1.3.2 Reihenfolge und Abbildung

 

I. – Sprache – so haben wir festgestellt – liegt vor, sobald man sich über Dinge verständigen kann, ohne dabei diese Dinge selbst auch bemühen zu müssen. Wie sieht das diesbezüglich nun in beiden Systemen von Darstellung natürlicher Zahlen aus? Also, wenn man nur auf den Mechanismus der Darstellung sieht, dann fällt natürlich auf, daß die Vielzahl der Zeichen in dem einem System auch dazu verwandt wird, möglichst viele verschiedene Zeichenfolgen mit möglichst wenig Zeichen zur Darstellung zu bringen. Auch wenn man nicht weiß, was mit diesen Zeichenfolgen eigentlich dargestellt sein soll, läßt sich – sofern uns die Möglichkeit eingeräumt ist, diesen Mechanismus über eine bestimmte Zeit in seinem Vollzug zu beobachten – doch sehr schnell feststellen, nach welchem System dabei vorgegangen wird. Für den Fall, daß das als automatisiert gedachte Verfahren aus irgendwelchen Gründen abbricht, wäre es uns alsbald ein leichtes, dieses Verfahren nach Belieben eigentätig fortzuführen. Wir wären des weiteren dann auch in der Lage, jede aus den vorgegebenen Zeichen beliebig zusammengesetzte Zeichenfolge in die Reihenfolge aller solchen Zeichenfolgen einzuordnen. Wir könnten jedenfalls problemlos diese Reihenfolge von jedem beliebig herausgegriffenen Element derselben fortführen, ohne auf das sehen zu müssen, was zuvor schon an Reihenfolge war.

Insbesondere muß diese Reihenfolge nicht von ihrem Anfang an bis hin zu diesem ausgewählten Element reproduziert werden, um wissen zu können, wo man mit diesem Element in dieser ganzen Reihenfolge steht, und wie es dementsprechend dann auch in dieser Reihenfolge weitergeht. Diese Reproduktion ist deswegen nicht nötig, weil die Folge von Zeichen, aus denen jede Zeichenfolge in der Reihenfolge aller dieser Folgen besteht, uns sofort darüber aufzuklären vermag, wie die Zeichen der nächsten Zeichenfolge zu setzen sind. Das aber genügt, um die Reihenfolge aller dieser Zeichenfolgen von jeder Zeichenfolge aus auch fortführen zu können. Dieses Wissen ist für alle Zeichenfolge ein und dasselbe. Es ist dieses Wissen identisch mit dem Wissen um den Mechanismus, aus dem alle diese Zeichenfolgen hervorgehen. Dieser Mechanismus ist das ganze – unendliche – Verfahren über derselbe, was insbesondere auch zu bedeuten hat, daß das ganze Procedere auch auf ständige Wiederholung angelegt ist. Anders käme man an Unendliches aber auch nicht heran. Das endliche Regelwerk wird in endloser Fortsetzung immer wieder zum Einsatz gebracht. Die dadurch hervorgebrachten Zeichenfolgen wachsen dabei über alle Grenzen hinaus.

Das ganze Programm besteht einfach darin, mit dem vorgegebenen Zeichen möglichst viele Zeichenfolgen von möglichst niedrigerer – insgesamt aber unbeschränkter – Länge zusammenzusetzen. Wie das funktioniert, das wurde an anderer Stelle schon erklärt. Es wird darauf auch gleich noch zurückzukommen sein. Es ist klar, daß es in diesem System entscheidend auch auf die Reihenfolge ankommt, in der bestimmte Zeichen gesetzt sind. In der Darstellung natürlicher Zahlen, so wie sie durch so ein System immer auch geleistet wird, kommt jeder Position, so wie sie und soweit sie von einer Zeichenfolge auch in Anspruch genommen wird, ein ganz bestimmter Stellenwert in dem betreffenden System von Darstellung als solchem zu. Der Stellenwert, mit dem sich die einzelnen Positionen einer Zeichenfolge in die Darstellung einer Zahl einbringen, steht fest, sobald die Entscheidung für ein bestimmtes System von (Polynom-)Darstellung gefallen ist. Entsprechend diesem Stellenwert, den die einzelnen Positionen im ganzen Positionensystem einer solchen Darstellung haben, wird dann jedes so eine Position in einer Zahldarstellung besetzende Zeichen gewichtet. Gewichtet wird dieses Zeichen – präzise gesagt – mit bn, wenn b die Basis die Darstellung und n – von rechts nach links gelesen – die Position dieses Zeichens in der ganzen (Zahl-)zeichenfolge ist, wobei in diesem Fall bei Null zu zählen angefangen wird.

