1.1.4 Reihenfolge und Bezugssystem 

 

I. - Bei Reihenfolge – so haben wir gesagt – ist zu unterscheiden zwischen Reihenfolge als – abstraktem – Phänomen und Reihenfolge als – konkreter – Realität. Der – materiale – Unterschied zwischen beiden Formen von Reihenfolge besteht darin, daß Reihenfolge in einem Fall materiell nicht besetzt ist bzw. – präziser – in seiner materiellen Besetzung  materiell – nicht konkretisiert ist, im anderen Fall dagegen schon. Wenn man auf Reihenfolge als bloßes Phänomen sieht, dann soll dabei gerade von aller materiellen Besetzung abstrahiert sein. Da möchte man dann einfach nur auf das sehen können, wovon bei Reihenfolge nicht abstrahiert werden kann, weil es zu Reihenfolge notwendig dazu gehört. Man möchte dabei insbesondere von allem absehen können, was bei Reihenfolge variabel ist, und variabel ist bei Reihenfolge das, womit Reihenfolge inhaltlich besetzt ist.

Nun kommt man von Reihenfolge als konkreter Realität zu Reihenfolge als idealem Phänomen nicht einfach dadurch, daß man sieht, was noch übrigbliebt, wenn man eine Reihenfolge um ihre materielle Besetzung „erleichtert“. Unter materiellen Aspekten kommt so etwas der Aufhebung der Reihenfolge als Ganzes gleich. Dann ist die konkrete Reihenfolge nicht mehr, und d.h., es ist nichts mehr an – der – Reihenfolge, so wie sie zuvor bestanden hat. Diese Reihenfolge gibt es in der Form also nicht mehr. Das Phänomen Reihenfolge ist damit natürlich nicht aufgehoben. Man kann sich allerdings fragen, ob dieses Phänomen aufgehoben wäre, wenn es nichts dergleichen von materiell besetzter konkreter Reihenfolge gäbe bzw. – noch besser – noch nie gegeben hätte. Offensichtlich stellt das ideale Phänomen Reihenfolge eine Form von Abstraktion aus den uns allenthalben begegnenden materiell besetzten Reihenfolgen dar. Die abstrakte Vorstellung Reihenfolge gibt es offenbar auch nur, weil es die konkrete Realität Reihenfolge gibt, und d.h., weil es etwas gibt, das Reihenfolge konkret-materiell auch ausführt und ausfüllt. Gäbe es Reihenfolge in konkret-materieller Ausführung nicht, dann könnte man auch nicht gut auf die Idee kommen, eine abstrakt-ideale Vorstellung von Reihenfolge zu entwickeln.

Die Frage dabei ist nur, was alles als konkret-materielle Besetzung von Reihenfolge gelten kann. Die Frage dabei ist umgekehrt aber auch, was bei Abstraktion aus der Menge konkret-materieller Reihenfolgen zu Zwecken der Entwicklung einer abstrakt-idealen Vorstellung von Reihenfolge an konkret-materieller Realität aus den konkret-materiellen Reihenfolgen übernommen werden muß, damit das mit dieser Abstraktion so auch stattfinden kann. Kann es sein, daß in so einer abstrakt-idealen Vorstellung von Reihenfolge nichts mehr an konkret-materielle Reihenfolge erinnert? Kann Reihenfolge verwirklicht sein, dem es ganz an diesem konkret-materiellen Element fehlt? Die Besetzung mit konkret materiellen Inhalten gehört offenbar zu den Variabilitäten von Reihenfolge und ist damit offenbar gerade nicht geeignet, zur Begründung des – einen – Phänomens Reihenfolge beizutragen. Zur Identifizierung bzw. Begründung des Phänomens Reihenfolges sind in der diesem Phänomen in natürlicher Weise zukommenden Vielfalt von Erscheinungsformen nur solche Dinge geeignet, die in unveränderlicher Weise in dieses Phänomen eingehen. So, wie wir um dieses Phänomen wissen, sind das die Positionen, so wie sie von jeder Reihenfolge realisiert sind, unabhängig davon, inwieweit diese Positionen auch eine konkret-materielle Besetzung erfahren oder nicht.

