1.2.3 Reihenfolge und Polynom-Darstellung

 

I. - Das Verfahren zur Darstellung natürlicher Zahlen ist ein nützliches Instrument auch in der Form, daß er uns Einblick in die Struktur des Unendlichen-Endlichen gewährt. Wir wissen, daß dieser Mechanismus „zu Ende geführt“ auch für alle unendlichen Zahlzeichenfolgen  - so wie sie in endlicher Form der Darstellung natürlicher Zahlen dienen – „offen“ ist. Es gibt keine unendliche Zahlzeichenfolge dieser Art, die nicht auf diesem Wege auch angestrebt würde. Dafür bürgt einfach dieses Verfahren, das so angelegt ist, daß auch – und das auch noch ganz systematisch – jede nur mögliche endliche Kombination von Zeichen aus der vorgegebenen endlichen Menge von Zeichen erfaßt wird. Das setzt sich dann so auch zwangsläufig ins Unendliche bzw. – zurückhaltender formuliert – ins Unendlich-Endliche hinein fort. Schließlich können alle diese unendlichen bzw. – wie man besser sagen müßte – alle diese unbegrenzt endlichen Zeichenfolgen auch nur aus der sukzessiven Fortschreibung endlicher Zeichenfolgen hervorgehen. Allerdings geschieht das innerhalb des Systems nicht in geschlossener Form, und d.h. das System, bzw. das diesem System zugrundeliegende Verfahren widmet sich der Entwicklung dieser unbegrenzt endlichen Zeichenfolgen nicht in der ausschließlichen Zuwendung zu so einer Entwicklung. Würde das System dieses tun, könnte es sich nur ausschließlich einer – einzigen – solchen Entwicklung widmen, und d.h., es gäbe insgesamt nur eine solche unendliche Entwicklung, die von dem ganzen System hervorgebracht werden würde.

Sich ganz auf die Entwicklung einer einzigen unbegrenzt endlichen Zeichenfolge konzentrieren, das kann man nur, wenn man sich auch auf die Entwicklung nur dieser einen Zeichenfolge beschränken darf. Sollen es solcher Folgen mehrere sein, die aus so einem Verfahren hervorzugehen haben, dann muß dieses Verfahren einem System folgen, das uns sagt, wie in der Zuwendung zu den einzelnen zu entwickelnden unendlichen Folgen abzuwechseln ist. Nur so kann es „gleichzeitig“ zur Entwicklung mehrerer solcher Folgen kommen. Jedenfalls steht dem – prinzipiell – nichts entgegen, daß die einzelnen Folgen, die in dieses Verfahren eingebunden sind, immer wieder die Zuwendung dieses Verfahrens finden, und insoweit dabei auch eine unendliche Fortsetzung, und d.h. eine Fortsetzung zu einer immer wieder fortgeführten Folge hin erfahren. Jede endliche Folge ist offen für immer weitere Ergänzungen.

Insofern im Verfahren und durch das Verfahren sichergestellt ist, daß es auch immer wieder zu einer Fortsetzung in der Entwicklung einer Folge kommt, ist auch deren im ganzen Vollzug des Verfahrens sich einstellende – prozessuale – Unendlichkeit sichergestellt. Wenn weiterhin die „gleichzeitig“ zu entwickelnden Folgen von endlicher Anzahl sind, und im übrigen im Wechsel von Folge zu Folge bei der einzelnen Folge jeweils nur des Setzens des nächsten Zeichens bzw. des Austausches bereits gesetzter Zeichen wegen verharrt wird, dann ist auch sichergestellt, daß es immer wieder zu einer Fortsetzung der einzelnen Folgen kommt. Sofern jede der zu behandelnden Folgen auf jeder Verfahrensstufe bzw. Verfahrensebene auch genau einmal bedacht wird, ist man nach einer Anzahl von Schritten, die der Anzahl der zu entwickelnden Folgen gleich ist, ist man wieder bei der Folge, von der man ausgegangen ist, angekommen. Dieses Verfahren versagt notwendig in dieser ihm gesetzten Zielsetzung aber dann, wenn der zu entwickelnden Folgen unendlich viele sind. Dann könnte es naturgemäß keine Rückkehr zu einer Folge, bei der man schon einmal war, geben. Soll es auf diesem Wege dennoch zur Entwicklung unendlich vieler Zeichenfolgen kommen, dann muß das Verfahren der abwechselnden Zuwendung zu den einzelnen Folgen anders organisiert werden, auch wenn es bei der Zuwendung zu den einzelnen Folgen für jeweils nur den nächsten Verfahrensschritt bleiben kann und auch bleiben muß.