     In dem in der Praxis allgemein gebräuchlichen Dezimalsystem wird in den einzelnen Positionen in fortlaufender Reihenfolge von rechts nach links also mit 10n  respektive gewichtet. In diesem Sinne werden natürliche Zahlen in Dezimaldarstellung auch gelesen und verstanden. Ist das aber auch unbedingt erforderlich, um eine bestimmte Zeichenfolge aufgrund der Reihenfolge ihrer Zeichen auch in der ihr zugehörigen Position innerhalb der Reihenfolge aller dieser Zeichenfolge identifizieren zu können? Offensichtlich nicht. Man muß um diese Gewichtung jedenfalls nicht wissen, um den Mechanismus, der systematisch alle diese Zeichenfolgen in einem bestimmten System von Zahldarstellung aus sich entläßt, begreifen und nachvollziehen zu können. Das, was vorhin zur Möglichkeit der punktuellen Identifizierung einzelner Zeichenfolgen in so einem System gesagt wurde, hat das Wissen um die besagte Gewichtung jedenfalls nicht zur Voraussetzung. Davon muß man nicht wissen, um wissen zu können, wie es nach jeder beliebig herausgegriffenen Zeichenfolge in der Reihenfolge aller dieser Folgen weitergeht.

Eine andere Frage ist es, inwieweit das Wissen um diese Gewichtung Voraussetzung ist, um eine einzelne Zeichenfolge auch als eine ganz bestimmte Zahl identifizieren zu können. Die Frage ist einfach die: Inwieweit ist eine Zeichenfolge als Zahl oder auch nur als diese eine ganz bestimmte Zeichenfolge identfiziert dadurch, daß wir sagen können, wie es mit dieser Zeichenfolge in einer ganzen – unendlichen – Reihenfolge solcher Folgen weitergeht? Die Frage ist auch, inwieweit zu diesem Zwecke eine Reihenfolge als ganz bestimmte Reihenfolge überhaupt identifiziert werden muß. Tatsächlich kann man sich mit einer Zeichenfolge auch ganz „mechanisch“ beschäftigen, wenn es nur darum geht, dieser Zeichenfolge die ihr in der ganzen Reihenfolge solcher Folgen nächstfolgende Folge folgen zu lassen. Man braucht dazu – so wie der entsprechende Mechanismus allgemein konstruiert ist – zunächst nur auf das – von rechts gelesen – erste Zeichen einer Zeichenfolge zu sehen, um dieses Zeichen durch dasjenige Zeichen zu ersetzen, das diesem in der dem ganzen System vorgegebenen und in Reihenfolge geordneten Menge von Zeichen folgt, vorausgesetzt es handelt sich nicht schon um das letzte Zeichen dieser Menge. Alle anderen Zeichen dürfen dagegen einfach übernommen werden.