 Das allgemeine Phänomen Reihenfolge in seiner abstrakt-idealen Realität ist ein Phänomen aufeinanderfolgender Positionen. Wo immer dieses Phänomen auch in einer konkret-materiellen Ausführung verwirklicht ist, folgt diese Ausführung dem System von Positionen, so wie es von dem allgemein-abstrakten Phänomen Reihenfolge vorgegeben ist. Dieses System von Positionen ist bei allen Reihenfolgen identisch ein und dasselbe. Jede einzelne Position in einer Reihenfolge von Positionen bzw. – besser – in  d e r  Reihenfolge von Positionen ist eine Konstante des allgemeinen Phänomens Reihenfolge und damit auch eine Konstante jeder konkreten Ausführung dieses Phänomens. Die Positionen in einer Reihenfolge mögen auf die verschiedenste Art und Weise besetzt sein; an den Positionen, die dabei jeweils besetzt sind, ändert das nichts. Die Positionen ändern sich nicht auch mit ihrer Besetzung. Die Positionen einer Reihenfolge bleiben sich unabhängig von ihrer Besetzung immer gleich.

 Die Frage wäre jetzt die nach der materiellen oder auch nicht-materiellen Identität bzw. Realität der Positionen des allgemein-abstrakten Phänomens Reihenfolge. Offensichtlich ist das, was an Abstraktion übrigbleibt, wenn man bei konkret-materieller Reihenfolge von dieser ihrer konkret-materiellen Besetzung absieht, eine Reihenfolge von – konkreten – Positionen. Diese Positionen sind von jeder konkret-materiellen Reihenfolge in immer ein und derselben Reihenfolge verwirklicht. Findet bei einer Reihenfolge von – bloßen – Positionen auch eine – materielle – Besetzung dieser Positionen statt? Sind es die einzelnen Positionen selbst, die in einer solchen Reihenfolge die einzelnen Positionen besetzen, und d.h. die sich selbst besetzt halten? Ist der Rückzug auf bloße Positionen mit dem Verzicht auf jedes konkret-materielle Element in der Realisierung des abstrakt-idealen Phänomens Reihenfolge verbunden? Wie konkret-materiell ist eine Reihenfolge, die eine Reihenfolge allein von Positionen ist, von Positionen, so wie sie in jeder konkreten-materiellen Reihenfolge verwirklicht sind? Man kann schließlich nicht sagen, daß Positionen einfach nur nichts wären. Dann könnten sie uns nämlich auch kaum zum Aufbau bzw. zur Realisierung einer Reihenfolge – diese Reihenfolge mag noch so abstrakt-ideal gedacht sein, wie wir wollen – dienen.

Wie immer diese Materialität von Positionen auch beschaffen sein mag, es ist dies keine Materialität im physikalischen Sinne. Diese physikalische Materialität kann ohnehin aber auch nicht als allgemeiner Maßstab für Materialität dienen, auch wenn sie in der allgemeinen Diskussion bzw. Praxis gerne in dieser Funktion gesehen wird. Positionen in der ganz abstrakten Bedeutung dieses Begriffes Position sind natürlich nicht aus Stoff bzw. Materie, so wie wir das in allen Dingen der physikalisch-materiellen Raum-Zeit-Ordnung haben. Was man von Positionen aber gleichwohl sagen kann, ist dies, daß sie etwas darstellen, und d.h., daß sie auch etwas verköpern. Das aber bereits genügt, um sie mit Materie in der weiteren und in gewisser Weise auch authentischeren Bedeutung dieses Begriffes Materie in Verbindung bringen zu können. Es ist dies eine Form von Materie, von der insofern auch nicht weiter abstrahiert werden kann, als auch jede Abstraktion sich uns nur über das so einer Abstraktion sowohl verfahrens- als auch ergebnisbezogen notwendig inhärente materielle Moment erschließen kann.