 Wir haben diese Situation beim Beweis des Satzes, daß die Vereinigung abzählbar vieler abzählbarer Mengen auch wieder abzählbar ist. Man kann eine solche Vereinigung nicht dadurch abzählen wollen, daß getrennt Menge für Menge abgezählt würde. Man käme dabei nicht über die erste Menge hinaus. Vollkommen unberücksichtigt blieben dabei die „restlichen“ unendlich vielen unendlichen Mengen. Als abzählbar wird eine solche Vereinigung auch nicht dadurch nachgewiesen werden können, daß positionsweise abgezählt wird, und d.h., daß von allen diesen vereinigten Mengen zunächst nur das Element an einer bestimmten – vorzugsweise der ersten – Position erfaßt wird. Das kann man natürlich tun; man wird dabei aber ebensowenig zu einer neuen Position übergehen können, wie vorher nicht zu einer neuen Menge übergegangen werden konnte. Beide Verfahren unterscheiden sich nur darin, daß in einem Fall zeilenweise, im anderen Fall dagegen spaltenweise abgezählt würde, wenn man sich die abzählbar vielen abzählbaren Mengen zeilenweise abgezählt alle untereinander geschrieben denkt.

Das Verfahren, das uns die solcherart vereinigte bzw. angeordnete Menge dennoch abzählen läßt, ist bekanntlich das Cantorsche Diagonalverfahren.[25] Auf diesem Wege ist es tatsächlich auch möglich, alle diese unendlich vielen Unendlichkeiten in eine Reihenfolge zu bringen, und d.h. zu einer – einzigen– Unendlichkeit zu vereinigen. Das ist die Situation, wie wir sie vorfinden, wenn uns die Aufgabe gestellt ist, die Vereinigung abzählbar vieler abzählbarer Mengen wieder abzuzählen. Es geht dies diagonal, wobei die Diagonalität nicht einmal notwendig von der Symmetrie sein müßte, so wie sie das Cantorsche Diagonalverfahren auszeichnet. Die Linienführung „im Feld“ müßte mit anderen Worten nicht immer streng diagonal sein; sie dürfte vielmehr auch horizontale- bzw. vertikale-Elemente enthalten. Es kommt nur darauf an, daß die Linienführung ersichtlich einem System folgt, das von dieser Linie dann auch alle Elemente der Vereinigungsmenge erfaßt sein läßt.

Es sollte insbesondere aber so sein, daß dieses System die ganze Linienführung selbsttätig bzw. selbstbestimmend fortschreibt, ohne daß dazu an vereinzelten Stellen immer wieder eine Entscheidung von außen darüber, wie die Linie fortzuführen ist, getroffen werden müßte. Dann nämlich könnte immer nur soweit abgezählt werden, wie die zuletzt getroffene Entscheidung in ihren Auswirkungen reicht, und d.h., es könnte tatsächlich nicht abgezählt werden. Wir müßten – mit anderen Worten – für alle diese dann unendlich vielen zu treffenden Entscheidungen zur weiteren – irregulären – Linienführung auch – wieder – ein Verfahren haben, das uns sagt, wie weiter zu verfahren ist. Das alles würde dann nur komplizierter, ohne daß damit irgendein Nutzen verbunden wäre. Einmal mehr zeigt sich auch in dieser geometrischen Variante des Abzählens, daß unendliche Mengen nur gegen eine Abzähl- bzw. Abbildungsvorschrift abgezählt werden können. Man kann mit anderen Worten unendliche Mengen nur abzählen lassen, nicht aber selbst auch abzählen.