     Handelt es sich bei diesem – von links nach rechts gelesen – letztem Zeichen einer Zeichenfolge auch um das letzte Zeichen der vorgegebenen Menge von Zeichen, dann tritt die Regelung in Kraft, wonach das vorletzte Zeichen durch das diesem Zeichen in der vorgegebenen Zeichenmenge folgende Zeichen, das letzte Zeichen der Zeichenfolge aber durch das erste Zeichen dieser Zeichenmenge – also unserer Lesart bzw. Einordnung zufolge die Null –zu ersetzen ist. Die Endziffern 39  beispielsweise werden – um das an einem konkreten Beispiel zu demonstrieren – im Dezimalsystem beim Übergang von einer diese Endziffern enthaltenden Zeichenfolge zu der nächstfolgenden Zeichenfolge durch 40 überschrieben. Alles andere an Zeichen zuvor bleibt dagegen unverändert. Handelt es sich auch bei dem vorletzten oder möglicherweise auch drittletzten usf. Zeichen einer Zeichenfolge um das letzte Zeichen der vorgegebenen Zeichenmenge, dann wird eben – von rechts nach links gelesen – nach dem ersten Zeichen der gegebenen Zeichenfolge gesucht, das nicht letztes Zeichen der vorgegebenen Zeichenmenge ist, um dieses Zeichen durch das nächsthöhere in dieser Zeichenmenge zu ersetzen. Alles, was diesem Zeichen in der gegebenen Zeichenfolge folgt, wird dagegen mit dem ersten Zeichen dieser Zeichenmenge überschrieben. Alles, was diesem Zeichen in der Zeichenfolge vorausliegt, bleibt dagegen unverändert. Findet sich jedoch in der ganzen Folge kein Zeichen, das auch letztes Zeichen der vorgegebenen Zeichenmenge ist, dann wird diese ganze Zeichenfolge mit dem ersten Zeichen dieser Zeichenmenge überschrieben und dieser neuen Zeichenfolge zugleich das zweite Zeichen dieser Zeichenmenge vorangestellt. Der 9 9 9  folgt – um das wieder an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen – im Dezimalsystem die  1 0 0 0.

 

II. - Das ist alles, was es zu diesem Verfahren zu sagen gibt. Es ist dies ein Verfahren der kombinierten Produktion und Fortentwicklung von in Reihenfolge geordneten Zeichenfolgen, die sich alle aus Zeichen einer vorgegebenen – und ebenfalls in Reihenfolge geordneten – Zeichenmenge zusammensetzen. Man hat bei diesem Verfahren das Produkt, und man hat die Produktion. Beides wechselt sich mit steter Regelmäßigkeit ab. Der Produktion folgt das Produkt, und auf das Produkt folgt die erneute Produktion. Diese Produktion folgt dabei einem bestimmten Gesetz der Serie, so wie es vorhin beschrieben wurde. Diese Form von gesetzmäßiger Produktion kann überall dort Anwendung finden, wo zumindest zwei in Reihenfolge geordnete Zeichen vorliegen. Man kann das ganze Verfahren an jeder beliebigen, in Reihenfolge geordneten Zeichenmenge exerzieren. Das Material, auf das dieses Verfahren Anwendung findet, hat für dieses Verfahren insofern keine konstitutive Bedeutung.

Die Bedeutung dieses Materials für dieses Verfahren liegt allein darin, daß es ohne Material natürlich auch kein Verfahren geben könnte. Dieses Verfahren kann nicht auf sich selbst wirken bzw. kann sich nicht selbst auch zum Material nehmen. Wer dieses Verfahren in seinen Wirkungen bzw. in seiner Wirkweise studieren will, der kann dies nur, indem er dieses Verfahren auf ein vorgegebenes Material ansetzt. Das, was dabei an Produkten entsteht, ist in seiner materiellen Gestalt natürlich abhängig von dem Material, das diesem Verfahren vorgegeben wird. Dieses Material hat allerdings keinen Einfluß darauf, wie dieses Verfahren wirkt. Das Verfahren ist in seinen Wirkungen abhängig von dem Material, das ihm vorgegeben ist; in seiner Wirkung auf dieses Material – es möge dieses sein, welches es wolle – ist und bleibt sich dieses Verfahren aber immer gleich. Wer dieses Verfahren studieren will, kann dies mit jedem beliebig vorgegebenen und in Reihenfolge geordneten Zeichenmaterial. Das, was dieses Verfahren bewirkt, steht in keiner ursächlichen Beziehung zu dem Material, auf das er wirkt. Insofern auch ist dieses Verfahren in seiner Wirkung unabhängig von dem Material, auf das es wirkt. Wer sich nur für dieses Wirken interessiert, der darf dann auch weitgehend von dem abstrahieren, was damit bewirkt wird, bzw. bewirkt ist. Das Produkt wird dann einfach nur insofern und insoweit interessieren, als es für das Verständnis der – fortlaufenden – Produktion erforderlich ist.