Positionen wollen schließlich auch identifiziert sein können, wenn sie in ihrem Position-Sein auch realisiert werden können sollen. Zudem auch handelt es sich bei den Positionen einer Reihenfolge in der allen diesen Positionen charakteristischen Reihenfolge um eine Invariante des Phänomens Reihenfolge. In den in Reihenfolge besetzten bzw. gesetzten Positionen – das wissen wir – kommen alle Reihenfolgen überein, und kommt mit allen Reihenfolge auch die Reihenfolge überein, die nur aus einer Reihenfolge von Positionen besteht. Die Frage ist, wie gesagt, nur, wie man sich eine solche Reihenfolge in der ihr eigenen konkret-materiellen Ausstattung – diese Ausstattung mag eine gänzlich abstrakt-ideale sein – vorzustellen hat. Es kann – wie gerade festgestellt – nichts so abstrakt-ideal sein, daß es, um in dieser seiner abstrakten Idealität realisiert werden zu können, der Einbeziehung eines konkret-materiellen Elementes in diese abstrakte Idealität nicht bedürfte. Auch das Abstrakt-Ideale wird insoweit nur konkret-materiell wahrgenommen.

 

II. - In immateriellen Dingen macht sich diese Notwendigkeit in der Form bemerkbar, daß die fehlende konkret-materielle Basis, die uns einen Zugriff zu Materiellem in Form und Gestalt von Sinneseindrücken gestattet, durch eine entsprechende – notwendig an räumlich-materielle Vorstellungsmuster orientierte – Vorstellung, und d.h., Darstellung zu ersetzen ist. Woran diesbezüglich bei Reihenfolge gedacht ist, ist klar: An eine Anordnung in gerader räumlicher Linie nämlich. In ihren einzelnen Elementen wird Reihenfolge dabei in der abstraktest-möglichen Weise durch Punkte im Raum symbolisiert. Das Phänomen Reihenfolge findet insoweit seine abstrakt-ideale Vorstellung bzw. Darstellung als eine Folge von – mathematischen – Punkten längs einer mathematischen Geraden im mathematischen Raum. Man kann eine solche Folge von Punkten explizit-materiell auch auf einem Stück Papier beispielsweise festhalten. Es würde dabei auch nur konkret umgesetzt, was zuvor an abstrakter Vorstellung entwickelt wurde, wenn man einmal davon absieht, daß durch diese Form konkreter Materialisierung einer Vorstellung diese Vorstellung an abstrakter Idealität, die sie zuvor auszeichnete, notwendig einbüßt.

Das liegt einfach daran, daß mathematische Punkte weder einzeln noch als Gesamtheit der Punkte einer Linie etwa einer konkret-materiellen Realisierung im physikalisch-materiellen Raum zugänglich sind.[20] Es gibt diese mathematischen Punkte dort nicht. Der mathematische Punkt ist ausschließlich ein Produkt – wenn auch keine Erfindung – unseres Vorstellungsvermögens. Unabhängig davon ist zu sagen, daß Reihenfolge durch eine solche Form von Darstellung bzw. Veranschaulichung in ihren einzelnen Teilen, und das heißt in ihren einzelnen Positionen noch nicht identifiziert ist. Das läßt sich auf diese Weise auch nicht einrichten. Ohne weitere zusätzliche Elemente der Darstellung sprachlicher oder zeichenhafter Art könnte auf die einzelnen Punkte einer solchen Reihenfolge nur per Fingerzeig verwiesen werden, wenn man einmal davon ausgeht, daß sich alle diese Punkte rein äußerlich in nichts voneinander unterscheiden, so daß sich diese Punkte auch nicht per Beschreibung ihrer charakteristischen Merkmale voneinander unterscheiden lassen.