Die Vereinigung abzählbar vieler abzählbarer Mengen ist also wiederum abzählbar, was insbesondere auch bedeutet, daß wir uns diese Vereinigung der unendlich vielen in Reihenfolge geordneten Mengen selbst auch in Reihenfolge angeordnet denken können. Die unendlich vielen Reihenfolgen lassen sich in eine Reihenfolge einbinden. Es ist also kein Problem, unendlich viele Reihenfolgen zu einer Reihenfolge zusammenzuführen. Wie sieht das aber umgekehrt aus? Kann es eine Entwicklung von Reihenfolge geben, die eigentlich gar keine Entwicklung von Reihenfolge ist, weil an dessen Ende nicht die eine unendliche Reihenfolge, sondern die unendlich vielen unendlichen Reihenfolgen stehen? Wie kann man sich so etwas vorstellen, und kann man sich so etwas vorstellen?

Fest steht, daß es eine solche Entwicklung nur in Form und Gestalt einer abwechselnden Zuwendung zu diesen unendlich vielen zu entwickelnden Unendlichkeiten geben kann. Das Verfahren kann nicht so sein, daß diese Zuwendung allein der Entwicklung einer einzigen unendlichen Folge gelten würde. Das würde so eine Entwicklung jedenfalls dann tun, wenn dabei immer nur Zeichen an Zeichen gesetzt würde. Das Verfahren wäre dann per Konstruktion auf die Entwicklung einer einzigen unendlichen Folge beschränkt. So ein Verfahren kann am Ende nicht in verschiedene Unendlichkeiten zerfallen, unabhängig davon, ob den Zeichen in der Reihenfolge, in der sie gesetzt werden, für die Identität der ganze Reihe eine Bedeutung zukommt oder nicht. Welches immer auch die Zeichen sein mögen, die in einer Reihenfolge gesetzt sind, und welches immer auch die Reihenfolge sein mag, in der diese Zeichen gesetzt sind; wenn der einzig konstruktive Umgang, der uns mit diesen Zeichen gestattet ist, darin besteht, immer nur Zeichen für Zeichen bzw. Zeichen an Zeichen zu setzen, dann kann das immer nur zur sukzessiven Fortschreibung einer einmal angefangenen Folge führen. Sofern wir uns die Entscheidung darüber, welches als nächstes Zeichen gesetzt sein soll, immer vorbehalten, wird es auf diese Weise aber nicht einmal zur Entwicklung bzw. Fortschreibung einer unendlichen Folge kommen können. Nur wenn wir diese Fortschreibung einem Gesetz der Serie überlassen, kann das Ergebnis so einer Entwicklung auch mit einer unendlichen Folge identifiziert werden. Nur so kann sichergestellt sein, daß es in der Entwicklung der Folge auch immer wieder zu einer Fortsetzung kommt bzw. – genauer noch – daß es zu dieser Fortsetzung nicht erst mehr kommen muß, weil diese Fortsetzung immer schon – per Gesetz der Serie – „zur Gänze“ vorweggenommen ist.

 

II. - Ein Gesetz der Serie im Aufbau bzw. in der Fortschreibung einer Zeichenfolge läßt sich in der einfachst-möglichen Weise dadurch vorgeben, daß man für diesen Aufbau bzw. diese Fortentwicklung nur ein Zeichen zur „Auswahl“ stellt. Wenn immer wieder nur ein und dasselbe Zeichen ergänzt werden kann, dann steht natürlich auch von Anfang an fest, was sich an – unendlicher – Folge ergibt, wenn auch immer wieder nur ein und dasselbe Zeichen gesetzt wird. Man braucht diese Zeichen dann nicht mehr setzen, und man könnte sie dann im übrigen in ihrer – anzahlbezogen – ganzen Unendlichkeit auch nicht mehr setzen. Man weiß um das Ergebnis dann auch so, was soviel bedeutet, als daß Folgen dieser Art immer auch schon ausgeführt sind. Es ist das genannte Gesetz der Serie im übrigen auch das einzige Gesetz der Serie, das es in der Durchführung der gestellten Aufgabe – der Produktion unendlicher Zeichenfolgen nämlich – unter diesen Umständen geben kann.