Was man dazu wissen muß, das wurde vorhin ausführlich diskutiert. Zunächst – und auch zumeist – genügt dabei ein Blick auf das letzte Zeichen einer Folge. Im allgemeinen tut es ein Austausch dieses letzten Zeichens. Alles andere kann dann einfach übernommen werden. Aber auch in den „komplizierteren“ Fällen hält sich der Mehraufwand in Grenzen. Das Verfahren ist insgesamt ein recht einfach strukturierter. In seinem (Nach-)Vollzug  kann und darf der Umgang mit den einzelnen Zeichenfolgen – wie beschrieben – ein rein technischer sein. Die Frage nach der Identität der einzelnen Zeichenfolge im ganzen System solcher Folgen tritt dabei in den Hintergrund. Die Frage ist die, inwieweit in der Realisierung einer solchen Folge umgekehrt von dem Verfahren abstrahiert werden kann, das alle diese Folgen hervorbringt und zugleich auch in eine Reihenfolge setzt. Die Frage ist, wie wir die einzelne Zeichenfolge wahrnehmen und als eben diese eine Zeichenfolge in einer unendlichen Reihenfolge solcher Zeichenfolgen identifizieren.

Man  kann nicht sagen, daß der Umgang mit einzelnen dieser Zeichenfolgen, der von uns natürlich immer auch als Umgang mit den dadurch dargestellten Zahlen verstanden wird, uns immer auch an das Verfahren denken ließe, aus dem alle diese Zeichenfolgen hervorgehen. Man wird aber auch nicht sagen können, daß dabei gänzlich von diesem Verfahren abstrahiert sein könnte. Man wird keine dieser Zeichenfolgen unabhängig von der ganzen Reihenfolge solcher Folgen realisieren und identifizieren können. Wo liegt dann also diese Realität resp. Identität einer jeden einzelnen dieser Zeichenfolgen begründet? Offensichtlich muß diese Realität resp. Identität zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt sein. Von dieser Frage al solcher kann jedenfalls auch nicht abgesehen werden. Schließlich wird jede dieser Zeichenfolgen in der ganzen Reihenfolge aller dieser Folgen mit einer ganz bestimmten – natürlichen Zahl identifiziert. In der Praxis ist diese Frage also immer schon zugunsten einer bestimmten natürlichen Zahl beantwortet. Jede Zeichenfolge wird zwar über die ihr eigene Folge von (Zahl-)zeichen wahrgenommen; gelesen und verstanden wird sie jedoch als die ihr im ganzen System solcher Folgen zugeordnete natürliche Zahl. Dahinter verbirgt sich zweifelsohne ein Stück Abstraktion gegenüber dem reinen Reihenmechanismus aller dieser Zeichenfolgen. Wenn wir jede Zeichenfolge mit einer bestimmten natürlichen Zahl identifizieren, dann setzen wir uns darin einfach auch von diesem Reihenfolge-Denken ab. Die einzelne Zeichenfolge wird dann nicht einfach nur mehr als Folge in der Folge, sondern als eigenständige Realität und Identität gesehen. Insgeheim ist dabei schon auch etwas von der Vorstellung präsent, wonach jede dieser natürlichen Zahlen eine ganz eigene, zur Existenz anderer natürlicher Zahlen nicht nur relative Existenz sondern eine von diesen Existenzen losgelöste, also absolute Existenz führt. Wenn – so wie das in Philosophie und Mathematik Tradition hat – weitschweifende und tiefschürfende Spekulationen über das Sein der natürlichen Zahlen angestellt werden, so liegt das gerade hierin begründet. Solche Spekulationen sind  dann zwangsläufig metaphysischer Natur, auch wenn man das gerade nicht so sehen möchte, weil man sich etwa der Philosophie Kants verpflichtet fühlt, dem die Metaphysik bekanntlich fremd war.

    Damit wäre jede dieser Zahlen auch aus der – natürlichen – Beziehung zu allen anderen natürlichen Zahlen, so wie ihnen diese aufgrund der natürlichen Reihenfolge aller dieser Zahlen zukommt, gelöst. In dieser Beziehung wäre nicht mehr als eine bloße Eigenschaft zu sehen, die am „Sein“ einer Zahl nicht rührt. Damit wäre die Frage der Realität resp.  Identität von Zahlen durch eines der beiden Extreme definiert, von denen vorhin festgestellt wurde, daß sie nicht die Antwort auf diese Frage wird sein können. Zahlen lassen sich weder in Beziehung auflösen, noch lassen sie sich von Beziehung lösen. Man kann in der Realisierung bzw. Identifizierung der Zahl 2 beispielsweise nicht davon abstrahieren, daß dieser Zahl 2 in der Reihenfolge aller natürlichen Zahlen die Zahl 3 folgt, genauso wie ihr die Zahl 1 in dieser Reihenfolge vorausgeht. Man kann diese Abhängigkeit auch nicht einfach in der – bloßen – Zugehörigkeit zu der Menge aller natürlichen Zahlen sehen, wenn diese Menge eine von Natur aus in Reihenfolge geordnete Menge ist.