Alles, was diese Punkte voneinander unterscheidet, das ist ihre Position, die sie innerhalb der ganzen Reihenfolge von Punkten einnehmen. In dieser Position sind die einzelnen Punkte durch die ganze Reihenfolge von Punkten auch eindeutig bestimmt. Jeder dieser Punkte nimmt im ganzen der Reihenfolge eine ganz bestimmte Position ein, eine Position, die ihm durch alle anderen Punkte der Reihenfolge zugewiesen ist, wie umgekehrt jeder Punkt zu der Position, die jeder andere Punkt in der ganzen Reihenfolge dieser Punkte einnimmt, beiträgt. Welche Schwierigkeiten sich daraus für die Positionsbestimmung beliebig im Raum verteilter Punkte ergeben, weil diese Positionsbestimmung nur punkteintern, und d.h. rein positionsimmanent zu erfolgen hat, ohne daß diese Punkte über die ihr im ganzen dieser Punkte jeweils eigene Position eine bestimmte übergeordnete Ordnung – die Ordnung eines räumlichen Nebeneinanders bzw. zeitlichen Nacheinanders – realisieren würden, so wie wir das bei Reihenfolge haben, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Bei Reihenfolge haben wir dieses zusätzliche, über die besondere raum-zeitliche Anordnung der Punkte begründete Ordnungselement in einer Form, die uns die Schwierigkeit des Einstiegs in die Bestimmung der Positionen einzelner Punkte dadurch vermeiden hilft, daß es in dieser Ordnung einen ausgezeichneten Punkt gibt, dem sich in eindimensionaler linearer Ordnung alle anderen Punkte anschließen.

Damit stellt sich die Frage, wo man in der Positionsbestimmung der einzelnen Punkte ansetzen soll, nicht mehr. Dann liegt ein Punkt vor, der in der Position, die er innerhalb der ganzen Reihenfolge von Punkten einnimmt, unabhängig von allen diesen anderen Punkten ist. Es ist dies der einzige Punkt, dessen Position von dem, was an anderen Positionen bzw. was mit anderen Positionen in der gegebenen Reihenfolge ist, unabhängig ist. Diese Reihenfolge könnte ergänzt werden, sie könnte auch verkürzt werden, bzw. sie könnte insgesamt aus anderen Punkten aufgebaut werden; sofern dieser eine ausgezeichnete Punkt in dieser seiner ausgezeichneten Position dabei übernommen wird, läßt das alles diesen einen Punkt unberührt. Es ist für die Position dieses einen Punktes auch völlig belanglos, ob die sich darauf aufbauende Reihenfolge eine unendliche ist oder eine nur endliche. Bei Reihenfolge – und das zeichnet Reihenfolge aus – kann mit Positionsbestimmung angefangen werden, ohne dabei auf mehr als ein bestimmtes Element der Reihenfolge sehen zu müssen.

Das haben wir bei allgemeiner Verteilung von Punkten im Raum so nicht. Bei allgemeiner räumlicher Verteilung ist es immer die ganze Menge verteilter Punkte, die die räumliche Position eines jeden Punktes festlegt, was zur Folge hat, daß Positionsbestimmung unter diesen Voraussetzungen nur simultan erfolgen kann, und d.h., daß sie tatsächlich nicht erfolgen kann. Es gibt in so einer Situation einfach keine positionellen Fixpunkte, auf denen sich aufbauen ließe. Das gilt wie gesagt für den Fall, daß Positionsbestimmung positionsintern erfolgen soll, und d.h., daß die Positionsbestimmung eines Punktes ausschließlich über die Positionen der anderen aktuell in Betracht gezogenen Punkte erfolgen soll.

Wenn von der Position räumlich verteilter Punkte die Rede ist, dann ist damit natürlich räumliche Position gemeint. Die Frage der Positionsbestimmung ist dann immer auch eine Frage des Bezugssystems, in dem Positionsbestimmung vorgenommen wird. Wenn gesagt wird, Positionsbestimmung soll rein positionsintern erfolgen, dann ist damit nichts anderes gemeint, als das das ganze System von Punkten, das in allen diesen Punkten positionell bestimmt sein soll, uns zugleich als Bezugssystem bei dieser Bestimmung dienen soll. Das hat man allgemein so bei Bezugssystemen nicht.

