstruktion so einer Serie, die notwendig eine Rekonstruktion in der (Raum-)zeit ist, über endliche Teilmengen der nicht-endlichen Menge alle Serienglieder nicht hinaus. Das Gesetz der Serie erfaßt dagegen per se die ganze unendliche Folge auf einmal. Der Gesetzesvollzug steht außerhalb jeden Zeitablaufes. Sind damit die gestellten Fragen aber auch beantwortet?