Das heißt umgekehrt aber auch nicht, daß man die Menge der natürlichen Zahlen einfach auch auf ihre Eigenschaft, eine in Reihenfolge geordnete – unendliche – Menge zu sein, reduzieren könnte. Nicht jede unendliche (Reihen-)Fol­ge kann für sich auch in Anspruch nehmen – die – Menge der natürlichen Zahlen zu sein. Wie wir wissen, sind unendliche (reelle) Folgen definiert als Abbildungen von der Menge der natürlichen Zahlen in die Menge der reellen Zahlen. Unendliche Folgen führen insofern eine der unendlichen Folge der natürlichen Zahlen nachrangige bzw. eine von dieser Menge abhängige Existenz. Wir brauchen bei unendlichen Folgen einfach ein Gesetz der Serie, das uns sagt, wie die Glieder einer solchen Folge einander nachfolgen. Für gewöhnlich geschieht das – wie gesagt – vermittels einer Abbildungsvorschrift, in der die unabhängige Variable n – stellvertretend für jede x-beliebige natürliche Zahl – bestimmten mathematischen Operationen unterzogen wird.

 

III. - Diese Operationen führen – wie wir wissen – im allgemeinen aus der Menge der natürlichen Zahlen heraus. Es dürfte schon nur addiert und multipliziert werden, damit sichergestellt ist, daß auch nur auf natürliche Zahlen abgebildet wird, und d.h., daß die unendliche Folge auch eine Folge von ausschließlich natürlichen Zahlen ist. Handelt es sich bei dieser Abbildungsvorschrift nicht gerade zufällig um die identische Abbildung, so wäre im übrigen auch sichergestellt, daß die (Bild-)Folge eine echte – unendliche – Teilmenge der Menge der natürlichen Zahlen ist. Bei der identischen Abbildung wird nach keinerlei mathematischer Operation abgebildet. Die Punkte des Definitionsbereiches werden so, wie sie sind, einfach auch als Bildpunkte übernommen. Natürlich ist dann auch das ganze Bild der Abbildung mit dem Urbild identisch.

Bei der operativen Abbildung, die jeder natürlichen Zahl die ihr in der Reihenfolge aller dieser Zahlen nächstfolgende Zahl zuordnet, einer Abbildung, die – der Idee nach – bekanntlich in den Peano-Axiomen (darauf wird noch näher einzugehen sein) der axiomatischen Begründung der natürlichen Zahlen zugrunde liegt, auch wenn sie dort in dieser Form nicht auch ausgewiesen werden kann, haben wir das so nicht. Von dieser Abbildung wird die erste natürliche Zahl in der Reihenfolge dieser Zahlen im Bildbereich nicht erfaßt. Das Bild der Abbildung ist nicht weiter mit dem Urbild bzw. dem Definitionsbereich der Abbildung identisch. Das ist auch nicht das Anliegen der in den Peano-Axiomen definierten Abbildung. Es ist vielmehr Aufgabe dieser Abbildung, das Phänomen Reihenfolge zu funktionalisieren und zu formalisieren.