Bei einem Zeichen kann es nur eine unendliche Zeichenfolge und mithin auch nur ein Gesetz der Serie, dem diese Zeichenfolge folgt, geben. Das Gesetz der Serie besteht dann einfach darin, daß immer wieder dasselbe Zeichen gesetzt wird. Damit läßt sich allerdings nicht auf Vielfalt in den Zeichenfolgen setzen. Mit einer solchen Vielfalt kann erst ab zwei Zeichen operiert werden. Die unterschiedliche Abfolge einzelner Zeichen im Aufbau einer endlichen oder auch unendlichen Zeichenfolge kann natürlich auch zur Unterscheidung aller dieser Zeichenfolgen untereinander herangezogen werden. Man wird dann zwei Zeichenfolgen als verschieden ansehen müssen, wenn sie nicht von genau derselben Abfolge von Zeichen sind. Das ist insoweit klar. Die Frage ist nur, wie man an alle diese auch unendlichen Zeichenfolgen herankommt. Gibt es eine Methode, die uns alle diese Zeichenfolgen systematisch entwickeln und erfassen läßt? Die Frage stellt sich im Hinblick auf unendliche Zeichenfolgen deswegen, weil – wie gesehen – jede dieser Zeichenfolgen für sich ein ganzes – unendliches – Verfahren in Anspruch nimmt.

Jede Zeichenfolge – ob endlich oder unendlich – ist bestimmt durch die – ununterbrochene – Abfolge ihrer Zeichen. Es gibt mit anderen Worten innerhalb einer Zeichenfolge keine Leerstellen. Was es geben kann, das sind Unterbrechungen beim Aufbau einer Zeichenfolge. Wo eine Zeichenfolge für Ergänzungen offen ist (und das ist jede endliche Zeichenfolge, solange sie noch nicht zu einer unendlichen Zeichenfolge ergänzt worden ist) können – spätere – Ergänzungen im Sinne der Fortführung einer in ihrer Entwicklung zunächst unterbrochenen Folge verstanden werden. Schließlich ist eine Folge dann erst vollständig, wenn alles an Zeichen, was an Zeichen zu dieser Folge gehört, in der dieser Folge eigenen Reihenfolge dieser Zeichen auch gesetzt ist. Solange diese Zeichen nicht vollständig in dieser Reihenfolge gesetzt sind, ist die Folge nicht vollständig entwickelt bzw. ist die Entwicklung dieser Folge unterbrochen.

Um das beurteilen zu können, müßte das, was am Ende der Entwicklung an Folge stehen soll, aber auch vorab bekannt sein. Nur dann wird darüber befunden werden können, ob die Folge schon vollständig ist oder nicht. Das hat einfach auch damit zu tun, daß jede Zeichenfolge für sich genommen eine vollständige Zeichenfolge bildet, und von daher auch nicht aus sich heraus auf irgendwelche Unvollständigkeiten verweisen könnte. Das wäre nur dann der Fall, wenn so eine Teilfolge durchsichtig wäre hin auf ein Gesetz der Serie mit den natürlichen Zahlen als Serienbezugsgröße. Dann kann sofort diese Identifizierung einer jeden Zeichenfolge, die sich aus diesen vorgegebenen Zeichen speist, mit der ihr (im entsprechenden System von Darstellung der natürlichen Zahlen) zuzuordnenden natürlichen Zahl erfolgen. Jeder solchen endlichen Zeichenfolge entspricht dann genau eine natürliche Zahl, und jede natürliche Zahl läßt sich umgekehrt durch genau eine dieser endlichen Zeichenfolgen darstellen, so daß sich – wie gesagt – jede dieser Zeichenfolgen auch in dem, was sie darstellt, einmal mehr genügt.

Da ist dann nichts von Unvollständigkeit, und auch nichts von Unterbrechung zu sehen. Natürlich können alle diese – endlichen – Zeichenfolgen fortgesetzt werden, solange sie endliche Zeichenfolgen sind. Mit jedem Schritt, der dabei getan wird, und d.h., mit jedem neuen, ergänzenden Zeichen, das dabei gesetzt wird, wird auch eine neue natürliche Zahl in dem einer jeden dieser Zahlen eigenen Genügen gesetzt. Jede solche Zahlzeichenfolge hat in dem betreffenden System von Darstellung natürlicher Zahlen ihren festen Platz. Sie nimmt dort den Platz ein, den die entsprechende natürliche Zahl in der Reihenfolge aller natürlichen Zahlen einnimmt. Vollständig in ihrer nur endlichen Entwicklung ist beispielsweise und insbesondere also jede endliche Zeichenfolge, so wie sie in jedem System von Darstellung der natürlichen Zahlen Verwendung findet, ohne daß einer  solchen Folge auch ein Gesetz der Serie zugrunde läge. Jede solche Folge genügt sich selbst, auch wenn sie nur Teil bzw. Element einer – nicht-endlichen – Folge solcher Zeichenfolgen ist. Der nicht-endlichen Folge als solcher und ganzer liegt natürlich bzw. notwendig ein Gesetz der Serie zugrunde. Wir haben uns dazu nur endlich viele in Reihenfolge geordnete Zeichen vorzulegen. Jede solche Zeichenmenge ist dann gut zur Darstellung der menge der natürlichen Zahlen. Das Verfahren ist in jedem Fall dann das gleiche.