Der Begriff des Bezugssystems kommt aus der speziellen Relativitätstheorie[21] und dient dort dem Nachweis der Relativität von Bewegung. Bewegung ist immer Bewegung relativ zu einem – in sich ruhenden – Bezugssystem. Bezugssysteme können selbst auch wiederum bewegt sein, wobei sich dann allerdings wiederum die Frage nach dem Bezugssystem der Bewegung dieses bewegten Bezugssystems stellt. Eines – dann aber notwendig nicht bewegten – Bezugssystems bedarf es allerdings auch bereits zur Feststellung der räumlichen Position eines sich – unserer sinnlichen Wahrnehmung nach – nicht bewegenden Objektes im Raum. Als Bezugssystem dient dann alles bzw. kann dann alles dienen, was mit diesem einen Objekt im Raum ruht. Wir bestimmen die Position des einen ruhenden Objektes, indem wir es in Beziehung zu anderen ruhenden Objekten im Raum setzen. In ihrer Position werden diese Objekte dabei als unabhängig von dem Objekt betrachtet, dessen Position – im Raum – festgestellt werden soll. In ihrer eigenen Position im Raum werden diese Objekte damit absolut gesetzt. Zur Positionsbestimmung anderer Objekte sind diese Objekte deswegen geeignet, weil sie in ihrer eigenen Position allem Anschein nach von der uns interessierenden Position anderer Objekte unabhängig sind. Grundlage dieser Praxis ist die Vorstellung eines in sich ruhenden Raumes als allgemeinem Bezugssystem für die Wahrnehmung von Bewegung bzw. die Feststellung von Position.

 

III. - Unsere allgemeinen Überlegungen zum Begriff der räumlichen Position waren von der Tatsache motiviert, daß man Reihenfolge auch räumlich zur Darstellung bringen kann und dann die Position eines jeden Elementes dieser Reihenfolge auch durch dessen räumliche Position innerhalb der Reihenfolge dieser Elemente festgelegt ist. Dieser Positionsbegriff entspricht allerdings nicht der Positionsvorstellung, die wir meinen, wenn wir von der Position eines Elementes innerhalb einer ganzen Reihenfolge von Elementen reden. Es interessiert dann nicht die räumliche Position, die die einzelnen Elemente in einer – so sie denn möglich ist – räumlichen Veranschaulichung der ganzen Reihenfolge einnehmen; es interessiert die Position, die die einzelnen Elemente in der Abfolge aller dieser Elemente einnehmen. Es kommt dabei weniger auf ein gewisses – räumliches – Nebeneinander, sondern vielmehr auf ein geordnetes – zeitliches – Nacheinander an.

Das Phänomen Reihenfolge ist insoweit primär ein zeitbezogenes Phänomen. Jede Reihenfolge trägt einfach diesen dynamischen Aspekt eines Sich-in-einer-bestimmten-Richtung-Entwickelnden, so wie wir das bei Reihenfolge eben auch haben, an sich. Da ist einfach das Gesetz der Serie, das wir mit jeder Reihenfolge in Verbindung bringen, und an das uns jede Reihenfolge denken läßt, auch wenn Reihenfolge in ihren einzelnen Elementen nur ganz willkürlich gesetzt ist. Ein Gesetz der Serie ist in jedem Fall durch das System von Positionen gegeben, dem jede Reihenfolge in der Abfolge ihrer Elemente folgt. Diese Positionen und mit ihnen die ganze Reihenfolge folgen einem Gesetz der Serie, dem Gesetz der Serie der natürlichen Zahlen nämlich. Die Positionen einer jeden Reihenfolge werden entsprechend der Reihenfolge der natürlichen Zahlen abgezählt. Es ist dann von einer ersten, zweiten, dritten Position usf. die Rede. Wenn es dann heißt, ein Element würde sich an der x-ten Position einer Reihenfolge befinden, so wissen wir, welches diese Position ist, weil wir wissen, welches die Position der natürlichen Zahl x im System der Reihenfolge aller natürlichen Zahlen ist.