Eine Menge ist eine in Reihenfolge geordnete Menge, wenn sich eine Abbildung von dieser Menge in diese Menge definieren läßt, die den Peano-Axiomen genügt. Es gibt also diese formal-abstrakte Beschreibung des Phänomens Reihenfolge. Die Frage ist nur, ob mit so einer formalen Beschreibung auch die Menge der natürlichen Zahlen in der ihr eigenen intelligiblen Identität und Realität eingeholt ist. Natürlich kann eine von der Begründung der reellen Zahlen unabhängige Begründung der natürlichen Zahlen nicht in der Weise erfolgen, daß man eine natürliche Zahl aus der anderen durch Addition der Eins hervorgehen läßt. Auf diese operativ-produktive Weise läßt sich keine Zahlenmenge begründen. Man kann Additionen nicht zur Konstruktion von Zahlen verwenden. Additionen können nicht auch der Konstruktion von Mengen dienen. Additionen sind Verknüpfungen, die nur auf bereits gegebenen Mengen definiert sein können, und sei es auch nur, daß diese Verknüpfungen dazu dienen, eine solche Menge in ihren Elementen auch bestimmt sein zu lassen. Diese Verfahrensweise wird bei allen axiomatischen Begründungen gewählt. Man gibt sich eine Menge vor, und versucht diese Menge zu einer eindeutig bestimmten Menge dadurch werden zu lassen, daß man auf dieser Menge bestimmte, wenn auch notwendig allgemein gehaltene Verknüpfungen definiert. Der Nachweis dafür, daß dem auch so ist bzw. sein kann, bleibt dann allerdings einem eigenen Existenz- bzw. Eindeutigkeitsbeweis vorbehalten.

Das sind alles Aufgaben, die sich uns – was die natürlichen Zahlen anbelangt – dann nicht stellen, wenn wir diese natürlichen Zahlen einfach durch den allgemeinen Mechanismus zur systematischen Produktion endlicher Zeichenfolgen aus einer vorgegebenen endlichen Menge von Zeichen dargestellt sein lassen. Im Vollzug dieses Mechanismus kommen keinerlei mathematische Operationen zur Ausführung. Dieser Mechanismus ist allein durch die Reihenfolge einer beliebig vorzugebenden Zeichenfolge bestimmt. Eine Abhängigkeit der operativen Deutung der natürlichen Zahlen als fortgesetzter und aufrechnender Addition der Eins von diesem allgemeinen Mechanismus zur Darstellung natürlicher Zahlen besteht umgekehrt aber insofern, als man für das Ergebnis dieser sukzessiven, aufrechnenden Addition der Eins jeweils auch eine Darstellung braucht. Mathematische Operationen haben mit anderen Worten die Zahlenmenge, innerhalb deren operiert wird, zur Grundlage bzw. auch zur Voraussetzung. Eine Addition ist eine zweistellige Verknüpfung auf einer Menge, die jedem geordneten Paar dieser Menge wieder ein Element dieser Menge zuordnet. Verknüpfungen dienen also insbesondere nicht der Produktion bzw. Fortentwicklung einer Menge.

Darin auch kommen Verknüpfungen mit Funktionen überein. Auch Funktionen lassen sich nur dort einrichten, wo sowohl Definitions- als auch Bildbereich der zu definierenden Funktion bereits gegeben sind. Im Gegensatz zu Funktionen, die uns beliebige Mengen mitinander in Beziehung setzen lassen, dienen Verknüpfungen primär der Festlegung bzw. Beschreibung der Strukturen – auf – einer Menge. Eine Festlegung per Verknüpfung(en) finden diese Strukturen in einem axiomatischen Vorgehen, wohingegen dieselben in einen konstruktiven Ansatz einer einfachen – beschreibenden – Feststellung unterzogen werden. Als vorgegeben angenommen wird die betreffende Menge in dem einen Fall genauso wie in dem anderen. Zur Struktur einer Menge gehört alles, was an allgemeinen Beziehungen zwischen den Elementen einer Menge besteht. Struktur ist etwas, was eine Menge in natürlicher Weise auszeichnet, so sie denn durch eine Struktur auch ausgezeichnet ist.