Sehen wir vorerst aber noch von der Identifizierung von Zeichenfolge mit natürlicher Zahl ab, und wenden wir uns wieder der Frage nach der möglichen systematischen Erfassung aller dieser Zeichenfolgen zu. Wir haben uns diese Frage insbesondere im Hinblick auf unendliche Zeichenfolgen gestellt. Wir haben uns – ursprünglicher noch – die Frage gestellt, inwieweit es möglich ist, daß eine auf Reihenfolge angelegte Entwicklung nicht in einer einfachen unendlichen Reihenfolge, sondern in unendlich vielen unendlichen Reihenfolgen „endet“. Diese Frage war gedacht als Umkehrung des Verfahrens, das uns abzählbar viele abzählbare Mengen abzählen, und d.h. in eine – einzige – Reihenfolge bringen läßt.

Nun wissen wir von jedem System von Polynomdarstellung der natürlichen Zahlen, daß in ihm in systematischer Weise alle – endlichen – Zeichenfolgen, die sich aus einer vorgegebenen endlichen Menge von Zeichen bilden lassen, erfaßt werden. Mit systematisch gemeint ist dabei, daß diesem System ein Mechanismus zugrunde liegt, der uns sagt, wie wir uns alle diese Zeichenfolgen entwickelt zu denken haben, und der uns diese Zeichenfolgen in beliebiger Anzahl auch entwickeln läßt bzw. der alle diese Zeichenfolgen schon immer entwickelt hat. Darin inbegriffen ist auch eine lineare Anordnung dieser Zeichenfolgen, und d.h. eine Ordnung aller dieser Folgen in einer – einzigen – Reihenfolge. Alle diese Zeichenfolgen erfahren im Vollzug dieses Mechanismus des weiteren auch immer eine Fortentwicklung, und d.h., sie werden an späterer Stelle im System der Reihenfolge aller dieser Folgen wieder aufgenommen und – jeweils – um ein weiteres Zeichen ergänzt.

Mit „an späterer Stelle“ gemeint ist, daß diese Fortentwicklung zu keinem Zeitpunkt sich mit der Fortentwicklung der Menge der natürlichen Zahlen in der diesen Zahlen eigenen Reihenfolge selbst deckt. Zwei aufeinanderfolgenden Zahlen innerhalb der Fortentwicklung einer Zahl stellen mit anderen Worten in keinem Fall auch zwei aufeinanderfolgende Zahlen in der natürlichen Reihenfolge aller natürlichen Zahlen dar. Die 171 beispielsweise ist nicht die Fortsetzung der 17 in der Reihenfolge der natürlichen Zahlen. Das ist die 18. Hat man irgend eine Zeichenfolge vorliegen, dann weiß man natürlich, wie die Entwicklung dieser Zeichenfolge von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Element gewesen ist bzw. zu sein hat, wenn diese Zeichenfolge (re-)produziert werden soll. Zeichenfolgen werden allgemein nämlich so produziert, daß – in gerader, horizontaler Linie – Zeichen an Zeichen gereiht wird. Durch die geringen Abstände zwischen den Zeichen müßte zudem auch die Zugehörigkeit aller dieser Zeichen zu einer einzigen Folge dokumentiert sein. Man sollte einer Folge von vielen Zeichen einfach ansehen können, daß es sich dabei um eine – einzige – Zeichenfolge handeln soll. Realisiert und identifiziert wird eine solche Zeichenfolge dann natürlich als Folge der endlich vielen in Reihenfolge gesetzten Zeichen. Gelesen und verstanden wird sie aber schon auch im System aller solcher Zeichenfolgen. Abhängigkeit und Unabhängigkeit gehen dabei eine enge Verbindung ein. Und genau diese Verbindung ist es, die jede solche Zeichenfolge als natürliche Zahl "sein" läßt. Das metaphysische Zahlverständnis hat hier seine Grundlage.