Wie diese Reihenfolge ist, das wissen wir deswegen, weil wir um das Verfahren wissen, das aus endlich vielen in Reihenfolge geordneten Zeichen alle nur möglichen endlichen Zeichenfolgen in geordneter Reihenfolge kombiniert. Wir wissen, wenn wir so eine Zeichenfolge vor uns haben, sofort, welches die Position dieser Zeichenfolge im ganzen System solcher Zeichenfolgen ist. Von jeder solchen Folge aus könnte problemlos alles, was bisher an Reihenfolge solcher Zeichenfolgen war, genauso zurückverfolgt werden, wie das, was im System an Reihenfolge noch kommt, nach Belieben fortentwickelt werden kann. Natürlich kommt man dabei – nachdem der ganze Mechanismus bzw. das ganze System zur Darstellung bzw. Produktion solcher endlicher Zeichenfolgen ein unendliches, und das heißt ein nicht-abbrechendes Verfahren ist – mit dieser Fortschreibung an kein Ende. Es tut dies allerdings der Identifizierung jeder beliebig – auch noch so groß – vorgegebenen Zeichenfolge als einer ganz bestimmten natürlichen Zahl in einer unendlichen Reihenfolge solcher Zahlen keinerlei Abbruch.

Man muß mit anderen Worten die Reihenfolge von Zeichenfolgen bis zu der beliebig herausgegriffenen Zeichenfolge – explizit – nicht entwickelt haben, um die betreffende Zeichenfolge in ihrer genauen Position innerhalb der ganzen nicht-endlichen Reihenfolge solcher Zeichenfolgen identifizieren zu können. In diesem Sinne identifiziert werden kann eine solche Zeichenfolge deswegen, weil wir um das Verfahren wissen, das der systematischen Produktion aller dieser Zeichenfolge zugrunde liegt. Entsprechend identifiziert werden kann eine solche Zeichenfolge deswegen, weil sie dieses Verfahren in sich auch verkörpert. Es verkörpert dieses Verfahren in sich in der Form, daß man, wie gesehen, von jedem Punkt der Serie aus die ganze Serie – in beiden Richtungen – rekonstruieren kann.

 Damit verbindet sich mit jedem Punkt der Serie das Wissen darüber, wo man innerhalb der ganzen Serie steht. Man weiß das, ohne diese Serie bis zu ihrem Anfang zurückverfolgen zu müssen. Man sieht der einzelnen Zeichenfolge – unmittelbar bzw. unvermittelt gewissermaßen – an, wo wir uns mit ihr im Ganzen der unendlichen Reihenfolge solcher Zeichenfolgen befinden. Da ist dann nur mehr wenig von System und Verfahren und dafür um so mehr von Punkt und Zahl zu sehen. Fest steht jedenfalls, daß uns die einzelne Zeichenfolge weniger an das Verfahren erinnert, das alle diese Zeichenfolgen systematisch hervorbringt, sondern vielmehr an die dadurch dargestellte Zahl in eben dieser unendlichen Reihenfolge von Zahlen denken läßt. Gelesen wird die einzelne Zeichenfolge natürlich – notwendig – in der ihr eigenen Reihenfolge von endlich vielen einfachen Zeichen; identifiziert wird diese Zeichenfolge jedoch als eine ganz bestimmte Zahl bzw. mit einer ganz bestimmten Zahl bzw. als eine ganz bestimmte Zahl in einer ganz bestimmten Reihenfolge solcher Zahlen.

 

 



[20] Die Frage der Beziehung von idealem mathematischen Raum zu realem physikalischen Raum ist diskutiert in A. Drexler. Was ist objektive Existenz?, 2000 S. 320 f; A. Drexler, Abbildung und Identität, S. 97 f.

[21] Siehe dazu auch A. Drexler, Abbildung und Identität, S. 335 f.