Über die Struktur einer Menge kann nicht einfach frei verfügt werden. Es steht uns allerdings frei, per Postulat bzw. Axiom Festlegungen darüber zu treffen, was wir an Struktur (in) einer – zunächst als völlig unbestimmt vorgegebenen – Menge haben wollen. Nachdem mit Struktur, will heißen „allgemeinen Beziehungen“ zwischen den Elementen einer Menge, und d.h. innerhalb der Elemente einer Menge – definitionsgemäß „nur Verknüpfungen“ auf dieser Menge gemeint sein können, würde das bedeuten, daß wir uns eine oder mehrere solcher Verknüpfungen ganz abstrakt und unbestimmt vorzugeben haben, um diese Verknüpfungen dann per postulierender  Eigenschaften – Axiome genannt – näher zu spezifizieren. Die Frage, die sich dann immer stellt, ist die, inwieweit es Mengen mit dieser Struktur auch „wirklich“ gibt. Es müßte dann einfach eine Menge nachgewiesen bzw. vorgewiesen oder ausgewiesen werden können, die diese Struktur tatsächlich auch trägt. Es dürfte dann nicht mehr bei der abstrakten Darstellung bleiben, mit der zunächst – sowohl was die Menge als solche als auch was die darin angenommenen Verknüpfungen anbelangt – operiert wurde. Es könnte dann nicht einfach weiter mehr ganz unbestimmt von Elementen x, y, z..... dieser Menge bzw. Verknüpfungen, wie beispielsweise einer Verknüpfung, die zwei Elementen  der Menge ein-drittes-Element  dieser Menge zuordnet, die Rede sein. Es müßte dann vielmehr auch jedes dieser Elemente aufgrund seiner konkreten materiellen Darstellung eindeutig auch als Element dieser Menge identifiziert werden können wie aufgrund eben dieser Darstellung bzw. dem so einer Darstellung zugrundeliegenden System einer Darstellung, so wie wir es bei unendlichen Mengen – notwendig – immer auch haben, eine Beziehung wie   sich per definitionem sozusagen als unmittelbar gegeben zeigen (können) müßte.

An anderem als dem, was sie an materieller Ausstattung mitbringen, können die Elemente einer Menge auch nicht identifiziert werden. Grundsätzlich steht es uns auch frei, den Elementen einer zu konstruierenden bzw. zu bestimmenden Menge eine – materielle – Ausstattung ganz nach Belieben zu geben. Die einzelnen Elemente brauchen dazu in ihrer Darstellung auch weiter nichts darzustellen haben als das, was sie aufgrund dieser materiellen Ausstattung natürlicherweise ohnehin darstellen. In der Darstellung unendlicher Mengen kann – wie gesagt – diese Darstellung aber auch nur einem bestimmten System folgen, einem System, das uns sagt, wie aus endlich vielen Zeichen eine unendliche Reihenfolge von endlichen Zeichenfolgen hergestellt werden kann. Ein Element einer solcherart dargestellten Menge von Elementen muß darüber hinaus nicht auch noch mit so etwas wie einer bestimmten „Zahl“, dessen Darstellung dieses Element in eben dieser seiner materiellen Ausstattung ist bzw. sein soll, identifiziert werden (können). Es müßte nur erklärt sein, wie sich das mit den Verknüpfungen auf dieser Menge verhält. Durch so eine Verknüpfung werden je zwei Elemente – wobei es im allgemeinen auch auf die Reihenfolge dieser Elemente ankommt – mit einem weiteren – möglicherweise auch einem der beiden betreffenden Elemente selbst – in Verbindung gebracht.

Wenn man – wovon wir im Augenblick auch ausgehen und was im konkreten Umgang mit Zahlen auch immer so stattfindet – von dem, was verknüpft werden soll, nur das weiß, was an materieller Form bzw. Ausstattung vorliegt, dann kann diese Verknüpfung auch nur aufgrund dieses Wissens vorgenommen werden. An dieser Form bzw. an dieser Ausstattung muß sich ablesen lassen, wie die Verknüpfung vorzunehmen ist, und d.h., wie das Element, das diese Verknüpfung zum Ergebnis hat, seinerseits nach Form bzw. Ausstattung aussieht. Die Verbindung zwischen den betreffenden jeweils drei Elementen, so wie sie durch eine jede –zweistellige – Verknüpfung hergestellt wird, müßte in der Form bzw. Ausstattung der jeweiligen Elemente selbst begründet sein. Die allgemeinen Algorithmen für die Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division von – nicht nur – natürlichen Zahlen sind denn auch so begründet. Diese Algorithmen folgen alle notwendig dem System der Zeichenfolgen, in dem – die natürlichen – Zahlen ihre – natürliche – Darstellung finden. Diese Überlegungen zeigen – einmal – mehr – daß axiomatische und konstruktive Begründung keine sich ausschließenden Optionen sondern "nur" die zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, will heißen, daß jede axiomatische Begründung letztlich wieder in einen konstruktiven Aufbau einmündet.