Von dem System bzw. Verfahren zur Darstellung der natürlichen Zahlen sind keine unendlichen Zeichenfolgen erfaßt. Solche Folgen entsprechen in keinem System von Polynom-Darstellungen natürlicher Zahlen einer natürlichen Zahl. In keinem System der Darstellung natürlicher Zahlen haben solche Folgen irgendeine Funktion. Die Menge der natürlichen Zahlen wird in jedem System von Polynom-Darstellung vollständig durch endliche Zeichenfolgen abgedeckt. Es ist auch nicht so, daß sich die Menge dieser natürlichen Zahlen in einer Weise erweitern ließe, daß darin auch für alle diese unendlichen Zeichenfolgen eine Verwendung wäre.

Natürliche Zahlen lassen sich in ihrer Darstellung als endliche Zeichenfolge über jede endliche Zeichenfolgen hinaus immer – noch – weiter fortschreiben. Es darf sich dabei allerdings nur um endliche Fortschreibungen handeln, und d.h., die Ergänzungen, die dabei vorgenommen werden, dürften in jedem Fall nur endlich viele weitere Zeichen umfassen. Damit ist zwar der Länge solcher Folgen von Zeichenfolgen in jedem System von Darstellung natürlicher Zahlen keine Grenze gesetzt; einer Grenze unterliegt allerdings die Länge jeder einzelnen Zeichenfolge innerhalb so eines Systems von Zeichenfolgen. Nur deswegen auch kann es sein, daß die Menge der natürlichen Zahlen insgesamt eine unendliche ist, während jede einzelne natürliche Zahl selbst nur eine endliche ist. Endlich ist jede natürliche Zahl in ihrer Darstellung, und endlich ist sie in ihrer Position innerhalb der ganzen Reihenfolge von natürlichen Zahlen. Diese Endlichkeit findet in beiden Fällen ihren Ausdruck darin, daß das, was zur Darstellung bzw. Positionierung einer natürlichen Zahl stattgefunden hat, im System immer weiter fortgeführt werden kann, und auch immer weiter fortgeführt werden muß, wenn in der Darstellung auch alle natürlichen Zahlen erreicht werden können wollen. Das, was an Darstellung nach der Darstellung einer jeden natürlichen Zahl noch kommt, ist im Vergleich zu dem, was an Darstellung bis dahin stattgefunden hat, unendlich wenig.

 

III. - Das Verfahren zur Kombination von Zahlzeichen, so wie es in jedem System von Polynom-Darstellung natürlicher Zahlen Anwendung findet, produziert alle Zeichenfolgen von jeder beliebigen endlichen Länge. Es gibt keine endliche Zeichenfolge, die in diesem System von diesem Verfahren nicht erfaßt würde. Das Verfahren ist ein nicht-endliches, auch wenn dabei nur Endliches produziert wird. Das Verfahren ist – so könnte man auch sagen – ein unendlich-endliches. Man sollte dabei schon auch deutlich differenzieren.

 Unendliches kommt insofern nicht einfach nur nach Endlichem. Es ist nicht so, daß Unendliches dort anfängt, wo Endliches aufhört Endliches zu sein. Unendlichkeit ist nicht einfach nur permanent negierte Endlichkeit. Zu Unendlichkeit gehört jedenfalls das prozessuale Element eines auf ständige Fortsetzung angelegten Geschehens, wie beispielsweise der Ergänzung endlicher Zeichenfolgen um immer weitere Zeichen. Es kommt dabei zwar – wenn es nur um Unendlichkeit als solche geht – nicht auf die Zeichen an, die gesetzt werden, wohl aber kann es eine unendliche Zeichenfolge nur gegen ein Gesetz der Serie geben, das die ganze Folge aus sich heraus entwickelt sein läßt.

Das einfachste Gesetz der Serie, das sich denken läßt, besteht – wie gesagt – darin, daß in einer Folge immer nur ein und dasselbe Zeichen gesetzt sein möge. Durch jedes Zeichen ist insoweit auch ein Gesetz der Serie begründet. In der Mathematik sagt man zu den dadurch begründeten Folgen konstante Folgen. Konstant heißt eine Folge also dann, wenn sie in allen ihren Gliedern aus ein und demselben Element besteht.

Aus einem Zeichen läßt sich auch nur eine einzige unendliche Folge zusammensetzen. Bei mehr als einem Zeichen sieht das bereits ganz anders aus. Bei zwei zur Verfügung stehenden Zeichen kann von den unendlich vielen Positionen einer unendlichen Folge jede Position auch verschieden besetzt werden. Nachdem zwei Folgen bereits dann als unterschiedliche Folgen zu gelten haben, wenn sie sich auch nur in einer Position unterscheiden, wachsen die Möglichkeiten, unendliche Folgen verschiedenster Art aus diesen zwei Zeichen zusammenzustellen, sehr schnell – wie man sieht – ins Unendliche. Man braucht dabei nur an die unendlich vielen unendlichen Folgen zu denken, die aus der konstant aus einem der beiden Zeichen bestehenden Folge dadurch hervorgehen, daß an jeweils einer Position dieses eine Zeichen durch das andere ersetzt wird.

Das läßt sich auch ganz systematisch angehen, indem dieser Austausch mit dem ersten Zeichen dieser konstanten Folge beginnend aufgenommen und dann der Reihenfolge dieser Zeichen folgend fortgesetzt wird. Ausgehend von der – unsere beiden Zeichen mögen die 0 und die 1 sein – reinen „0-Folge“ 000... führt das zu den unendlich vielen unendlichen Folgen 0000..., 1000..., 0100..., 0010...Wir erhalten so eine abzählbar-unendliche Menge neuer Folgen, die sich untereinander alle nur darin unterscheiden, daß das – eine – andere Zeichen jeweils an anderer Position vorliegt. Alle diese Folgen folgen damit auch einem Gesetz der Serie. Das Gesetz der Serie ist in allen diesen Fällen das Gesetz der – an einer bestimmten Stelle durch ein anderes Zeichen unterbrochenen – konstanten Folge. Dieses Austauschverfahren läßt sich dann mit jeder einzelnen der nicht-endlich vielen, auf dieser ersten Verfahrensstufe aus der ursprünglichen "Ausgangs-Null-Folge" hervorgehenden Folge wiederholen. Es handelt sich dabei ausnahmslos auch um unendliche Folgen.

Wir haben damit ein Verfahren vorliegen, aus dem nicht-endlich viele unendliche Zeichenfolgen hervorgehen. Es ist dies – wie jedes Verfahren – ein konstruktives Verfahren, und d.h. die aus diesem Verfahren hervorgehende menge von Zeichenfolgen ist eine abzählbare Menge. Wir haben es dabei einfach mit abzählbar vielen abzählbaren Mengen zu tun. Voraussetzung dafür ist, daß keine der Zeichenfolgen in diesem Verfahren von diesem Verfahren "am Stück" produziert würde. Würde es das, käme das Verfahren auch nicht über diese eine unendliche Zeichenfolge hinaus. Das hat dieses Verfahren mit dem Verfahren zur Darstellung der Menge der natürlichen Zahlen gemeinsam. Es ist auch dies ein Verfahren in der (ab-)wechselnden Zuwendung zu den einzelnen Zeichenfolgen zu Zwecken der Produktion aller nur möglichen, mit zwei Zeichen darstellbaren unendlichen Zeichenfolgen. Das mit dem Austausch funktioniert so aber auch nur mit bereits aufgefüllten Zeichenfolgen. Deswegen kann hier nicht – so wie bei den natürlichen Zahlen – mit sukzessiver Erweiterung endlicher Zeichenfolgen gearbeitet werden. Wir haben es hier mit einem abgestuften Verfahren zu tun.

 

 


 

 



[25]  Siehe dazu O. Forster, Analysis 1, S. 52. Abgezählt wird dabei nach folgendem diagonalen Streckenzug, wenn man sich die Elemente der Vereinigungsmenge der abzählbar vielen abzählbaren Mengen  wie folgt in einem quadratisch unendlichen Schema angeordnet denkt: